Der Messe überdrüssig
Ich war heute auf der IFA. Ein launischer unsachlicher Kommentar.
Eigentlich ging’s mir mit der IFA so ähnlich wie mit der CeBIT, nur mit fast 20 Jahren Verspätung: Früher war’s toll für mich, aber irgendwann stellte sich der Effekt ein, dass man das alles im Internet nicht nur besser, sondern auch früher, billiger, bequemer, vollständiger bekam, und sich der Aufwand, da hinzufahren, irgendwann nicht mehr lohnte, und auch eine Inflation der „Messe-Trophäen“ eintrat. Vor 25 oder 30 Jahren standen Leute auf der CeBIT stundenlang Schlange, weil die ersten Farbdrucker mit Nadeldruckkopf ratternd und ewig langsam primitivste Graphiken auf Endlospapier druckten und die Leute scharf auf völlig nutzlose Ausdrucke waren. Heute fahren die Leute zur IFA, zahlen Eintritt, drängen sich durch die Hallen, und stehen dann lange dafür an, um von einem Küchengerätehersteller einen Mini-Hamburger zu bekommen, dessen Fleischklops die Größe eines 2-Euro-Stückes hat. Die Farbausdrucke vor 30 Jahren waren immerhin etwas Neues. Was die Leute an einem Hamburger so besonders finden, den man auf einen Happs verschlucken kann, erschließt sich mir nicht.
Solcherlei Gedanken gehen wohl nicht nur mir durch den Kopf, ich hatte nämlich so das gefühlte Gefühl, dass da viel weniger los war als in früheren Jahren. Sonntag, normalerweise proppenvoll, diesmal nicht. An vielen Ständen auch nicht viel oder gar nichts los. Ich fragte mich gelegentlich, was die da eigentlich machen. Den Gesichtern nach zu urteilen, fragten sich manche der Aussteller das auch. Ich habe mich mal mit einem darüber unterhalten, und der meinte, gestern, am Samstag, wäre viel los gewesen, aber ansonsten könnte er meinen Eindruck bestätigen, es beträfe aber ausnahmslos alle Messen. Das bringt nichts mehr, weil das mittlerweile im Internet alles viel besser, direkter, effektiver geht – für beide Seiten. Anbieter und Kunden. Das Zeitalter der Messen ist vorbei. Auch das ein Opfer der digitalen Revolution, das Analoge der persönlichen Inaugenscheinnahme veraltet.
Ich kann nicht mal sagen, warum ich überhaupt da war. Ich hatte mir diese Woche am Tag vor der Eröffnung aus Laune heraus noch eine verbilligte Vorverkaufskarte am BVG-Fahrkartenautomat gekauft, Eigentlich hat’s mich das letzte Mal schon gelangweilt, ich bin halt einfach mal so hin ohne konkretes Ziel. Deshalb hatte ich mir auch nicht wie sonst einen Plan gemacht, was ich in welcher Halle sehen will (zumal man das Hallenschema der IFA dann auch irgendwann kennt), sondern bin einfach losgeschlendert.
Wirklich interessantes habe ich nicht gefunden, was vielleicht auch wieder daran lag, dass ich alle Neuigkeiten aus Presse und Internet schon kannte. Alles das, was mich da technisch wirklich interessiert hat, ist mir zu teuer und damit mehr oder weniger irrelevant. Das kann sehr grotesk werden. Denn „zu teuer“ fängt bei mir nicht erst bei einem Fernseher für 8.000 Euro an, und sei das Bild auch noch so toll. Bei einem Anbieter, der auch Haushaltskleingeräte hatte, konnte ich einem pflegewütigen Rudel von Vorführkosmetikerinnen in weißen Kitteln, die sich auf mich stürzen wollten, noch durch beherzte Flucht entrinnen, lief dadurch aber den Barbieren des Nachbarstandes in die Arme, die mich sogleich zu ihrer Werbebeute machten und mir aufnötigten, ihren Elektrorasierer zu testen. Also rasierte ich mir damit die Backe rauf und runter und verglich mit der anderen. Die Backe war glatt, aber der Vorgang fühlte sich an, als würde ich mir Pickel mit der elektrischen Zahnbürste massieren. Ich fragte, was das hässlich-groteske Teil denn kosten solle. Ab 300 Euro. Der Scherkopf hält bis zu 3 Jahren.
