Ansichten eines Informatikers

Ich war vorhin beim Maas

Hadmut
21.7.2016 0:17

Vorletzte Woche hatte ich schon geschrieben, wer heute alles auf dem Internet-of-Things-Trip ist, irgendwie ist das gerade das aktuelle Bullshit-Buzzword der SPD. Heute war ich dort. [Update und Korrektur: Marco Maas hat sich bei mir gemeldet]

Genauer gesagt war ich heute auf zwei Veranstaltungen, vielleicht komme ich noch dazu, auch über die erste zu schreiben. Dort fing auch noch die Brigitte Zypries mit Internet-of-Things an. Ich würde ja gerne mal wissen, warum die bei der SPD jetzt alle wie bekloppt auf Internet-of-Things machen, ohne so genau verstanden zu haben, worum es da eigentlich geht.

Heute abend war ich noch im BMJV bei dieser Veranstaltung.

Eigentlich haben sie alles schön auf Video aufgenommen, weshalb ich mit einem Video-Download gerechnet habe. Beim Rausgehen habe ich gefragt und man sagte mir, das war nur für Livestreaming, sie hätten es nicht aufgenommen.

Interessant war der erste Teil. Der Journalist Marco Maas (anscheinend nicht verwandt, nur eine zufällige Namensgleichheit) erzählt ausführlich, wie er sich aus journalistischer Abenteuerlust seine Wohnung mit allem zugedonnert hat, was es an Heimautomatisierung gibt, und auf Datenschutz gepfiffen hat, er hat alles so installiert, wie die Hersteller es wollen, mit Cloud und Handy und allem Scheiß. Lampen hier, Sensoren da, Amazon Alexa da, und wirklich jeden Scheiß eingebaut hat, dessen er habhaft werden konnte.

Und dann hat er so einiges an Bildern und Animationen gezeigt. Wie die Bewegungsmelder abends seltsame unplausible Bewegungen festgestellt haben, was aber nur sein vollautomatischer Roboterstaubsauger war, der durch die Wohnung tingelt.

Oder dass er sich eine Matratze mit Sensoren gekauft hat, die seinen Schlaf analysiert und für besondere Zweisamkeiten eine „Privacy-Taste” hat, die dann die Dynamik des Zusammenseins aus der Messung ausnimmt.

Am urigsten fand ich, wie er vom Büro aus gesehen hat, dass die CO2-Sensoren gemeldet haben, dass 2,6 Personen im Wohnzimmer seien, wo doch seine Frau alleine sein sollte. (Anmerkung von mir: Drängt sich natürlich der Gedanke an Frau+Liebhaber+erhebliche sportliche Betätigung auf, ich weiß nicht, ob er das so gemeint hat). Er hat dann voller Misstrauen (siehe unten) zuhause angerufen und seine Frau gefragt, was sie macht, wie sie auf 2,6 anwesende Personen käme. Antwort der Frau: Sie gibt gerade einem kleinen Mädchen Klavierunterricht und dessen Mutter sitzt daneben und guckt zu.

Dann hat er dieselben CO2-Sensoren mit der Farbeinstellung des Lichtes gekoppelt, damit er an der Lichtfarbe sehen kann, ob er mal wieder lüften muss.

Dann hat er noch so ein Amazon Alexa-Dings da stehen, was auch noch Musik und sonst alles steuert. Spricht man mit „Alexa!” an und dann steuert und macht und bestellt das Ding auf Zuruf.

Und dann sagte er noch, wieviele Daten seine Wohnung täglich produziert und hochlädt. Ich hab’s nicht mehr genau in Erinnerung, ich glaube es war 600 MB pro Tag. Beispielsweise berichten seine Thermostate sekündlich, wie sie sich so fühlen, und am Ausbleiben der Meldungen konnte er seinem Internet-Provider Leitungsausfälle nachweisen.

Danach die Frage wer sowas gut oder gruselig findet. Gut: waren glaube ich zwei oder drei Leute. Die Mehrheit fands gruselig.

Den Teil fand ich recht interessant.

Danach wurde es fad. Ach, irgendwie so genau das erwartbare Standardpolitikgefasel, jeder erzählt, was er erzählen muss, und sagt nicht viel. Ob man da sozial ausgeschlossen wird, ob sich das alte Leute leisten können, ob man das lernen muss, ob man die Daten besser in der Cloud oder auf dem eigenen Server speichert, und ob man das als Normalmensch überhaupt kann. Schleppte sich halt so hin.

Ich hab dann mal ne Publikumsfrage an den Minister Maas gestellt.

Wir hätten doch vorhin bei der Einleitung das Amazon-Alexa-Teil gesehen, das da rumsteht und auf Befehle hört. Konsequenterweise müsste er doch nach Facebook auch auf Amazon Druck ausüben, damit die Dinger Hate Speech und häusliche Gewalt erkennen und sofort an die Polizei melden. Wann er das machen würde.

Gelächter im Saal. Leute grinsen mir zu.

Schade, dass Ihr das Gesicht von Maas nicht gesehen habt. Die Frage hat im so gar nicht gefallen.

Ja, so, mmmh, er meint, der Vergleich mit Facebook sei „fehlgeleitet”, das sei ja ein nach außen gerichtetes Medium, während Amazon ja nur ein Hersteller wäre, und das ginge ja auch gar nicht, das wäre ja Privatsphäre und da gäbe es ja Rechtsprechung der obersten Gerichte.

(Au weia, habe ich mir da gedacht. Denn man sieht ja am Beispiel Baer, das das „oberste Gericht” eben nicht mehr mit fähigen Juristen, sondern mit durchgeknallten ideologisierten Gender-Extremisten besetzt wird. Was ist denn, wenn diese Verfassungsknallerbsen irgendwann mal urteilen, dass man auch in der Privatwohnung das ganze Genderprogramm durchsetzen muss?

