Drei Veranstaltungen und ein Offenbarungseid
Ab Mittag waren die Veranstaltungen, bei denen ich war, deutlich besser. [Nachtrag]
Fake News
Um 12:00 war ich bei der Veranstaltung „Fake News“, im Prinzip ein Gespräch zwischen Stefan Niggemeier und Jakob Augstein, nur eben ohne Jakob Augstein, der war krank. Vertreten wurde er durch Markus Grill, Chefredakteur bei Korrektiv.
Niggemeier hat da schon ziemlich gut und vernünftig vorgelegt und diese Aufteilung in „die da sind die Fake News und wir sind die Seriösen“ angegriffen. Letztlich sei das nur ein Marketingtool, um die eigenen Produkte besser hinzustellen als die der Konkurrenz.
Grill von Korrektiv sah das naturgemäß ganz anders. Aber ehrlich gesagt, kann ich mich nicht an viel erinnern, was er gesagt hat. Irgendwie hat mich da nicht viel überzeugt und ist auch nicht viel bei mir hängen geblieben.
Ich hatte dazu dann auf die Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung (die hier auch als Unterstützer auftritt – werden Journalisten also doch irgendwie vom Staat unterstützt?) neulich in Berlin berichtet, auch zu dem Bild mit Polizisten aus NRW in Hamburg, (NRW-Polizisten in Berlin gibt es) von dem ich berichtet habe, und dem Videointerview, in dem ich die bpb und die Veranstaltung deutlich kritisiert hatte und aus dem dann ein kurzes Stück so herausgeschnitten wurde, dass es aussieht, als stimmte ich ihnen zu. Er nannte das „handwerkliche Fehler“.
Bei mir entstand der Eindruck, dass Unwahrheiten und Unrichtigkeiten bei anderen als „Fake News“, bei sich selbst als „Handwerkliche Fehler“ klassifiziert werden.
Grill ging mir auf den Wecker und hinterließ bei mir den Eindruck, dass die sich weniger für Wahrheit, als vielmehr eine Masche einsetzen, sich zu finanzieren. Das ist dann halt deren Masche.
14:00 nix
Um 14:00 habe ich nichts gefunden, was mich direkt ansprach, und mir stattdessen lieber einen freien Stehtisch gesucht und über den Vormittag gebloggt, so lange ich das noch im Gedächtnis hatte.
Fakten statt Floskeln
Um 15:15 war ich in „Fakten statt Floskeln“ über hartnäckige Interviews mit Armin Wolf (ORF), Klaus Brinkbäumer (Spiegel), Ingo Zamperoni (Tagesthemen) und Friedrich Küppersbusch (Autor).
Es war zwar etwas anderes, als ich erwartet hatte, denn es ging eigentlich nicht um Fakten (ich wollte mir eigentlich mal anhören, was sie darüber zu erzählen haben), sondern um generell Interviewtechnik und -erfahrungen, aber das war gut, auch wenn ich da jetzt auch nicht so substantiell erzählen kann. Beispielsweise ging es um den Ablauf eines Interviews mit Assad, oder Kuriositäten aus den Fernsehnachrichten, bei denen man Interviewte aus dem direkt angrenzenden Nachbarstudio „zugeschaltet“ hatte, weil das Fernsehstudio für die Nachrichten fehlerhaft nicht darauf ausgelegt war, dass Interviewpartner vor Ort auftauchen. Das ZDF-Studio scheint übrigens gruselig zu sein (Stichwort: Grüne Hölle)
Zamperoni ging darauf ein, dass er schauen muss, dass er im 4-Minuten-Schema bleibt, und sich vorher immer Fragen aufschreibt, daraus dann aber aus der Liste höchstens die ersten zwei entnimmt, danach geht es frei weiter. Man berichtete über Leute, die gut angefangen und sich dann selbst kaputtgeredet haben, und darüber, dass der österreichische Jung-Minister Sebastian Kurz ein ziemliches Interview-Talent sei, eloquent und „schnell im Kopf“, der deshalb recht überlegen agiere (und kürzlich ja mal – ich kann mich so ganz dumpf entsinnen – in einer Talkshow Heiko Maas an die Wand gespielt hat).
Es ist wohl auch nicht einfach für Moderatoren, weil sie immer darauf angewiesen sind, die Sympathie des Publikums oder Zuschauers zu behalten, die aber leicht verspielt. Was macht man, wenn sich der Gegenüber themenfremd davonfaselt? Sagt man nichts, geht das Interview kaputt. Unterbricht man, verscherzt man die Publikumssympathien, weil Unterbrechen wohl ganz schlecht ankommt.
