Noch’n Aufschrei: Spezial-App um Frauen „auszuziehen”
Wunder der mobilen Computertechnik: Da tobt die Genderfront… – Was man für Dates heute unbedingt zur Qualitätsprüfung braucht.
Irgendeiner hat eine App entwickelt, mit der man auf dem Handy geschminkte Frauen fotografieren und die Schminke wegrechnen kann, um zu sehen, wie sie ohne Schminke aussehen. Siehe hier und hier, mit schönen (naja, eigentlich unschönen) Beispielfotos. Wobei man ja, so rein wissenschaftlich, immer drei Fotos zeigen müsste, geschminkt, runtergerechnet und tatsächlich ohne, um zu sehen, wie gut sie treffen. Geschrei war die Folge.
Passt. Vor ein paar Tagen hat die ZEIT noch dafür geworben, sich nicht mehr zu schminken:
Wenn aber – mit Marx – radikal sein heißt, ein Problem bei der Wurzel zu packen, dann müssen Frauen schon auf dieser tieferen Ebene dazu ansetzen, aus dem asymmetrischen Regime des Gutaussehenmüssens auszubrechen. Sie müssen aufhören, sich zu schminken, zu schmücken und zu stylen, sich selbst permanent als Körper zu präsentieren. Sie müssen einfordern, dass berufliche Dresscodes symmetrisiert werden und auch für Frauen eine stilvolle, aber nicht körperbetonte Businesskleidung zur Verfügung steht.
Ah, Marx als Leithammel der ZEIT. Marx als Kosmetikexperte (ich bin sicher, das ist typisch kommunistisch, Kim Jong-Un ist auch der Styling-Experte seines Landes), da kann die Avon-Beraterin einpacken.
Bemerkenswert ist, dass sie fordern, „Dresscodes zu symmetrisieren”. Die strunzdumme Nuss hat noch nicht gemerkt, dass im normalen Büroalltag niemand von Frauen verlangt, in Kriegsbemalung und Lendenschurz zu kommen, Frauen ziehen sich alleine so an – und natürlich sind wie immer Männer an den eigenen Entscheidungen der Frauen schuld.
Wo kommt eigentlich die Schminkerei her? Wer zwingt Frauen dazu? Dazu noch ein anderer Artikel aus der ZEIT zum Schminken:
Wer reichlich kosmetische Artikel anwendet, setzt sich hierzulande immer noch dem Verdacht aus, mit unechten Mitteln – besonders auf die Männer – wirken zu wollen, anstatt echt und deutsch durch Natürlichkeit und „unverbildete“ Persönlichkeit zu wirken. Die schlichte deutsche Frau, die sich nicht schminkt, wie sie nicht rauchte, geistert immer noch umher.
Das geht aus einer Analyse der „Arbeitsgruppe für psychologische Marktanalysen“, Nürnberg, hervor, aus einer Repräsentativuntersuchung des Mafo-Instituts, aus Untersuchungen des Institutes für Markt-, Meinungs- und Absatzforschung, Frankfurt, und einer Grundlagenuntersuchung, die von der Nürnberger Arbeitsgruppe im Auftrage von Pond’s Kosmetik durchgeführt wurde,
Auch ohne das Studium so umfangreichen statistischen Materials kann jedermann feststellen, daß es in unseren Städten und mehr noch natürlich in ländlichen Gebieten und Kleinstädten mehr ungeschminkte und kosmetisch ungepflegte Frauen gibt, als in anderen europäischen Ländern – die östlichen ausgenommen, wo das Make-up nicht in den politischen Stil paßt. Ist es dort in der Vorstellung der Bewohner mit irgendwelchen Vorstellungen vom Individualismus verbunden, der für „kapitalistische“ Systeme typisch wäre, so hängen bei uns die immer noch vorhandenen Vorurteile gegen auffälliges „Zurechtmachen“ mit der altväterlichen Moral zusammen. Sie ist nicht ausgestorben; aber sie wird natürlich nicht entfernt so respektiert, wie es altmodische Väter und Mütter gern glauben möchten.
„Mit meiner Mutter habe ich deswegen immer Krach“, erzählte ein weiblicher Lehrling den Befragern, „von meinen Eltern aus darf ich das nicht, sie nörgeln deswegen dauernd an mir herum; Vater hat wegen dem Lippenstift tagelang nicht mit mir gesprochen.“
Der Artikel ist von 1967.