Ansichten eines Informatikers

Facebook-Zensur gegen Türkei-Kritik

Hadmut
29.2.2016 20:06

Ich glaube fast, die Facebook-Zensur wird bei mir zur täglichen Kolumne.

Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichten, dass es bei Facebook glasklare Vorgaben gäbe, nach denen Inhalte gefiltert werden.

Der deutsch-türkische Blogger Kerem Schamberger hätte die Dokumente dazu ausgegraben. Die gäbs da. Wobei mir jetzt nicht klar ist, welcher Zusammenhang zwischen oDesk und Facebook besteht. Anscheinend wurde oDesk in Upwork umbenannt und ist der Freelancer-Beauftrager von Facebook. Auch weiß man wieder mal nicht, ob das echt oder fake ist. Nehmen wir mal an, es wäre echt, da es ja im Kontext von Sperrungen steht.

Von Moderatoren seien sofort zu löschen unter anderem:

  • Holocaust-Leugner mit dem Fokus auf Hass-Rede
  • Alle Attacken auf Atatürk (visuell und Text)
  • Landkarten von Kurdistan (Türkei)
  • Brennende türkische Flagge(n)
  • Jegliche Inhalte, die für die PKK Unterstützung signalisieren ohne Kontext; kurdische Flaggen ignorieren
  • Inhalte, die Abdullah „Apo“ Öcalan zeigen oder unterstützen. Hinweis: Nicht löschen, wenn die Inhalte klar gegen die PKK und/oder Öcalan sind.

Psychologisch raffiniert gemacht: Erster Punkt Holocaust-Leugner, da stimmt jeder zu und ist auf fiese Nazis geeicht, und dann kommen im Windschatten politische türkische Themen. Meines Wissens ist die PKK eine üble terroristische Vereinigung. Ich will die überhaupt nicht in Schutz nehmen.

Aber: Es hieß doch, dass es um die Sperre rechtsextremer fremdenfeindlicher Hetze geht. Die PKK mag noch so terroristisch sein, die oben gelisteten Punkte scheinen mir nicht unter diesen Bereich zu fallen, sondern vornehmlich politisch unerwünscht.

Der Blogger meint, die Türkei habe das einfach dafür verlangt, dass Facebook dort mit Werbung Geld verdienen darf. Nun wäre das insofern vertretbar, als die Türkei ein souveräner Staat ist und als solcher selbst festlegen kann, was dort verboten ist. Und natürlich auch fordern kann, dass Facebook sich an die örtlichen Gesetze zu halten habe, wenn sie da auftreten wollen. Was auch immer man davon halten will, die türkische Regierung ist gewählt und damit Gesetzgeber.

Aber: Da steht ja nichts, dass das auf türkische Sprache oder türkische IP-Adressen beschränkt wäre. Wobei man die Überschrift „IP Blocks and International Compliance” bezüglich der „IP Blocks” (was meint das?) schon so verstehen könnte, dass sich das auf bestimmte IP-Adressen beschränkt, aber „International Compliance” ist ganz sicher keine Beschränkung auf die Türkei.

Das heißt, dass das auch hier in Deutschland gefiltert wird.

Und da ist es dann vorbei mit Demokratie. Denn hier gilt deutsches und nicht türkisches Recht. Man kann das drehen und wenden, wie man will, aber wenn Kurden oder Türken hier in Deutschland publizieren, zumal wenn es auf deutsch ist, dann müssen sie dabei auch deutsche Meinungs- und Redefreiheit in Anspruch nehmen können. Zwar meinen auch deutsche Staatsanwälte, dass wenn irgendeiner im Ausland etwas auf deutsch publiziert, dann sei Ziel eine deutsche Leserschaft und damit deutsches Recht anwendbar. Selbiges müsste man der Türkei zugestehen. Aber erstens bezieht sich das auf ein nachträgliches Strafrecht und nicht auf Filterung. Und zweitens leben in Deutschland inzwischen soviele Türken und Kurden (oder -stämmige), dass man nicht mehr unterstellen kann, dass solche Äußerungen notwendigerweise auf ein türkisches Publikum abzielen. Da kann man mit Fug und Recht auch ein in Deutschland lebendes Publikum unterstellen, und damit eben deutsches Recht anwenden. Und nach deutschem Recht wäre etwa eine Landkarte meines Wissens zulässige Meinungsäußerung. Meines Wissens ist es hier nicht verboten, Deutschlandkarten in den Grenzen von 18xx oder 1913 oder irgendsowas zu zeigen. Unerwünscht, unsinnig, aber nicht verboten. Also wäre es auch nicht verboten, irgendwelche Karten von Kurdistan zu zeigen. (Oder ließen wir uns hier Karl Mays Durchs wilde Kurdistan verbieten?)

Und damit stimmt das, was Maas uns erzählt hat, nicht. Denn es wird politisch gefiltert.

Man kann sich jetzt natürlich fragen, ob die Türkei als Werbemarkt groß genug ist, sowas durchzusetzen. Könnte auch ein Deal auf Gegenseitigkeit sein.