Noch so eine Aussage von Wolf, der als harter Interviewer bekannt ist, und die ich mir da notiert habe: „Wenn jemand ein 10-minütiges Interview über seine Arbeit nicht übersteht, hat er andere Problem.
War bisher die einzige Veranstaltung, an der ich nichts und niemanden zu kritisieren habe, war alles positiv, nett und unterhalsam. Mehr als das dann allerdings auch nicht.
Fake News & Hasspostings – der Offenbarungseid
Das war die für mich persönlich bisher interessanteste Veranstaltung, es ging um das Netzdurchsetzungsgesetz und die Druckmittel des Bundesjustizministeriums gegen Facebook aus dem neuen Gesetz.
Faktisch war es dann einer gegen den Rest der Welt. Für das Gesetz eingeladen war Gerd Billen, Staatssekretär im BMJV.
Weiter geladen waren Eva-Maria Kirschsieper von Facebook, Christian Mihr von Reporter-ohne-Grenzen, Lorena Jaume-Palasi von Algorithmenwatch, (Augstein wie erwähnt krank), moderiert von Sarah Tacke vom ZDF.
Nach meinem Eindruck haben sie alle Billen und das Gesetz angegriffen. Jaume-Palasi erläuterte sehr gut, dass Hass-Postings nur ein Randphänomen und letztlich bedeutungslos seien, und dass Fake News auch nicht als monokausaler Grund für die Gesellschaftsveränderung herhalten können (womit der Figur Heiko Maas eigentlich schon aller Wind aus den Segeln genommen wäre.
Mihr erklärte, dass er im Gesetz eine Gefahr sehe und dass das nicht transparent und plattformneutral sei.
Kirschsieper von Facebook und Billen vom BMJV schoben sich ständig den schwarzen Peter zu, und jeder zeigte auf den anderen, was die Verantwortung anging.
Und dann wurde das interessant.
Denn Billen hat eigentlich nichts wirklich zur Sache gesagt, sondern sich in – offensichtlicher – Verteidigiungsrhetorik versucht. Ständig hat er auf das Strafrecht abgehoben, es ginge ja nicht um Hass, Hass sei nicht strafbar, sondern nur um strafrechtlich relevante Dinge, (merkt Euch das mal, ich komme gleich drauf zurück!). Das war seine Standard-Leier, es gehe ja immer nur um Strafbares, und die Verantwortung für alles und jedes läge immer nur und allein bei Facebook.
"Wir schreiben zwar das Gesetz vor, aber Facebook hat die Verantwortung." Schräge Argumentation zum #NetzDG @Gerdbillen #nr17
— ECPMF (@ECPMF) 9. Juni 2017
Und dass das BMJV mit der Sache eigentlich gar nichts zu tun haben will. Jeder, der bei Facebook was anzeigt, „sollte“ dabei gleich auch Strafanzeige erstattet, damit die Staatsanwaltschaft da auch tätig wäre (klar, die haben ja auch so Langeweile und wissen nicht, was sie den Tag über tun sollen…).
Als Zuschauerfragen zugelassen wurden, hatte ich gleich die erste Frage. Und habe genau daran angeknüpft, dass Billen behauptete, es ginge ja nur um strafbare Inhalte. Es sei nämlich, führte ich aus, verfassungsrechtlich so, dass der Staat Folgen der Strafbarkeit einer Handlung erst mit der rechtskräftigen Verurteilung daran binden kann. (Ich kann mich so dumpf erinnern, das vor 20 oder 25 Jahren mal in einer Streitsache aus irgendeinem Verfassungsurteil herausgesucht und zutiert zu haben.) Wie es denn sein könne, dass hier die Folgen schon vor der rechtskräftigen Verurteilung einsetze, und welchen Rechtsweg der Verletzte dann hat und wer für den Schaden aufkommt.
Billen erzählte sich dann irgendwie von der Frage weg und erzählte auch irgendwas davon, dass das auch nicht immer so wäre, dass da ein Richter draufgeschaut haben muss, und blablabla, es sei doch eben strafbar. Also ob das alles rechtfertigt, wenn man sagt, es wäre strafbar.
Ich habe dann nachgefragt, wie das dann ablaufen soll, ob man dann Facebook verklagen soll und wer für den Schaden aufkäme.