Also rechnete ich ihm vor. Ich rasiere mich seit langer Zeit zu meiner restlosen und kaum noch zu verbessernden Zufriedenheit mit Wilkinson Xtreme 3 Einwegrasierern. Weil ich zwar einen flotten, aber weichen Bartwuchs habe, hält so ein Ding bei mir mindestens einen Monat. Immer hygienisch frisch, der Dreck sammelt sich nicht, man muss sie nicht aufladen, es geht nichts kaputt, man braucht keinen Strom, kann sie bequem in den Urlaub mitnehmen, klein, leicht, muss sie nicht wieder zurücktragen, sie gehen auch nicht kaputt, wenn sie runterfallen, man bekommt keine Stromschlag und so weiter. Während er mir versicherte, dass sein Elektrorasierer einfach und mit wenig Arbeit zu reinigen wäre, muss ich den Nassrasierer gar nicht saubermachen, nur kurz abspülen, denn nach einem Monat fliegt er in den Müll. So ein Ding kostet zwischen 60 und 70 Cent. Dazu der billigste Rasierschaum vom Discounter, vielleicht nochmal 30 Cent pro Monat. Für einen Euro im Monat bekäme ich also eine unkomplizierte und zuverlässige Rasur ohne jeglichen Zusatzaufwand, die mich restlos zufriedenstellt. Die 300 Euro, die deren Rasierer kostet, Scherköpfe und Ersatzteile nicht mal eingerechnet, könnte ich mich also 300 Monate, mithin 25 Jahre, rasieren, bevor sich der Elektrorasierer überhaupt annhähernd amortisieren könnte. Falls es die getrennt zu kaufenden Verbrauchsteile bis dahin überhaupt gibt. Was nicht nur mit Sicherheit weit oberhalb der Lebensdauer des Rasierers, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit auch über meiner Lebenserwartung liegt, so alt würde ich wohl nicht werden, dass der Kauf sich für mich lohnen würde.
Das Gesicht hättet Ihr sehen sollen.
Generell war zu bemerken, dass die immer mehr Klimmzüge unternehmen, um ihren Krempel zu verkaufen und gegen pragmatische Billighersteller abzugrenzen.
Natürlich war die Messe wieder vor allem eine Leistungsschau hübscher Frauen, die man als Messehostessen ausgestellt hatte (auffällig: Je reicher und größer die Firma, desto hübscher die Miet-Frauen), weil sich das Zeug alleine kaum noch durch seine Eigenschaften durchsetzt.
Ein Druckerhersteller (ich glaube, es war Epson, ich bin mir aber nicht mehr sicher und müsste es nochmal prüfen) hadert wohl auch damit, dass die Leute anscheinend inzwischen digital und papierlos arbeiten und weniger Drucker kaufen. Denn plötzlich geht das, was bisher nicht ging. Früher waren Farbkartuschen für Tintenstrahldrucker winzig und extrem teuer, teurer als Blut oder Öl, Champagner oder Chanel No. 5, galten als eine der wertvollsten Flüssigkeiten überhaupt. Und es hieß von den Herstellern immer, günstiger geht nicht, und damit es nicht günstiger geht, wurden Kartuschen mit Chips versehen, um Fremdhersteller auszusperren. Scheint, als würden die Leute sich das nicht mehr bieten lassen. Inzwischen nämlich bauen sie Tintenstrahldrucker mit Farbtanks, in die man die Tinte einfach aus einer Flasche reinkippt. Einfach so einfüllen. Deckel auf, Flasche reinkippen, Deckel zu. Und angeblich auch viel billiger. Es sei Tinte dabei, die beim Durchschnittsverbraucher 3 Jahre hält. Ja, frage ich, Standardbriefe mit etwas Text. Nein, sagt er, Farbfotos.
Scheint, als würde es zunehmend schwieriger, den Leuten das Zeug zu verkaufen.
LG im Innovationskrampf
Geradezu pathologisch der Stand von LG.
Man kommt erst mal durch einen eindrucksvollen Tunnel aus OLED-Displays (bei dem ich dachte, dass das Zeitalter der optischen Planetariums-Projektoren auch erledigt ist und man besser die Plenatariumskuppel mit solchen gewölbten OLED-Displays tapeziert und dann einfach alles zeigen kann).
