Ansichten eines Informatikers

Vom neuerdings plötzlich absehbaren Ende der Blitzröhre

Hadmut
19.9.2017 23:05

Eine Entwicklung, die ich gleichzeitig für absehbar und überraschend halte.

Ich kann mich gerade nicht entscheiden, ob ich zu einer technischen Entwicklung sage, dass das klar war, dass das kommt, oder ob sie mich jetzt doch überrascht. Eigentlich will ich beides.

Ein Kumpel hat mich auf ein neues Blitzgerät hingewiesen: PHOTONICZ ONE. Eigentlich nennt man sowas eher Blitzanlage, aber für eine Anlage sieht es zu klein aus.

Es geht nicht um ein Blitzgerät, wie man es auf Kameras steckt, sondern einen Profi-Blitz, der getrennt von der Kamera betrieben wird: Mit LEDs.

Gut, bei Dauerlicht (Einstelllicht, Videoleuchten) sind die LED-Leuchten schon im Kommen und auch schon in preisgünstigen Versionen zu haben, können dann aber von der Lichtstärke und der Farbneutralität nicht mit den alten Leuchten (Halogen, Leuchtstoffröhre usw.) mithalten oder sind dann doch sehr teuer. Dafür kleiner, leichter, weniger heiß. Erwärmen das, was sie bestrahlen, nicht so sehr, und neigen weniger zum Durchknallen. Dafür haben die Chinesen das Geschäft schon übernommen, man bekommt brauchbare (naja, wenn man moderate Ansprüche hat) Leuchten für bezahlbares Geld. Braucht noch ein paar Jahre, bis es durchgereift ist. Dafür sind die Lampen weniger empfindlich und weniger gefährlich.

Nun aber kommen sie da, wo ich sie eigentlich noch lange nicht erwartet habe: Bei Blitzlampen hoher Leistung. Die behaupten, das Ding könnte mit einer Akku-Ladung Tausende von Blitzen vergleichbar einer herkömmlichen Anlage mit 2.500 Ws abgeben.

Das ist heftig. Normale, kleinere Blitzgeräte schaffen 300 Ws. 600 ist dann schon deutlich teurer, und mit 900 ist man schon im gehobenen Profi-Bereich, was mobile Blitzgeräte angeht. Wenn man drüber geht, braucht man schon mehrere Blitzköpfe (gut, man 1200 Ws gibt’s auch, aber dann zahlt man) oder festinstallierte Studioanlagen. Sowas gibt’s, beispielsweise in Studios, die Autos oder gleich ganze LKW oder Boote fotografieren. Da kracht’s dann richtig, wenn die auslösen, aber dann auch verteilt auf große Fläche.

Muss man natürlich relativieren, weil der Wirkungsgrad nicht sonderlich toll ist. Die braten die Leistung eben nicht nur in Licht raus.

Und nun behaupten diese Hersteller, dass sie Blitze äquivalent zu einem herkömmlich Blitzgerät mit 2.500 Ws raushauen. Das ist entweder hochgestapelt oder ziemlich heftig. Und das auch noch mit über 4000 Blitzen pro Akkuladung (normale Akku-Blitzanlagen schaffen 200 bis 300, dann ist Ende).

Und falls man dem Video glauben kann, ist das Licht so gut, dass man nicht mal Lichtformer braucht (woran ich aber dann doch gewisse Zweifel habe).

Die Frage wäre, was das kostet. Als mein Kumpel mir das schickte, habe ich kurz auf die Webseite gesehen und was von 14.000 $ gesehen, und dachte, naja, ist was für die ganz harten Profis, frühe Technik. Da habe ich aber falsch geguckt, das ist eine Kickstarter-Aktion und soviel Geld haben sie schon zusammen. Eine Blitzgerät soll man für um die 750$ bekommen. Und das wäre wirklich ein Brüller. Für das, was das Ding leistet, falls es denn leistet, was sie versprechen, wäre das spottbillig, denn dafür bekommt man herkömmliche Markenware – wenn überhaupt – nur im untersten Leistungsbereich, Billig-Ware im mittleren Leistungsbereich und die neuen Edel-Chinesen auch nur in der Kategorie, beispielsweise Godox Witstro AD600B mit 600Ws für 800 Euro. (Godox ist zwar ein China-Hersteller, aber qualitativ sehr gut, das Zeug ist tadellos verarbeitet und sehr wertig, wie überhaupt die Chinesen qualitativ enorm zugelegt haben.) Wohlgemerkt: 600Ws. Und weniger Blitze pro Ladung. Größer. Schwerer.

Das heißt, dass die ein neues Produkt auf den Markt bringen und schon beim Einstieg deutlich billiger als die herkömmliche Konkurrenz sind.

Übrigens hat der britische Traditionshersteller Bowens – fast alle Blitzgeräte und Leuchten verwenden heute das Bowens-Bajonett – hat neulich den Geschäftsbetrieb eingestellt, weil sie gegen die chinesische Konkurrenz nicht mehr ankamen. Das war eben genau der Punkt, dass nämlich die Chinesen lange Zeit Billig-Schrott hergestellt haben, es inzwischen aber da auch gute Qualität zum günstigen Preis gibt.

Daraus könnte jetzt natürlich ein Erdrutsch entstehen, wenn es jetzt plötzlich überragende Lampen in LED-Technik gibt. Sowas bauen die Chinesen sofort. Dann können eigentlich alle herkömmlichen bzw. Markenhersteller dicht machen.

Bleibt die Frage, ob das Ding das auch leistet, was die versprechen. Nicht alles, was auf Kickstarter angepriesen wurde, wurde dann auch ein Produkt, und nicht jeder hat seine Versprechen gehalten.

Zudem hätte ich bei so einem Produkt Bedenken bezüglich Kinderkrankheiten und fehlenden Erfahrungswerten.

Grundsätzlich würde ich ein Gerät, dass deren Versprechungen erfüllt, bei dem Preis für preisgünstig halten. Der Preis ist mir aber zu hoch, um da auf Verdacht mal zu spekulieren. Ich warte deshalb mindestens ab, bis das Ding regulär auf dem Markt ist, vielleicht auch schon Konkurrenzprodukte, und die ersten Reviews und Tests zu sehen sind. Oder ich so ein Ding mal selbst ausprobiert habe.

Aber wenn’s stimmt, und die Lichtqualität brauchbar ist (Farbspektrum), gibt es in kürzester Zeit eine Technologieumwälzung.