Ansichten eines Informatikers

Jammerbild IT-Standort Deutschland

Hadmut
19.2.2016 16:58

Hört Ihr auch immer die Politiker, die da das Maul aufreißen, Deutschland müsste weltweit führend in IT und Digitalisierung werden? Und schon wieder spuckt die Realität der Politik in die Suppe:

Trauerspiel Bürgerverwaltung: Der Tagesspiegel berichtet darüber. Bisher war’s ja schon schlimm. So schlimm, dass schon Zweifel an der Rechtmäßigkeit der nächsten Bundestagswahl aufkommen, weil es Monate dauert, bis man seinen Wohnsitz ummelden kann.

Nun haben sie die Software ausgetauscht, die das verbessern sollte. Ergebnis: Alles noch schlimmer.

In der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf sagte die zuständige Stadträtin Dagmar König (CDU) am Donnerstag, es dauere manchmal 40 Minuten, „bis das System auf eine Abfrage anspricht“. Es stürze auch immer wieder ab, ein Neustart könne eine halbe Stunde dauern.

Muss man sich mal klarmachen: Andere stampfen Google, Facebook, Twitter aus dem Boden. Wir scheitern daran, die Meldeämter einer 4-Millionen-Stadt zu betreiben – wo jeder nicht 30-Mal am Tag sondern vielleicht dreimal im Jahr hingeht, und wo die Computer nicht von den Laien selbst, sondern von ausgebildetem Personal bedient werden.

Und nebenbei: Wir reden hier nicht von Rocket Science. Wir reden hier davon, dass jemand umzieht und den Wohnort wechselt und ein paar Daten aktualisiert werden. (Von Lageso, BER, Bundestagscomputerchaos usw. gar nicht erst zu reden. Obwohl es ja inzwischen heißt, die Sache mit dem Rauchabzug sei auch nur Ausrede gewesen, in Wirklichkeit seien massive Pflichtversäumnisse und Schlamperei in der Politik die Ursache, Wowereit und Platzek waren wohl lieber feiern als sich um ihre Aufgaben zu kümmern. Zuständig für Brandenburg war eine Staatssekretärin für Finanzen, Mitglied der PDS und der LINKEN, der Lebenslauf riecht nach SED, die kein einziges Mal an einer Gesellschafterversammlung teilgenommen hat.)

Ich finde das auch insofern frappierend, weil es in Berlin eine quirlige Entwickler-Szene gibt, die jedem neuen Trend begierig folgt und Veranstaltungen über Servergeschwindigkeit, Microservices und so’n Kram hält: So Dinge eben, mit denen man sowas in den Griff bekommt.

Wenn man sowas so ausfällt, dann muss jemand bei der Architektur massiv gepfuscht haben.

Das Sahnehäubchen ist dann aber das:

Nach Auskunft der Senatsinnenverwaltung liegt all dies nicht an der Software, sondern an der unterschiedlichen IT-Infrastruktur in den Bezirken. Jetzt sollen bis Mitte März direkt in den Bezirken Lösungen gesucht werden. Innensenator Frank Henkel (CDU) habe schon lange darauf hingewiesen, dass „eine dezentrale Ressourcenverantwortung im IT-Bereich mehr Fluch als Segen ist“, sagte ein Sprecher.

Ich fand das ja immer schon erschütternd, wenn man auf der ein oder anderen Veranstaltung immer wieder mal hört, was alles in Deutschland nicht geht, weil jedes Bundesland andere Software einsetzt und die nicht kompatibel sind und nicht zusammenarbeiten.

Dass jetzt aber auch schon die Stadtteile von Berlin jeweils eigene Software einsetzen (da muss ja in jedem Bezirk jeder Parteigünstling seinen Posten kriegen…) und sie das deshalb nicht zusammengeflickt bekommen, finde ich den Hammer.

Und diese Oberarmleuchter von Politikern tröten, wir wollten weltweit führend in Digitalisierung werden?