Fernseher haben sie, das ist sagenhaft. Sehr eindrucksvolle OLED-Displays, riesengroß, bestehen nur aus einer Scheibe, nicht mal 1cm dick (eher so 7mm oder so), super Bild.
Aber: Viel zu teuer. Und es gibt keine Inhalte dafür. Ich muss sagen, dass ich aus gehörigem Abstand schon den Unterschied zwischen DVD und Bluray oder zwischen DVB-T und DVB-T2 (FullHD) nicht beeindruckend und bei manchen Filmen kaum sichtbar fand, und für gewöhnlich dunkle ich mein Wohnzimmer auch nicht ab, damit der Fernseher toll aussieht. (Früher zeigte man immer FullHD neben normaler Auflösung, 4K neben FullHD und jedesmal kam mir das gemogelt vor. Bei einem anderen Anbieter habe ich heute den Vergleich zwischen Normal-Fernseher und HDR-Bildschirm gesehen, da war der Normal-Fernseher aber einfach viel dunkler eingestellt.) Ich habe den Eindruck, dass die Hersteller in das Problem gelaufen sind, dass wir inzwischen so ziemlich alles ausentwickelt haben und auch bei allen Medien an die Wahrnehmungsgrenze der Sinnesorgane gekommen sind, sie also versuchen, Dinge draufzulegen, die teuer aber nicht adäquat nützlich sind.
LG bietet jetzt Waschmaschinen mit zwei Trommeln an. Oben eine herkömmliche Waschmaschine, untendrunter in einer Schublade zum Herausziehen noch eine zweite, flache Waschmaschine, deren Trommel horizontal liegt, und die für feine Wäsche gut sein soll. Für Großfamilien sicherlich nützlich, und die Waschmaschine in der Unterschublade eine Idee für kleine Wohnungen, aber ein Brüller ist es nicht.
Ich wollte gerade raus, da fragt mich eine, ob ich an einer Befragung teilnehmen würde. *Seufz*, wenn’s sein muss. Ist keine Befragung, ich muss mich an einem Tabletcomputer durch endlose Fragen arbeiten. Immer wieder geht es darum, ob der Stand auch schön war, wo ich Zeit verbracht hätte, ob das auch alles die hohe Qualität und Innovation und den Anspruch als Marktführer symbolisiert und transportiert, Blablabla. Ich frage mich, was der ganze Symbolik-Scheiß soll. Wenn sie den Leuten mitteilen wollen, dass sie Marktführer sind, warum hängen sie dann nicht einfach ein Schild hin und schreiben drauf „Wir sind Marktführer“? Dann wüsste man wenigstens, was sie meinen und von einem wollen. Warum alles immer alles so symbolschwanger? Ich erhalte für das Ausfüllen einen hässlichen Kugelschreiber mit Gummispitze. Wenn sie Qualität und Innovation vermitteln wollen, sollten sie an ihren Kugelschreibern arbeiten.
Im Fragebogen wurde ich gefragt, ob ich die LG irgendwas (ich habe den Namen schon wieder vergessen) besucht hätte. Nein, denn ich weiß weder, wo noch was das ist. Nach Ausfüllen des Fragebogens finde ich zufällig heraus, dass es in einer Empore über mir stattfindet. Also gehe ich hin und muss mir zunächst auf einem Super-Fernseher ein Video anschauen, dessen Aussage mir nicht erkennbar ist. Sodann soll ich durch eine künstlerisch gestaltete Anordnung vieler kleiner und großer Linsen einen Luftbefeuchter betrachten und dessen überragendes Design auf mich wirken lassen. Ich der nächsten Station finde ich eine Installation vieler kleiner, bewegter Spiegel. Ein Schild erklärt, dass sie die Frische des gegenüberstehenden hochmodernen LG-Kühlschrankes vermitteln sollen, der so stinklangweilig in der Ecke steht, dass man ihn neben der Spiegelinstallation nicht zur Kenntnis genommen hätte.