Und ausgerechnet Maas kommt mit dem Argument, dass die höchsten Gerichte dagegen wären?

Da ging mir auch durch den Kopf, dass Erdogan die Möglichkeit garantiert nutzen würde, so ein Ding daraufhin auszuwerten, ob jemand privat was falsches sagt, und auch gleich jeden verhaften, der so ein Ding nicht hätte. Man könnte sogar mutmaßen, dass er in Deutschland lebende Türken überwachen würde, ähnliches für Nordkorea. Womit wir dann Big Brothers Teleschirme aus Orwell’s 1984 hätten.)

Maas wollte sich zu der Frage, nicht wesentlich äußern, eigentlich hat man ihm angemerkt, dass er sich um die Frage außenherumzuzirkeln versuchte, aber man sah ihm auch an, dass ihm das nicht passte.

Dann haben die anderen übernommen.

Jener Marco Maas, der mit der vollautomatisierten Wohnung, meinte, das ginge ja gar nicht, das Ding würde sich ja immer erst einschalten, wenn man es zuvor mit Namen anspricht, also „Alexa, mach mal…”. Da müsste man ja beim Gewalt-Zuschlagen jeden Schlag mit „Alexa…” einleiten, um das Ding überhaupt einzuschalten.

Bemerkt Ihr den Denkfehler?

Man kann die Sprachanalyse dieses Dingens nicht mit „Alexa!” einschalten, denn wenn man das Ding mit seinem Namen ansprechen kann, dann muss die Sprachanalyse ja schon laufen, sonst würde das Ding ja nicht merken, dass man es anspricht. Also muss die Sprachanalyse permanent laufen. Und damit kann das Ding dann auch unerlaubte Wörter erkennen oder vielleicht auch Gewaltgeräusche, und nach „Nein heißt nein” sogar auf Kopulation und „nein” lauschen, und dann beispielsweise das Mikrofon zur Polizei oder zur Amadeu-Antonio-Stiftung durchschalten.

Konnte ich jetzt so nicht erklären, weil nur ein paar Sekunden Fragezeit. Auf einen nachträglichen Zuruf von mir, dass das ja alles nur Software sei, räumte er ein, dass sich das ändern ließe.

Denk Denkfehler hat auf dem Podium aber keiner bemerkt. Eben auch nicht der Internet-of-Things-Experte Marco Maas. Da kann mal sehen, wie man sich die Pest ins Haus holt und es nicht mal merkt.

Constanze Kurz hat die Frage dann aber aufgegriffen und in meinem Sinne nachgehakt. Sie fände die Frage durchaus nicht abwegig, und wenn man den „Lauschangriff” berücksichtige, seien wir doch schon sehr nahe dran. Und hätten eine Erosion der Rechte. Maas hat die Frage aber nicht gefallen, er wollte sich da nicht näher drauf einlassen.

Gab noch ein paar andere Fragen aus dem Publikum, aber langatmig und schwer wiederzugeben, irgendwas mit digitalem Hausfriedensbruch, wo einer ellenlang erzählt hat, was er alles macht, aber irgendwie nicht klar wurde, was die Frage ist.

Update: Der im Text erwähnte und zitierte Journalist Marco Maas hat sich bei mir gemeldet und ist mit meinem Bericht so nicht einverstanden. Er schreibt, dass er es anders gemeint habe, als ich es beschrieben habe. (Er sagt nicht, dass er es auch anders gesagt habe, als ich es geschrieben habe.) Natürlich berücksichtige ich das:

inhaltlich: mein anruf war nicht “voller misstrauen”, sondern um einen möglichen fehler zu entdecken – das können sie mir jetzt glauben oder nicht, aber misstrauen ist in meiner beziehung nicht vorhanden.

Glaube ich ihm ohne weiteres. Ich hatte seine Darstellung nur einfach anders verstanden und aufgefasst. Ich will ihm keine schlechte Partnerschaft unterstellen, sondern so berichten, wie ich es für originalgetreu hielt.

Und auch das mit dem Einschalten von Alexa meint er anders, als ich es schreibe, weil er sagt, dass erst das übertragen wird, was man nach „Alexa!” sagt, und das bestätige auch ihre Datenforensik.

An diesem Punkt aber bekräftige ich meine Kritik und bin der Meinung, dass er das immer noch zu naiv sieht und meinen Kritikpunkt verfehlt.

Denn erstens habe ich ja nicht gesagt, dass das Ding es bereits tut, sondern gefragt, wann der Minister Maas Amazon unter Druck setzen würde, das zu tun. Also eine Frage in eine potentielle Zukunft, und keine Aussage darüber, dass es jetzt so wäre. Da nützt alle Forensik nichts.

Zweitens lief meine Frage auch nicht darauf hinaus, dass das Ding ständig übertragen würde (und das, schreibt er, fände nicht statt), sondern dass das Ding Begriffe von Hate Speech oder Geräusche häuslicher Gewalt erkennen und dann übertragen würde. Auch da hilft derzeitige Forensik oder Netzwerkbetrachtung nichts, weil sich das ja dann auch erst einschaltet, wenn es lokal was erkennt. An dem Punkt bleibe ich bei meinem Eindruck, dass er das Problem nicht richtig verstanden hat. Wenn das Ding jetzt den Zuruf „Alexa!” verstehen und darauf reagieren kann, dann kann das Ding auch spätestens in ein paar Jahren einen ganzen Katalog von Schlüsselwörtern, Lustgestöhn, „Nein”, Schmerzensschreie usw. erkennen und darauf reagieren.

Der zentrale Punkt ist aber sowieso, dass ich meine Frage nicht gegen Alexa, sondern gegen Heiko Maas richtete.