Ansichten eines Informatikers

Journalismus heute: Selbstmord aus Angst vor der Realität

Hadmut
5.2.2016 16:49

Ich habe verblüffend viel Feedback zum Blog-Artikel über den Qualitäts- und Inhalts-Absturz von SPIEGEL Online bekommen.

Ein Leser fand es »erstaunlich« in Anbetracht der Tatsache, dass der SPIEGEL irgendwann mal seine Redaktion eindampfen und sich mehr auf Online verlegen wollte. Alle anderen haben direkt voll zugestimmt.

Alle Zustimmenden beklagen auf die eine oder andere Weise und in verschiedenen Formulierungen und Schwerpunkten, aber immer in die gleiche Richtung: Eine Boulevardisierung von SPIEGEL Online. Ein Trend hin zu einer Mischung

  • aus dem schnöden und lustlosen Durchreichen von Agenturmeldungen
  • dem Suhlen in Belanglosem und Tratschthemen (Bento, oder “Der neue Tatort im Schnellcheck”)
  • eine Durchtränkung mit völlig substanzlosem und journalismusfreiem Ideologie- und Meinungsgeblubber nach dem Schema Beschimpfung und Verhöhnung aller mit anderer Meinung (sieht man auch bei ZDF heute show), vor allem in den Kolumnen, spezifisch Sascha Lobo, Sibylle Berg, Jakob Augstein, Margarete Stokowski (warum halten die sich eigentlich für Journalisten, wenn sie doch gar nichts journalistisches abliefern?)
  • Verschwinden journalistischer Inhalte, Realitätsbezüge, Empirie, Logik

Bemerkenswerterweise wurde das mal auf einer Netzwerk-Recherche-Konferenz auf einem feministischen Podium vom Moderator – ausgerechnet jener Jakob Augstein – gesagt, dass der Frauenanteil in Redaktionen umso höher ist, desto niedriger die Qualität. (Der ein oder andere Leser wird sich vielleicht noch erinnern, dass es damals ein Youtube-Video von meiner Zwischenfrage dazu gab, „der Mann im grünen Hemd…”)

Das Thema Korrelation-Kausalität ist in diesem Blog ja ein Dauerbrenner. Augstein wollte das so hinstellen, als läge die Kausalität so, dass man Frauen nur für Niederqualitatives einstellt. (Ich würde das mal auf Boulevardkram, Frauenzeitschriften, Fernsehzeitschriften und sowas beziehen.)

Tatsächlich aber scheint die Kausalität umgekehrt zu liegen, wie man an verschiedenen Beispielen, gerade am Beispiel Yahoo, sehen konnte: Erhöht man den redaktionellen Frauenanteil, führt es oft zu einem Tratsch- und Boulevard-Blatt.

Insofern wäre mal interessant, ob der Qualitätssturz bei SPIEGEL Online, den ja anscheinend nicht nur ich, sondern auch viele Leser sehen, zeitlich auf eine Erhöhung des Frauenanteils folgt.

Eine andere Erklärung wäre eben, dass die vielleicht einfach nur beleidigt sind. Gegenüber der Realität.

Die Realität hält sich nicht an die Ideologie und das Weltbild der Journalisten, also macht man das gleiche wie bei allen anderen Leuten, die nicht der Mainstream-Meinung entsprechen: Man schreibt nicht mehr über sie.

Im Prinzip derselbe Mechanismus, mit dem man jeden Menschen, der anderer Meinung ist, gleich als Pegida-Anhänger hinstellt: Die Realität folgt nicht dem Mainstream, also muss sie Pegida oder rechtspopulistisch oder sowas sein. Also schreiben wir nicht mehr über sie. Die Realität und wir gehen ab sofort getrennte Wege. Mit der wollen wir nichts mehr zu tun haben.

Hört sich so ähnlich an wie Selbstmord aus Angst vor dem Tod: Aus lauter Angst davor, dass die Realität von ihrem Weltbild divergieren könnte, trennt man sich von ihr und übersieht dabei, dass man damit auch den Journalismus aufgegeben hat. Dumm halt, dass die Bezahlung noch realitätsgebunden ist. (Jedenfalls derzeit, solange die SPD noch nicht die Regierungsmacht hat.)

Würde erklären, warum die da in so einem Meinungs- und Boulevard-Geblubber versinken. Die halten die Realität schlicht nicht mehr aus.