Ansichten eines Informatikers

Kauder: 50.000 Euro Strafe für „Hasskommentare”

Hadmut
14.10.2016 22:24

Die CDU versucht gerade mit Gewalt, die Lufthoheit über die Meinung wieder zu erlangen.

Man könnte auch sagen, sie versuchen, Stimmen wieder zurückzubekommen. Es heißt bei MMNews, FAZ und anderswo, Volker Kauder blöke gerade herum, dass er Facebook Strafen bis zu 50.000 Euro aufbrummen will, wenn die – ja was eigentlich? – nicht innerhalb einer Woche löschen.

Da heißt es mal „Hasskommentare”, dann „rechtswidrige Inhalte”, oder „anstößige Inhalte”.

Man weiß zwar wohl selbst nicht so genau, was eigentlich, aber Facebook soll’s löschen. Ganz schnell.

Was auch insofern kritisch ist, als wir da wieder einmal eine Verlagerung staatlicher Gewalt und eigentlich auch Rechtsprechung in das Private haben. Mir konnte aus der ganzen Polit-Mischpoke noch keiner erklären, wie eigentlich der Rechtsweg aussehen soll, wenn einem zu Unrecht Inhalte gesperrt werden oder man das mal klären will. Denn für sowas müsste eigentlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein. Unklar ist auch, wer eigentlich für den Schaden haftet, wenn etwas zu Unrecht gesperrt wurde. Und wie das mit der Unschuldsvermutung zu vereinbaren wäre, dass man Leuten Straftaten unterstellt und Folgen daran knüpft, bevor sie verurteilt wurden, konnten mir Leute vom Schlage eines Maas oder Kauder auch noch nie erklären. Sie konnten bisher ja nicht mal nachvollziehbar erklären, was eigentlich gesperrt werden soll. Und was heißt schon „rechtswidrig”, wenn das Recht immer schwammiger formuliert und immer stärker Richtern zur Auslegung überlassen wird.

Von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erwarte er einen Vorschlag, wie man die Anbieter verpflichten könne, IP-Adressen mutmaßlicher Rechtsbrecher herauszugeben, sagte Kauder. „Es kann nicht sein, dass Menschen ungestraft im Schutz der Anonymität Volksverhetzung betreiben können.“ Staat und Politik hätten viel zu lange gezögert, die sozialen Netzwerke zur Einhaltung der Gesetze zu zwingen.

Ja, und wann genau ist es gegen das Gesetz? Können ja nicht mal die Gerichte halbwegs zuverlässig entscheiden, wenn man sieht, wie oft Urteile da von Berufung, Revision oder Verfassungsgericht wieder aufgehoben werden. Das verschwimmt alles in politischer Willkür. Und war es nicht mal so, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit genau vor solchen Dampfschwätzern und Willkürbolzen wie Maas oder Kauder schützen sollte?

Die IP-Adressen mutmaßlicher Rechtsbrecher herausgeben?

Wer genau ist denn da für das „Mutmaßen” zuständig, damit man dann ein Mutmaßlicher wird? Schon wieder so eine typisch politische Passiv-Formulierung, mit der man geflissentlich übergeht, wer eigentlich handeln soll. Man kann kein mutmaßlicher Straftäter sein, solange keiner da ist, der mit Staatsgewalt mutmaßt.

IP-Adressen herausgeben?

An wen denn eigentlich, wenn es kein Strafverfahren gibt?

Und selbst wenn: Dann hat er eine IP-Adresse. Und dann? Dann können dahinter hundert Leute hinter NAT stecken. Oder die dynamische Adressvergabe eines Providers. War da nicht mal sowas von Vorratsdatenspeicherung? Und Einschränkung? Hab ich das richtig in Erinnerung, dass die an Straftaten nach § 100a StPO gebunden waren?

Naja, gut, Volksverhetzung unter § 130 StGB gehört tatsächlich zu den Katalogstraftaten nach § 100a Abs. 2 Nr. 1 d StPO, würde also den Zugriff auf die Vorratsdatenspeicherung erlauben. Dazu bräuchte es dann aber doch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft und einen Beschluss, und nicht eine Eingabe eines windigen Vereins oder einer schrägen Stiftung bei einem Privatunternehmen.

Und ob ein blöder Kommentar bei Facebook wirlich schon eine „schwere Straftat” ist – das erscheint mir doch sehr fragwürdig. Und wie er ein Bußgeld gegen ein US-Unternehmen vollstrecken will, tät mich auch mal interessieren.

Und wie sieht’s mit der Gleichheit vor dem Gesetz aus? Warum gilt das beispielsweise für arabische Kommentare nicht? Sie reden zwar von „islamistischen Terrorphantasien“. Mir wäre nicht bekannt, dass andere Sprachen als Deutsch überwacht würden. Aber selbst wenn: Bisher stützt sich die deutsche Justiz bezüglich das Tatorts bei ausländischen Webservern ja immer darauf, dass ein Angebot in deutscher Sprache auch an Empfänger in Deutschland gerichtet sei. Der Tatort also hier sei. Wie ist das aber bei Texten in arabisch oder türkisch, wenn der Server im Ausland steht? Da müsste man erst mal begründen, warum da überhaupt deutsches Recht anzuwenden sein sollte. Kann man das aber nicht, dann stellt sich die Frage der Gleichheit vor dem Gesetz. Hieß es nicht mal, dass niemand wegen seiner Herkunft benachteiligt werden dürfte? Deutsche also auch nicht?

Also der Hellste ist der Kauder auch nicht. Mit dem werden wir noch Spaß haben.

Wer wählt sowas?