In der nächsten Station finde ich ein Fläche mit regelmäßig angeordneten, imposant angeleuchteten, glasklar-durchsichtigen, kleinen, zylinderähnlichen, rotationssymmetrischen Hohlkörpern, die mit Flüssigkeit gefüllt sind. Ich stehe davor und rätsele, auf welche Innovation das hinweisen soll und worin der tiefere künstlerische Sinn stecken soll. Dahinter steht ein modern-mondän gekleideter Mann mit kühnem Blick, der aber erkennbar nichts sagen will, sondern sichtbar darauf wartet, angesprochen zu werden. Ich frage ihn also, was für eine Flüssigkeit das sei. Es sei Wasser, lässt er wissen. Ich betrachte es weiter, erkenne aber den Sinn immer noch nicht. Worauf es hindeute und was es bedeute, frage ich. Er sagt, es bedeutet nichts. Wozu es dann gut sei, will ich wissen. Es teilt präzise mit, dass sie es dazu verwendeten, es Leuten mit Durst anzubieten. Man könne es trinken. Ich möge mich anhand eines Probeexemplares davon überzeugen. Er gibt mir einen dieser Hohlkörper. Es stellt sich heraus, dass es seltsam gestaltete Wasserflaschen von Evian sind, und ich an der Bar vor einem Tablet Wasserflaschen stand und rätselte, auf welche Innovation das Kunstwerk hindeuten soll. Muss einem heute ja gesagt werden. Es ist heute nicht mehr so einfach, sich durch den Innovationszirkus zu navigieren. Anscheinend war ich nicht der Erste, der davor stand und blöd guckte.
Heiß
Blöd geguckt habe ich auch am Stand von AVM. Weil mir meine Kabel-Deutschland-Fritzbox deutlich auf den Wecker geht (kastriert und einige Macken, aber wenn man sie rügt, schieben KDG/Vodafone und AVM die Verantwortung immer auf den anderen, und ich habe schon mehr Miete dafür gezahlt, als das Ding wert ist), will ich mir die neue Kabelbox von AVM kaufen. Und staune. Sieht auf den Pressefotos immer so zierlich aus, ist aber ein ziemlich großer Kasten. Ja, gibt er zu, da wäre ich nicht der erste, das sagten sie alle. Er erklärt mir aber, warum das Ding so groß ist (und auf meine Nachfrage, warum das Ding hochkant und frei im Raum stehen muss, und nicht wie die anderen Fritzboxen flach liegen kann). Abwärme. So ein Kabelmodem muss ziemlich rechnen und arbeiten, und je nach Auslastung produziert das Ding entsprechend Abwärme. Dabei müsse man die heutige Mediennutzung berücksichtigen, Streaming würde ja Dauerbelastung bedeuten. Sie hätten das Ding mit 8k-Video gestestet und – falls ich mich jetzt richtig erinnere, ohne Gewähr – das Ding innen auf 98° gebracht. Wäre technisch kein Problem, dafür sei das Ding gebaut und ausgelegt, aber damit die Wärme auch weg kann, müsse das Ding eben aufrecht, frei und an einem belüfteten Ort und nicht im Schrank stehen. Das ist jetzt mal eine gute und wichtige Information, die in den Pressemeldungen und Zeitungsartikeln so nicht stand. Das heißt für mich, dass ich das Ding nicht dahin stellen kann, wo meine alte Fritzbox steht, denn die habe ich so aufgestellt, dass man sie nicht sieht. Es ist kein Problem, aber man muss es eben wissen, und es ist tückisch, wenn man es im Normalbetrieb nicht merkt, weil es erst bei Dauerlast auftritt.
Kameras
Was mich natürlich interessiert hat, sind Kameras. Und ich habe sehr deutlich einen Trend gesehen, den ich im Blog schon einige Male angesprochen habe: Foto stirbt, Video macht das Rennen. Alles muss heute bewegt sein (wie die Zeitungen bei Harry Potter).
360°-Kameras in rauhen Mengen. Schießen aus dem Boden wie Pilze. Große, kleine, dicke, dünne. Ein chinesischer Hersteller, von dem ich noch nie gehört habe, bietet welche mit gelbem Farbakzent am Gehäuse an. Ich erkundige mich nach Details, die Auskunft scheitert aber an unzulänglichen Englisch- und Fachkenntnissen der Dame. Sie vermittelt mir, dass die Kamera für 290 Euro bald zu haben wäre (ich habe ein paarmal rückfragen müssen um mir sicher zu sein, ob sie nineteen oder ninety sagte). Sie sagte zwar überhaupt nichts dazu, was die Kamera kann und welche technischen Eigenschaften sie hatte, wollte aber unbedingt von mir wissen, wie ich den Preis denn jetzt so finde. Ja, wie soll ich das beantworten, wenn ich nicht weiß, was die Kamera kann? Sie besteht darauf. Nun, sage ich ihr, die 360°-Kamera von Xiaomi kommt auch aus China und kostet bei Banggood nur 200 Euro. Ist zwar eine völlig bescheuerte Aussage, wenn man die Kameras nicht vergleichen kann, aber wer blöd fragt, bekommt die Antwort, die er sich verdient hat. Sie schaut geschockt und betrübt drein.
