Ansichten eines Informatikers

Die kleine Sophie sucht ihre Eltern

Hadmut
4.6.2016 22:32

Anmerkungen zur Luftfahrt.

Ich war heute nach langer Zeit mal wieder auf der ILA, der internationalen Luftfahrtausstellung in Berlin. Ich war schon zweimal da, aber das war 2004 und 2006. Hatte heute einfach Lust, mal wieder hinzugehen. Flugzeuge angucken. Autos langweilen mich enorm. Schiffen kann ich eigentlich auch nichts abgewinnen. Aber Flugzeuge und Helis, das ist der Brüller. Für mich jedenfalls.

Überraschung schon auf dem Hinweg: Ich hab den Flughafen BER gesehen. Den gibt’s wirklich. Bisher kannte ich den nur von Bildern, und da kann man heute ja viel am Rechner erzeugen. Ich hatte schon geargwöhnt, dass der Grund dafür, dass sie den nicht eröffnet kriegen, vielleicht darin liegen könnte, dass es den gar nicht gibt und sie immer nur computergenerierte Bilder rumschicken. Obwohl: Ich habe ihn nur aus der Entfernung gesehen. Könnte auch ne Attrappe sein. Ist ja seit einiger Zeit so in Mode, Baugerüste mit bedruckten Planen zu behängen, auf die man aufgedruckt hat, wie es mal aussehen soll. Hier um die Nähe steht ein großes Haus, an dem sie Restaurierung demonstrieren wollten, das Geld aber nicht für das ganze Haus gereicht hat. Deshalb ist nur eine Häuserecke echt, der Rest besteht aus nur aus bedruckter Gerüstplane, nix drin außer Luft. Könnt ja sein, dass sie den Flughafen auch so gebaut haben und gerade ausprobieren, wie lange man das spielen kann, bis es einer merkt.

Dann auf dem Gelände angekommen. Durchsage (und anscheinend nicht die erste), dass man am Veranstaltungsstand die kleine 6-jährige Sophie habe, die ihre Eltern sucht. Sophie sieht soundso aus, hat eine rote Jacke, einen rot-weiß gestreiften Rucksack, blablabla…

Äh, Moment mal.

Wenn man, wie es auch oft vorkommt, die Eltern hat und das Kind sucht, dann ist es sinnvoll, das Kind zu beschreiben, weil Kinder oft die Durchsagen nicht mitbekommen, nicht verstehen oder damit überfordert sind, und andere Besucher oder Kunden das Kind anhand der Beschreibung erkennen und zur Information bringen können.

Warum aber beschreibt man ein Kind, wenn man das Kind hat und die Eltern sucht? Für den Fall, dass die Eltern den Vornamen ihres Kindes nicht kennen, aber sich vielleicht erinnern, wie das Kind ungefähr aussah? Du, Schatz, ein Mädchen mit einem rot-weißen Rucksack, könnte das vielleicht unsere Tochter sein? Wie hieß sie noch gleich?

Nach einer Dreiviertelstunde haben sie immer noch gesucht. Inzwischen auch noch andere, aber mit der genervten Anmerkung, dass man die kleine Sophie auch noch hier habe. Ich weiß, dass man Hunde an der Autobahnraststätte abstellt und sie sich selbst überlässt. Setzt man jetzt auch kleine Mädchen auf Ausstellungen aus?

Vielleicht hätte man doch besser die Eltern beschrieben, falls die einer zufällig sieht.

Ein Kunstflieger zeigt am Himmel perverse Kunststücke. Lässt die Maschine trudeln, sich überschlagen und dergleichen. Sie sagen, dass er im Hautberuf Kapitän bei der Lufthansa ist. Find ich geil. Ich find das enorm gut, wenn Verkehrspiloten nicht nur noch den Bordcomputer nach GPS programmieren und den Autopiloten fliegen lassen können (wie mir das ein australischer Verkehrspilot mal als bei der Mehrzahl der Piloten erreichter Zustand erzählte), sondern auch noch richtig fliegen und die Aerodynamik mit dem Arsch fühlen kann. Sie führen später auch zwei Airbus vor. Einer fliegt ein paar steile Kurven. Der andere wird als besonders spritsparend vorgestellt. Sicherlich toll, aber es gibt da halt nichts zu sehen.

Frappierender Wechsel: Nach einem Airbus stellen sie – kurios – eine 2kg schwere automatische Drohne vor, die Landschaften kartografiert oder Rehkitze entdeckt um sie vor Erntemaschinen zu retten. Erst so ein Riesen-Trumm, dann so ein Klecks in der Luft.

