Ansichten eines Informatikers

Nikon verliert wohl Land

Hadmut
1.6.2017 21:10

Ich hatte heute mal eine Panasonic DMC GH5 in der Hand.

Neulich habe ich ja schon geschrieben, dass Sony gerade Nikon im Profibereich angreift und mit seiner sehr schnellen 9er und dem spiegellosen System einiges zu bieten hat, bei dem Nikon gerade nichts zu bieten hat. Objektiv betrachtet kann Sony Nikon derzeit noch nicht das Wasser reichen, weil die Objektivauswahl von Sony einfach noch nichts ist im Vergleich zu Nikon, und der Service soll angeblich auch nicht entfernt an Nikon rankommen.

Man merkt aber, ich hatte es schon erwähnt, dass Sony Nikon da schon irgendwo gerade den Schneid abkauft. Irgendwo in den Foto-News auf Twitter habe ich heute gelesen, dass es auf dem darbenden Kameramarkt eine positive Entwicklung gäbe:

Während nämlich das Segment der Kompakt-Kameras gerade vor sich hinschrumpft, weil die immer besseren Handys denen das Geschäft wegnehmen, gäbe es nach einer Schrumpf-Periode nun erfreulicherweise wieder ein Wachstum bei Systemkameras (also solchen mit Wechselobjektiven).

Aber, so merkten sie an, der Zuwachs beruhe allein auf den Spiegellosen.

Bei den Kameras mit Vollformat- und APS-C-Sensoren hat Nikon da bisher nichts zu bieten.

Bei den kleinen hat Nikon das Nikon-1-System, ich habe ja selbst zwei davon, nämlich die AW1 (wasserdicht) und die J5. Meine Zufriedenheit hält sich aber in sehr engen Grenzen. Rein optisch sind die zwar gut, aber vom Marketing systematisch kaputtdesignt, um bei denen die Rangordnungen einzuhalten. Besonders bei Videoaufnahmen habe ich diverses zu meckern, und künstlich kastrierte Firmware-Funktionen (die großen machen nämlich einiges besser) sind ein ständiges Ärgernis. Warum kommt die AW1 nicht mit Objektiven ohne Chip klar? Warum hat die J5 bei den Video-Modi nur die NTSC-Bildraten 30 und 60, aber nicht die hier üblichen PAL-Raten 25 und 50? Wie soll man das mit den Bildraten anderer Kameras zusammenschneiden, ohne Qualität zu verlieren?

Man merkt bei Nikon immer wieder diese Arroganz, wie sie auch Nokia einst hatte: Man gibt dem Nutzer immer solche 50%-Dinger, damit er unzufrieden ist und sich beizeiten was neues kauft.

Zuvor hatte ich mich ja schon über die Nikon P7000 geärgert, die ich jahrelang hatte. Eine Taschenknipse, die Bildqualität top, aber die Kamera so schnarchlangsam, dass die Blumen verblüht sind, bis das Foto gemacht ist. Konnte ich neulich ausmustern, weil die interne Batterie leer war, man die aber nicht einzeln wechseln kann, sondern gleich ein neues Mainboard bestellen muss, wofür man dann einige hundert Euro in eine alte Kamera steckt. Künstliche Obsoleszenz.

Man merkt bei Nikon sehr deutlich, dass da verschiedene Geschäftsbereiche zugange sind: Im Profibereich liefern sie tolle Qualität, das aber zu derben Preisen, altbacken und mit teils umständlichem und fehleranfälligem Benutzerinterface. Man kann damit sehr gut fotografieren, aber alles, was da von der Reihe abweicht, wird leicht unbequem.

Nun hatte ich heute mal eine Panasonic DMC-GH5 in der Hand, das hochgelobte Video-Wunder für Micro-Four-Thirds.

Elektronischer Sucher, kein Spiegel, konsequent auf Videofähigkeiten getrimmt (deshalb z. B. nur Kontrast-, aber kein Phasenautofokus).

Der elektronische Sucher ist betörend gut. Ich hatte sowas sogar schon mal, meine Minolta DImage 7 (und 7i) war schon eine Spiegellose mit elektronischem Sucher, aber eben von 2002. Ihrer Zeit damit weit voraus, aber technisch noch nicht ausgereift und vieeeeel zu langsam. Jetzt, 15 Jahre später, ist der Sucher der GH5 einfach geil. Schnell, ohne merkliche Verzögerung, hochauflösend.

Und damit für mich von enormem Vorteil. Ich brauche nämlich inzwischen altersbedingt eine stärkere Lesebrille. Alles ab Armlänge Entfernung sehe ich auch ohne Brille gut und scharf, deshalb lieber ohne Brille, aber im Nahbereich, zum Lesen, geht’s kaum noch ohne. Und das ist das Problem mit der Nikon:

Durch den Sucher schaue ich ohne Brille. Stört nur, und ich kann ja die Dioptrien an der Kamera einstellen.

Will ich aber Bilder auf dem Display prüfen oder Menü-Einstellungen verändern, brauche ich die Brille, um das Display lesen zu können. Das nervt, stört, ist riskant für die Brille, weil ich die immer irgendwo in Bereitschaft haben muss und natürlich immer zuwenig Hände habe. Bei einer elektronischen kann ich auch die gemachten Fotos und Menüs im Sucher sehen, also ohne Brille lesen.

Außerdem sind die Zusatzanzeigen, etwa Schraffuren, wo etwas überbelichtet ist, und damit bessere Möglichkeiten der Beurteilung von Belichtungskorrekturen einfach prima.

Machen wir uns aber nichts vor: In anderer Hinsicht kann die GH5 nicht gegen die Nikon anstinken. Dass der größere Sensor eine bessere Bildqualität liefert, ist einfach Physik, und Physik ist unschlagbar. Zumal man bei Micro-Four-Thirds für gute Objektive auch gleich wieder Höllensummen hinlegt, und kleiner und leichter sind die nicht viel, billiger schon gar nicht. Die Bildqualitätsnachteile des kleinen Systems werden nicht adäquat durch andere Vorteile ausgeglichen.

Trotzdem aber kann die GH5 der Nikon etwas entgegenhalten: Man kann 4K-Videos mit hoher und 6K-Videos mit mäßiger Bildrate aufnehmen und daraus dann Bilder extrahieren. Zwar kommen die systembedingt nicht an die Bildqualität einer dicken Nikon heran, aber wenn man sie durch die Video-Technik hat, gewinnt man gegen eine Nikon, die das Bild nicht gemacht hat, weil zu langsam oder Speicher voll.

Umgekehrt macht die Nikon noch viele Bilder, wenn die GH5 schon tot ist, weil durch den hohen Stromverbrauch durch Sucher und permanenten Sensorbetrieb der Akku leer ist.

Bin mal gespannt, worauf das alles in 3-5 Jahren hinausläuft.

Aber überzeugend ist Nikon derzeit nicht gerade.