Drohnen.
Überall Drohnen.
Große Drohnen, kleine Drohnen. Sogar tauchende Drohnen.
Bisher war ja der Witz an den Quadrokoptern, dass sie durch die Ansteuerung der Motoren die bisher nötige Hubschraubermechanik mit drehbaren Rotorblättern und Taumelscheiben vermeiden. Ich habe eine flaschenförmige Drohne gesehen, die nur noch einen einzigen Doppelrotor aus zwei übereinanderliegenden Rotoren (wie bei russischen Hubschraubern) hat, und die wieder über eine Taumelscheibe gesteuert werden. Hängt wie eine Flasche in der Luft.
Woanders gab es ein Ei.
Sieht aus wie ein großes, weißes Plastikei. Ca. 30 cm hoch. Was soll’n das sein?
Eine Drohne. Ein fliegendes Ei. Die Form eines Eies hat es im zusammengeklappten Zustand. Es lassen sich aber vier Rotoren und vier Füße ausklappen und das untere Ende abschrauben, unter dem dann die Kamera liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob es etwas nutzt, wenn eine zusammengeklappte Drohne die Form eines Eies hat. Vorteilhaft ist jedenfalls, dass das Ding zusammengeklappt geschlossen und geschützt ist, und man das ganze Ding einfach in den Rucksack werfen kann, ohne dass daran etwas abbrechen kann, da steht nichts mehr ab.
Nikon hat mir fast schon leid getan. Die hockten unwürdig draußen im Freien in einem kleinen aufblasbaren Zelt (und es hat fast den ganzen Tag wie aus Kübeln geschüttet). Ein Messestand in dieser Größe wäre noch auffälliger unwürdig gewesen. Immerhin: Canon war gar nicht da. Sie meinten, das sei ja keine Fotomesse, deshalb nur so eine Präsenzmarkierung, kein richtiger Auftritt. An Neuigkeiten hatten sie aber auch nur die neue D850, die ich auch mal in der Hand hatte. Schon sehr gut, aber man muss die Nikons schon sehr genau kennen, um sie von den letzten 10 Modellen unterscheiden zu können. Sieht aus, wie Nikons seit der F5 von 1996 eben aussehen. Stellt man die alle nebeneinander, wäre es für den Laien oder auch Amateuer nur schwer auszumachen, welche neuer und welche älter sind. Die D850 fotografiert wunderbar, aber die Videofähigkeiten sind, naja, halbherzig, nicht der Schwerpunkt. Und sie ist sehr teuer. Ich glaube, Nikon wird auf einen Nischenmarkt schrumpfen. Das Zelt vor der Halle mit Symbolwert.
Sony hatte innen einen Riesen-Stand und präsentierte seine Kameraneuigkeiten an großen Tischen mit viel Publikum, große Show mit Show-Wand. Neues Produkt die neue Action-Kamera, der kleine GoPro-Killer, über den ich schon geschrieben habe, macht nen guten und profesionellen Eindruck. Die Profis werden sich darauf stürzen. Alles bei denen mit Schwerpunkt Videofähigkeiten.
Obwohl im Fotobereich Nikon klar das bessere Angebot hat, wirken die gegen Sony altbacken und abgehängt. Weil sich der Markt und das Interesse drehen und Sony sich darauf eingestellt hat, Nikon jedoch kaum. Deren Action-Kameras scheinen kaum zu gehen, ich habe die noch nie irgendwo im Einsatz gesehen. Die Nikon KeyMission 360 hat durch hohen Preis und schlechte Software die Kunden verprellt, in kaum einem Kameravergleich wird sie überhaupt noch erwähnt. Bei Saturn und Mediamarkt gab es sie zu 420, dazu eine Cashback-Aktion über 100 Euro. Mittlerweile findet man sie regulär im Internet um 370 Euro.
