Das nächste seltsame Urteil
Ich hatte doch erst neulich von einem Strafrechtsurteil berichtet, bei dem jemand angeblich wegen Hate Speech durch durch Anführungszeichen zu 4 Monaten auf Bewährung verurteilt worden sei, das es laut des angegebenen Amtsgerichts aber nie gab. Ich habe inzwischen auch noch bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt, die wissen auch nichts davon.
Viele Leser hatten mich dazu auf ein anderes, u.a. in der Süddeutschen besprochenes Urteil hingewiesen, in dem ebenfalls jemand wegen Hate Speech verurteilt worden sein soll. Das liest sich dort plausibler, der scheint sich da wirklich verbal geäußert zu haben statt nur Anführungszeichen zu setzen.
Eigentlich hat mich das relativ wenig interessiert, denn wenn der da wirklich strafbaren Mist redet, warum soll man ihn nicht verurteilen?
Weil ich direkt vorher aber noch dieses Schwindelurteil entdeckt hatte und ich bisher nirgends eine greifbare Definition von Hetze usw. gesehen habe, dachte ich mir dann halt doch, guckste mal rein. Und hab eine Urteilsabschrift angefordert.
Es antwortete mir die Direktorin des Amtsgerichts Dachau:
Sehr geehrter Herr Danisch,
Ihre Bitte um Auskunft wurde mir zuständigkeitshalber weitergeleitet.
Für Ihre begehrte Auskunft berufen Sie sich auf Ihre Tätigkeit als freiberuflicher Publizist. Als Nachweis hierfür benötige Ich Ihren Presseausweis. Bitte senden Sie mir diesen in farblicher Kopie zu. Sobald mir ein gültiger Presseausweis vorliegt, werde ich Ihnen nähere Einzelheiten mitteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Jetzt wird’s interessant.
Denn ich hatte ja in der Auskunftsklage gegen die Humboldt-Universität schon zusammengesucht und dargelegt, dass es seit spätestens 2007 Presseausweise nicht mehr gibt, schon gar keine „gültigen”. Im Bayerischen Pressegesetz steht auch nichts von einem Presseausweis.
Also habe ich ihr geantwortet, dass es Presseausweise nicht mehr gibt. Und man sie deshalb auch nicht verlangen kann. Das, was es an Ausweisen gibt, sind rechtlich belanglose Ausweise von Verbänden, die sie nur an solche Leute herausgeben, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens mit Journalismus erzielen. Mein Haupteinkommen ist aber Informatiker. Deshalb bekomme ich den Presseausweis, den es rechtlich gesehen nicht mal gibt, auch nicht. Trotzdem habe ich Auskunftsansprüche, man darf Presse also nicht an den Ausweis binden.
Ich habe außerdem gefragt, worin die Rechtsgrundlage für diese Forderung liegt.
Nächste Antwort der Direktorin:
Sehr geehrter Herr Danisch,
Ihre Rechtsauffassung teile ich nicht. Ich bitte daher um Vorlage eines Presseausweises in farblicher Kopie, sonst kann keine Auskunft erteilt werden. Ohne diese Vorlage werden weitere Anfragen nicht mehr beantwortet.Mit freundlichen Grüßen
Meine Güte. Laut Presse war sie vorher Richterin am Oberlandesgericht und Oberstaatsanwältin. Aber von Verwaltungsrecht, rechtlichem Gehör, Begründungspflichten scheint sie noch nie gehört zu haben. Da kann man sich vorstellen, wie die als Richterin urteilt.
Was soll ich mich lange mit der rumärgern?
Ich habe halt einfach schriftlich beim Amtsgericht und dem Bayerischen Justizministerium Widerspruch eingelegt und Dienst- und Sachaufsichtsbeschwerde erhoben, unter anderem weil das Bundesverfassungsgericht (13.5.2015, 1 BvR 857/15) ein Auskunftsrecht der Presse und eine Publikationspflicht der Gerichte auch bei Strafrechtsurteilen festgestellt hat.
Noch nichts gehört, ist erst zwei Tage her.
Ein anderer Autor, der das Urteil auch haben wollte, und dem sie das auch gleich abgelehnt hatten, berichtete mir aber gerade, dass es auch eine Anfrage einer Zeitung gab. Also solcher Leute mit Presseausweis. Und die hätten gar keine Antwort bekommen.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass auch an diesem Urteil irgendwas faul ist.
Übrigens ging die Tage auch herum, dass die Seite des Extrem… Gottogott, ein Extremist? Nein, höchstens ein Höhen-Extremist … die Facebookseite des Extremsportlers Felix Baumgartner (war das nicht der, der kürzlich den Höhenrekord für Fallschirmsprünge durch einen Sprung aus der Stratosphäre gebrochen hat?) gesperrt worden sei. Siehe Krone und Wochenblick. Offiziell heißt es, Facebook habe ihn für einen Fake gehalten.
Baumgartner hatte allerdings zur Wahl des FPÖ-Kandidaten aufgerufen.
Ein Schelm, wer noch was denkt.