Eine DC-3 stand rum, leider schon ziemlich klapprig, verbogen. Oh, ich liebe diese alten Flugzeuge mit Spornrad, Sternmotoren und vielleicht noch silbern glänzender Hülle, die im Stand so schräg nach oben zeigen. In Neuseeland war ich mal in einem McDonalds (oder Burger King oder irgendsowas), die hinter dem Haus eine alte, leider sehr vergammelte, kaputte und teils ausgeschlachtete DC-3 stehen hatten, in die man sich reinsetzen konnte. Drinnen ein Gedenkschild, das daran erinnerte, dass dieses Flugzeug, das im Prinzip ja schon ein modernes, sehr lastfähiges und einsatztaugliches Flugzeug war, das in seinem Aufbau und seiner Bedienung auch heutigen Flugzeugen sehr gleicht, es aber gerade mal 30 Jahre nach der Erfindung der ersten Flugzeuge in Form alberner Holzgestelle gebaut worden war. Was für eine enorme technische Entwicklung und Ingenieurleistung. Wie gerne würde ich mal eine DC-3 fliegen. Was ich nicht wusste: Die gab’s auch auf russisch. Die Russen hatten die DC-3 lizensiert und sie fast baugleich auch gebaut. Lisunow LI-2. Direkt nebendran stand so eine.

Bei einer der früheren ILAs, die ich besucht habe, hatten sie mal einen Überflug einer Super-Conny (Lockheed Super Constellation). Leute, das ist geiler Sound (und nicht die aufgemotzen Auspuffmutanten, mit denen die Idioten in Berlin rumfahren). Sowas ähnliches hatten sie auch diesmal. Red Bull bzw. The Flying Bulls (der Inhaber sponsort da ja allerhand im Flugsport) hatte da zwei alte, restaurierte Maschinen da, davon eine DC-6. Die hatte angeblich mal Diktator Tito gehört, ist auf dubiosen Wegen nach Afrika gekommen, wo sie sie in völlig vergammeltem Zustand gefunden und richtig toll restauriert haben. Ist das ein schönes Flugzeug. Ich hab den Beruf verfehlt. Brausehersteller hätt ich werden sollen.

Und eine Catalina stand herum. Eine altes Wasserflugzeug, von dem es kaum flugfähige gibt. Eigentlich ziemlich hässlich. Erinnerte mich aber daran, dass ich als Kind mal von irgendwem so eine als Airfix-Bausatz geschenkt bekommen und sie zusammengeklebt habe, und dann fassungslos davor stand, was für ein hässliches, komisches Flugzeug mit herunterklappbaren Flügelspitzen, seltsam einziehbaren Rädern und einer komischen Rumpfform, die Vernes Nautilus würdig gewesen wäre, ich da bekommen hatte. Und nun stand da eine herum und ich habe plötzlich jedes Detail dieses Bausatzes wiedererkannt, den ich schon längst vergessen hatte und an den ich niemals mehr wieder gedacht hätte, wenn das Ding da nicht vor mir gestanden hätte.

Dann hat da mal einer in einem Kampfflugzeug die Sau rausgelassen. Boah, wie geil. Sehr wendig, sehr schnell, sehr, sehr schnell. Brettert im Tiefflug mit vollem Tempo vorbei, zeigt einem dann das Heck, damit den Lärm in voller Dröhnung bekommt, kommt sodann im steilen Anstellwinkel und ganz, ganz langsam vorbeigetuckert, als könnte er kein Wässerchen trüben. Eine MiG-29 der polnischen Armee, eigentlich auch schon 30 Jahre alt. Man lobt und preist ihre Flugfähigkeit und ihre enorme Belastbarkeit, obwohl sie noch nichts mit Fly-by-wire hatte, sondern noch so ganz herkömmlich-traditionell geflogen wurde. Ein (russisches!) Meisterstück des Flugzeugbaus. Wusstet Ihr, dass die eine so ausgeklügelte Rumpfform hat, dass sie 52% ihres Auftriebs mit dem Rumpf, und nur 48% mit den Flügeln erzeugt?

Die Amis waren auch da. Die können auch Flugzeuge bauen. Ein neuerer Bomber stand da rum (war kein Schild dran, war wohl ein B-1B), der durch seine glatte Form auffiel und durch seine Fenster irgendwie aussah, als wäre er direkt aus Disneys Planes entsprungen. Eine riesige Transportmaschine hatten sie sogar offen zur Besichtung. Es waren so enorm viele Leute da, die mal ins Cockpit gucken wollten, dass sie im Flugzeug Wegtrenner aufgestellt hatten und die Leute auf einer Hälfte durch den Rumpf nach vorne und auf der anderen wieder zurück leiteten.

Ich habe mal einen von der Besatzung gefragt, wieviel ihnen bei diesen Massenbesichtigungen eigentlich kaputt gemacht oder geklaut wird. Er grinste und meinte, hinterher fehlte 20% von allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Er zeigte auf ein Fach in der Bordwand, in dem normalerweise fünf aufgewickelte Zurrgurte in einzelnen Halterungen stecken. Waren nur noch drei Gurte drin. Er meinte, zwei seien hier schon geklaut worden. Und bevor sie losfliegen, machen sie einen „extended check”, prüfen wirklich alle Schalter im Flugzeug, ob sie richtig stehen, und schauen die Triebwerke ganz genau durch, ob sie auch alle Getränkebecher da rausgeholt haben. Die Leute, meint er, würden aus irgendwelchen Gründen, die er nicht so richtig versteht, zwanghaft irgendwelches Zeug mitgehen lassen. Er sah das aber ganz locker und entspannt. „That’s the price we pay.” Ist halt so.

