Ansichten eines Informatikers

Die Rabulistik der Brüste

Hadmut
23.5.2016 21:06

Ist eigentlich gar nichts zu dämlich? Nein. Sogar das dümmste funktioniert noch. Wenn man nicht geschult ist und es erkennt.

Hmmm. Ging heute so durch die Blogs und die Presse. Sie publizieren gerade ein Video, in dem sie ins Lächerliche ziehen wollen, warum Frauen nicht programmieren könnten: Why can’t girls code? (siehe unten)

Junge Frauen erklären – natürlich bewusst lächerlich überzogen – dass sie nicht programmieren könnten, weil ihre Brüste im Weg sind, sie wegen ihrer Wimpern den Bildschirm nicht sehen könnten, sie abwechselnd der Eisprung und die Menstruation am Programmieren hindere, sie ja überhaupt damit nichts anfangen könnten, weil Programmieren rational wäre, sie dagegen emotional.

Merkt Ihr was?

Raublistisches Standardmittel, das Gegenteil des eigenen Standpunkts ins Absurde oder Lächerliche zu überzeichnen und auf jede vom eigenen Standpunkt abweichende Meinung auszudehnen, also quasi den absurden Prototyp der Gegenmeinung vorzugeben. Ist nicht neu, Kunstgriff 13 von Schopenhauer. In Verbindung mit einem sogenannten „falschen Dilemma”, in dem rhetorisch eine Dichotomie aufgestellt wird, die suggeriert, dass es nur genau zwei Standpunkte gibt, nämlich den eigenen und den anderen, und der andere als völlig lächerlich, unvertretbar, absurd, uneinnehmbar hingestellt, dem Hörer also der eigene Standpunkt als der einzig mögliche untergeschoben wird.

Girls do code. Every other theory is ridiculous.

Grundprinzip ist das „Tertium non datur”, dass es keine weitere als die gewünschte und die lächerliche Meinung geben kann. Damit werden zwei mögliche Erklärungen völlig weggedrückt, nämlich die, dass Männer und Frauen vielleicht wirklich unterschiedlich gut oder gerne programmieren, und die, dass Frauen vielleicht einfach selbst dran schuld sein könnten, dass sie in einem Beruf weniger vertreten sind. Was darin auch nicht vorkommt ist, dass man das Programmieren eigentlich vorher irgendwie so studiert oder lernt. Das kommt da so wie ein Hobby rüber, das jeder mal so ad hoc machen kann, weil’s Spaß macht.

Noch nie in der Geschichte des Feminismus wären Frauen an irgendetwas selbst schuld gewesen oder hätten irgendetwas nicht gekonnt.

Ich stelle mal eine Gegenthese in den Raum: Stellt Euch vor, Ihr sitzt als Personaler in einem Bewerbungsgespräch, und der Bewerber erzählt Euch, dass er einfach alles kann und an allem, was nicht klappt, immer irgendwer anderes schuld sein muss, dass das alles einfach immer nur Vorurteile gegen ihn sind.

Würdet Ihr den einstellen?

Und jetzt überlegt Euch: Ist dieses Video ein Grund dafür oder einer dagegen?

Worauf ich aber eigentlich hinauswill: Es ist mir völlig egal, wen Ihr einstellt. Mir geht es darum, dass man lernt und merkt, wenn man rabulistisch hinter’s Licht geführt wird. Das gehört heute einfach zu Medienkompetenz und politischem Wissen, dass man solche Nummern als Schwindel erkennt und sowas nicht auf den Leim geht.

Das Video: