Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten
Ein kurzer Kommentar dazu.
Gerade kam im Fernsehen die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Der Stil ist nicht mein Ding, aber das will ich hier nicht kritisieren. Er soll die Rede ja so halten, wie es sein Stil ist, und nicht, wie ich – oder irgendwer anderes – sie halten würde, und es ist nun einmal eine Weihnachtsansprache, daran muss sich auch der Stil orientieren. Das soll halt so sein, und allein, dass es nicht meinen Geschmack trifft, ist ja noch kein Kritikpunkt oder Änderungskriterium.
Mich stört aber ein Punkt an der Rede. Ich weiß nur nicht, wie ich es genau bezeichnen soll, weil mir kein Begriff für das Gegenstück zu Opportunismus einfällt. Etwas erst dann einzuräumen, zuzugeben, wenn es gar nicht mehr anders geht, wenn man merkt, dass man sonst seine Glaubwürdigt (oder was davon noch übrig ist) verspielen würde, und nicht, weil man es persönlich für richtig hält.
Das bedeutet keineswegs, auf politische Auseinandersetzungen zu verzichten, etwa in der Flüchtlingspolitik. Es muss diese Auseinandersetzungen geben, auch darüber, ob wir zukünftig noch mehr tun müssen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Aber gerade in Zeiten terroristischer Attacken sollten wir die Gräben in unserer Gesellschaft nicht vertiefen, weder Gruppen pauschal zu Verdächtigen noch Politiker pauschal zu Schuldigen erklären. Wir sollten das Augenmaß bewahren und die Achtung vor dem politischen Gegner.
Ist das jetzt neu?
Ist das jetzt ein Ratschlag, „politische Auseinandersetzungen” doch wieder zuzulassen? Weil es erstmals nicht mehr nutzt, politische Diskussionen abzuwürgen, sondern mehr Machtverlust bringt als die Diskussion selbst?
Auch in anderen Bereichen? Oder nur bei dem, was gerade Tagesthema ist?
Wir sollen „Gräben in der Gesellschaft nicht vertiefen”?
War das nicht bisher das zentrale Grundprinzip der noch verbliebener politischer Diskussion? Frau gegen Mann, Links gegen Rechts, Gut gegen Mann?
Wir haben seit Jahren, eigentlich Jahrzehnten, einen Politikstil, der derauf beruht, jede Auseinandersetzung zu unterdrücken und die brachiale Zweiteilung der Gesellschaft, des Meinungsraumes in die eingebildet Guten und die fraglos Bösen zu bauen, fast egal, um welches Thema es geht. Feminismus, Klimaerwärmung, eigentlich völlig egal was, der Stil ist immer der Gleiche: Die Guten gegen die Bösen, strikte Zweiteilung der Gesellschaft, keinerlei Diskussion darüber. Eine Politik, die allein auf Beschimpfung, auf der Projektion eines Feindbildes beruht.
Und jetzt nach einem Anschlag mit 12 Toten, jetzt fällt ihm das plötzlich auf?
Oder ist es nur so, dass man erstmals fürchtet, dass dieser Politikstil einem nicht mehr nutzt und plötzlich negativ wirken könnte?
Bin ja mal gespannt, wer Gaucks Nachfolger werden soll. Es gehen ja Gerüchte, der zensurwillige Martin Schulz solle es werden.