Wisst Ihr, wer dort eine Riesen-Show abgezogen hat?

Die Bundeswehr.

Die waren extra breit da, auch mit ferngesteuerten Drohnen und den Fernsteuerungseinheiten, aber sogar mit ganz viel Kram, der nicht mal fliegt. Kleine Panzer, Fernmeldekram, Sanitätszelte. Die machen da extra breit Werbung und suchen Nachwuchs. Auffällig: Betont überproportional viele Soldatinnen. Und ganz, ganz viel Flugshow, mit Landungen und Rettungen und Kampfhubschraubern, die Leute aus fiktiven Krisengebieten retten. Und M400. Und zum Finale nochmal mit viel TamTam die große Bundeswehrparade aus 19 hinterheinanderfliegenden Helis, Kampflugzeugen, Transportern. Ich hätte gar nicht gedacht, dass die Bundeswehr überhaupt noch 19 einsatzbereite Fluggeräte hat und sich den Sprit noch leisten kann. Amüsanterweise sagten sie später, dass eines der Fluggeräte, ein altes Ausbildungsdüsenflugzeug, einer Gruppe aus 5 Piloten gehört, die das Ding restaurieren, pflegen und fliegen. Ein paar Dinge habe ich sogar aus meiner Bundeswehrzeit noch wiedererkannt: Eine CH-53, einen Unimog für das Fernmeldegeraffels. Ne alte Bell-UH1 „Huey” stand auch noch als Rettungshubschrauber rum. Und eine Bo-105 hatten sie auch noch dabei, was mich sehr verblüffte, weil ich dachte, die wären ausgemustert worden. Die bekam später aber noch ihren Ehren-Abschieds-Soloauftritt, weil sie als letzte Kiste zum Jahresende ausgemustert würde und es damit der letzte Demo-Flug einer Bundeswehr-Bo-105 auf der ILA sei. Ich hab mir schon so oft überlegt, ob man nicht mal irgendwie an eine ausgemusterte Bo-105 kommen könnte, denn die Dinger sind immer noch rattenscharf, die sind im Prinzip kunstflugtauglich und trotz ihres Alters gut drauf. Aber schon im Kaufpreis immer noch exorbitant und wie mir mal jemand sagte, im Unterhalt absurd teuer. Auch für das Spielzeug hätt ich Brausemilliardär werden müssen. Aber generell war schon zu sehen, dass sich an deren Ausrüstung seit meiner Grunddienstzeit sehr viel getan hat und das alles sehr viel elektronischer geworden ist. Zu meiner Zeit war das alles noch mechanisch. (Sogar die Funkgeräte, ernsthaft!)

War aber eben sehr auffällig, dass die Bundeswehr da Werbung betreibt und versucht, Nachwuchs einzufangen.

Und zum Schluss natürlich wieder Patrouille Suisse mit ihren Präzisionsformationsflügen, bis zu 1000 km/h mit 3 Metern Abstand. Dass das wirklich herausragend ist, merkt man daran, dass die ganzen anderen Militärflieger, die sowas ja eigentlich jeden Tag sehen, plötzlich auf die ganz großen Flugzeuge klettern und sich oben auf die Tragflächen oder die Dächer setzen, um den besten Ausblick zu haben. Schon beeindruckend, wenn die im Formation auf das Publikum zufliegen um dann in einem großen Stern auseinanderzufliegen und dabei Pyroeffekte (wie Täuschkörper) abzuwerfen.

Wobei die eigentlich nicht mal fliegen müssten, denn allein schon der Sprüchebeutel, den sie dafür ans Mikro setzen, und der zwischendurch auf die Lautsprecher durchgeschaltete Flugfunk, bei dem man die Schwyzer Almhütten-mäßigen Grunzlaute hört, mit der der Kommandant die Manöver koordiniert. Vielleicht hat der wirklich was gesagt, ich hab aber nicht viel verstanden. Hat mich irgendwie an Michael Jackson erinnert, der in irgendeinem seiner Songs mit so einem Brrrrapp-dapp-dapp daherkommt. Man merkt, da fliegen Künstler. Sie fliegen übrigens ohne irgendwelche Hilfsmittel oder Computer, nur auf Sicht und handgesteuert, koordiniert über die komischen Laute, die der Kommandant von sich gibt.

Und was man auch merkt, im Vergleich zur Bundeswehr: Wie toll die Leute fliegen können, wenn sich ihre Armee genug Sprit zum Üben und die Wartung der Maschinen leisten kann.

Die suchen übrigens auch Leute. Aber man muss Schweizer und zwischen 17 und 20 Jahre alt sein.