Köln: Der Dativ ist dem Genitiv seine Tochter ihr’n Tod…
Oh Schmerz! Oder: Der Journalismus steigt noch schneller ab als die Gesellschaft.
Ein Leser hat mich gerade – Kontext: Männererweichung – auf diesen Artikel im Express hingewiesen: Passanten schauten zu Tochter von Bläck Fööss-Gitarrist brutal verprügelt
Eigentlich wollte mir der Leser damit sagen, dass inzwischen niemand mehr hilft, wenn ein kleines Mädchen verprügelt wird und um Hilfe schreit.
Für mich stellte sich angesichts der Überschrift eher die Frage: Seit wann verprügeln die Bläck Fööss eigentlich kleine Mädchen? Sollte man die jetzt boykottieren? Oder gar feministisch korrekt girlkottieren?
Doch nein. Eigentlich wollte der Express damit das Gegenteil sagen, nämlich „Tochter des Bläck Fööss-Gitarristen brutal verprügelt”, aber Genitiv schaffen die heute nicht mehr. Gab doch mal so ein schönes Buch, „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod”.
Und dann stellt sich auch noch raus: Das Mädchen ist 26.
Schwerpunkt Tochter? Eine 26-jährige Frau und der wesentliche Punkt ist: Wer ihr Vater ist?
Wäre es irgendwie weniger oder anders schlimm, wenn ihr Vater der Günther von der Müllabfuhr oder der Ali aus der Türkei wäre?
Und was erwarten die da? Dass die Schläger vorher fragen: Hör’ mal, ist dein Vater prominent? Ja? Gut, Du darfst durch, wir verprügeln dann die nächste.
Und was haben sie getan?
Plötzlich baut sich ein Mitglied der Gruppe vor Alica auf – und beschimpft sie sexistisch auf das Übelste.
Das nun wieder kennen wir: Hat er ihr Dirnd’l gelobt? Bekanntlich ist das das Schlimmste, was es gibt.
Danach gab’s Schläge. Sie versucht, sich in eine Kneipe zu retten – und der Wirt schmeißt sie raus. Er will keinen Ärger.
Warum reagiert der Wirt so?
Naja, sie sagen zwar – Pressekodex – nicht, wo die Täter herkamen (in München ringt man sich inzwischen doch durch, zu solchen Fällen die Herkunft zu erwähnen) und auch nicht deren Namen, weil man ja keine fremdenfeindliche Ressentiments schüren will, aber man gibt dem polizeibekannten Täter den Ersatznamen „Yussuf B.”.
»Yussuf« ist prima, denn der Name passt einfach auf alles, was da irgendwo aus Südosten kommt, damit kann man jedes Ressentiment bedienen, passt auf nahezu jedes aktuelle Herkunftsland von Migranten. Ein Hoch auf den Pressekodex.
Heißt aber auch: Wir wissen, warum Wirt und Zuschauer nicht geholfen haben, denn da würde ja sofort die Rassismus-Keule geschwungen. Stellt Euch vor, der Wirt hätte die Tochter, aber nicht Yussuf reingelassen. Geht ja gar nicht, dafür zahlt er Strafe und gilt als Rassist. Hätte er sie aber beide reingelassen, wäre der Kampf weitergegangen, nur eben drinnen. Spieltheoretisch betrachtet haben Wirt und Zuschauer das Einzige getan, was ihnen die Gesellschaft noch übrig gelassen hat (und da fordern sie immer Zivilcourage…).
Und was folgern wir nun daraus?
Viele fordern Deutschkurse für Flüchtlinge.
Ich fordere Deutschkurse für Journalisten.