Auch eine Riesen-Show hatte Panasonic mit seiner GH5. Sieht aus wie ein Fotokamera, ist aber eine Videokamera, die auch fotografieren kann (wobei sich die Geister über die Fotoqualität etwas scheiden, aber über die Videoqualitäten überwiegend jubeln). Auch die haben meines Erachtens die Zeichen der Zeit erkannt und bringen da einen Brocken, der schon professionelle Videofunktionen zum noch moderatesten Preis bringt.
Wobei das mit dem Preis so eine Sache ist. Wenn man ernsthaft arbeiten will, sollte man einen externen Rekorder mit Monitor einsetzen, der auch nochmal kostet. Käsig fand ich, dass sie da Werbung machen, dass die Kamera inzwischen gut mit anamorphen Objektiven umgehen kann und haben auch einen Film gezeigt (anamorph: horizontal gestaucht, damit man mit einer 16:9-Kamera oder einem normalen Filmformat Breitwandaufnahmen im Kinoformat bis 2,4:1 aufnehmen kann, ohne oben und unten schwarze Balken zu haben). Eigentlich als Notlösung gedacht, soll man damit auch im Digitalzeitalter Kinoformataufnahmen machen. Wo man die aber herbekommt, sagen sie nicht. Eigentlich gibt es die nur für Filmproduktionen, und solche Objektive kosten gerne zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Wer sich so ein Objektiv leisten kann, hängt keine Kamera für 2000 Euro dahinter, sondern nimmt gleich eine Arri oder Red oder sowas. Irgendwie neigt man da auch zur Realitätsferne und verkauft etwas, wofür die Kamera eigentlich nicht gebaut ist. Es wäre sinnvoller gewesen, den Sensor anders zu bauen, nämlich dass er aus einem Kreis auch ein 2,4:1 ausschneiden kann.
Der Trend zu Video zeigt sich aber auch andernorts. Sigma war ja bisher als Hersteller von Fotoobjektiven unterwegs, zeigte da aber Objektive für professionelle Videokameras (solche mit Zahnkranz).
Ich glaube, zumindest im Massenmarkt geht das Foto seinem Bedeutungsende zu und wird zum Randprodukt werden. Video gewinnt.
Apropos Foto und 360°: Panono war da. Ich dachte, die wären insolvent. Sie sagten aber, das war der Amateurversuch, jetzt wären die Profis da. Und sie boten die Kamera in Kombinationen mit Taschen und Stativen an. 108 Megapixel pro Rundumaufnahme ist ein Wort. Zudem sagten sie, dass sie das mit dem Hochwerfen zwar immer noch kann, sie darin aber nicht mehr den Schwerpunkt sehen, sondern die Kamera jetzt auf ein Stativ montiert wird und fotografiert. Hochqualitativ. Videos kann sie auch weiterhin nicht. Und man stellte mir auch einen deutlichen Messerabatt in Aussicht.
Fast wäre ich schwach geworden, denn so hochauflösende 360°-Fotos sind schon was tolles. Das ist schon beeindruckend. Aber einen vierstelligen Betrag für eine Kamera auszugeben, die dann doch in einem billigen Plastikgehäuse daherkommt, das bei mir keinen wertigen Eindruck hinterlies, ist mir zu teuer. Für so einen Preis will ich dann auch ein professionelles Metallgehäuse (Magnesium oder was in der Art) haben.
Fazit
Ich habe den Eindruck, dass dieser ganze Premium- und Qualitätsmarkt gerade an Luft verliert und zusammensackt, weil der Sektor der – naja, sagen wir mal nicht billigen, sondern – preisgünstigen Produkte, besonders durch China, mittlerweile alles in zufriedenstellender Qualität liefert, und das Zeug inzwischen auch technisch ausentwickelt ist. Ich brauche keinen sprechenden Kühlschrank, keine Doppelwaschmaschine, keinen Fernseher mit 8k, es ist mir egal, ob der Fernseher einen oder fünf Zentimeter dick ist, und ich hab’s gern billig. Ich bin zwar gerne bereit, auch richtig Geld auszugeben, aber dann will ich auch richtig Grund dazu haben. Und der fehlt mir immer öfter.
Dazu kommt ein Effekt, der von Autos schon bekannt ist: Früher hatte man Marken als Statussymbole. Das ist inzwischen nicht mehr so. Made in China ist inzwischen sehr gut und reicht völlig.
Und das Prinzip Messe wird von der Digitalisierung überrollt.