Da hat er sich dann wieder so ins Nirwana zerfaselt und fing dann irgendwie mit den AGB von Facebook an…
Und ich habe ihm wieder reingegrätscht. (Eigentlich dachte ich, dass ich da mal das Wort entzogen bekäme, zumal ich inzwischen ohne Mikro durch den Saal gerufen habe, aber man hat mich gewähren lassen, obwohl ich eigentlich die Grenzen einer Zuschauerfrage überschritten hatte, aber alle guckten so, als wollten sie das jetzt auch wissen.) Und ihm vorgehalten, dass es ja nicht um die AGB von Facebook geht, die hätten ja das Gesetz ja auch nicht gemacht, sondern dass er für das Gesetz verantwortlich wäre.
Er faselt wieder, dass doch strafbar….
Ich wieder nachgehakt, was denn nun wäre, wenn es nicht strafbar ist oder kein Verfahren stattgefunden hat (keine Strafanzeige, Staatswanwaltschaft stellt ein, Richter spricht frei, was auch immmer), wie man dann wieder zu seinem Recht käme, und wer den Schaden trage.
Er wieder in irgendwelche Ausflüchte.
Ich ein Stück lauter reingedonnert, ob er meine Frage beantworten kann, ja oder nein. (Und habe mich eigentlich gewundert, dass sie mir als Zuschauer das gestattet haben, einen Podiumsgast so festzunageln.)
Er (brav, etwas eingeschüchtert): Ja…
Ich: Dann tun Sie das bitte!
Er kam wieder mit den AGB von Facebook an. Wenn man da reinschaue, dann sehe man, dass sich Facebook in den AGB vorbehalte, alles zu löschen, man deshalb mit Beitritt einverstanden sei, dass alles gelöscht wird.
Das muss man sich mal klarmachen, was für ein Wahnsinn da im Bundesjustizministerium läuft:
Die bauen da ein absolutes Schrott-Gesetz, katastrophal fehlerhaft, und die ganze Konstruktion beruht allein auf den AGB von Facebook.
Rechtsweg, Unschuldsvermutung, Richtervorbehalt, Gewaltmonopol, gibt es alles nicht, weil in den AGB von Facebook steht, dass sie ja sowieso alles löschen können.
Wie kann man denn so einen Schwachsinn zum Gesetz machen?
Und schlimmer: Wie kann man Leute, die so einen Schwachsinn produzieren, zu Justizminister und Staatssekretär machen?
Geht das ganze Gesetz nur um Facebook? Wäre unzulässig, Gesetze dürfen keine Einzelfälle regeln.
Was wäre, wenn Facebook zufällig andere AGB hätte? Oder diese ändert? Oder diese unzulässig wären?
Oder andere Firmen mit anderen AGB am Markt auftreten?
[Nachtrag: Und die Aussage Billens, dass es ja nur um strafbare Inhalte und nicht um diffusen „Hass“ ginge, ist damit natürlich auch Bullshit, denn damit hat er ja zugegeben, dass mehr als nur das „Strafbare“ gelöscht wird, dass da ganz bewusst mehr gelöscht werden soll. ]
Also sowas habe ich noch nicht erlebt, dass ein Gesetz, das massiv in Grundrechte eingreift, allein auf den AGB einer amerikanischen Firma aufgesetzt wird und nur darauf basiert.
Die geben nicht nur die Entscheidung über Strafbarkeit an Facebook ab, die geben im Prinzip die ganze Regierungstätigkeit und Gesetzgebung an Facebook ab. Nicht mehr Gesetze sollen normieren, sondern die AGB von Facebook. Schönling Minister von den Maasanzügen will damit selbst nichts zu tun haben. Soweit sind wir schon, dass hier – dank eines SPD-Ministers – die Gesetzgebung durch einen amerikanischen Konzern per AGB passiert, und auch nur noch Facebook verantwortlich ist. Rechtsweg? Gibt’s auch nicht mehr. Gibt eine Beschwerdeabteilung bei Facebook, die soll an die Stelle von Gerichten treten.
Wer hat den eigentlich zum Justizminister gemacht?
Was, wenn #Facebook löscht, was dann doch nicht strafrechtl. relevant war? Recht auf Zivilklage gg. FB? @Gerdbillen hat keine Antwort. #nr17
— Hanna Decker (@DeckerHanna) 9. Juni 2017
Später werde ich lobend auf das Nachhaken angesprochen. Sei ein Highlight gewesen.
Schade, dass das nicht auf Video aufgenommen wurde.