Journalismus im Zustand fortgeschrittener Verwesung
Und so riecht er auch.
Noch ist er nicht ganz tot, sondern nekrotisch. Aber es kann nicht mehr lange dauern.
Ich habe gerade einige Artikel über die Schrott- und Müllpresse geschrieben, und selbst dabei nur einen Teil dessen bearbeitet, was ich hier auf dem Tisch habe, ich könnte nochmal mindestens die doppelte Menge weiterschreiben, habe aber nicht soviel Zeit, und mir deshalb heute mal selektiv die FAZ vorgeknöpft. Pars pro toto, die anderen sind auch nicht besser. Die einzig offene Frage, die sich mir gerade noch stellt, ist, wann sie die Prozessorbugs dem weißen heterosexuellen Mann anlasten und fordern und mehr feministische, schwule und schwarze Prozessoren fordern, die nicht so patriarchalisch und kapitalistisch mit den Daten anderer Menschen umgehen.
Man sagt, auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Ausgerechnet eines der übelsten linken Müllblätter, die TAZ, hat heute dieses Korn gefunden und bringt in einem verwunderlich-seltenen Anfall von Selbstkritik (den sie allerdings auch nur einen kleinen Teil des Artikels durchhält) hervor. Muss auch eher ein Versehen gewesen sein, denn eigentlich geht es ihnen um Gejammer und Selbstmitleid: Medien im Jahr 2018 – Da kommt was auf uns zu
1. Wie durchsticht man die eigene Blase?
Martin Schulz war ein Opfer der Medien, sagen die einen. Er habe es nicht verstanden, die Medien richtig zu bedienen, sagen die anderen. Fakt ist, der Schulz-Hype, der Anfang 2017 durch viele Blätter wehte, war mediengemacht. Nachdem Sigmar Gabriel Ende Januar Martin Schulz als Nachfolger und als SPD-Kanzlerkandidat vorschlug, jubelte es von den Titelseiten: „Merkels gefährlichster Gegner“ (Focus), „Aufschlag SPD“ (Die Zeit), „Sankt Martin“ (Spiegel, der Schulz vor einem Heiligenschein zeigte). Den Jubeltexten folgten von Medien beauftragte Umfragen, in denen die Schulz-Werte stiegen und stiegen. Medienecho-Demoskopie nennen das die Statistiker.
Als die Bundestagswahl vorbei war, führte der journalistische Herdentrieb die politischen Berichterstatter nach Berlin-Mitte. „Lungerjournalismus“ beschrieb Medienkritiker Stefan Niggemeier das, was während der Sondierungen zu beobachten war: Hauptstadtjournalisten im Dauereinsatz, Berichte über die Handtasche von Claudia Roth und die Hemden von Wolfgang Kubicki und ein Festspiel der Karibik-Metaphern.
Kaum waren die Gespräche gescheitert, beeilten sich die Leitartikler, unbeirrt von dem, was sie noch bis gestern als gültig erklärt hatten, zu schreiben, warum die SPD nun dringend wieder in eine GroKo einsteigen müsse.
Und was haben wir jetzt? Weder Jamaika noch GroKo, noch einen Sankt Martin. Die Lehren aus dem Brexit und dem Wahlsieg Trumps waren ja eigentlich: Wieder raus zu den (normalen) Leuten.
Das ist ziemlich gut am springenden Punkt. (Aber dann wird es dumm, denn sie wollen die Redaktionen bunter und weiblicher, als ob das nicht bereits das gewesen wäre, was alles kaputt gemacht hat.) Der Journalismus hat sich von der Realität abgelöst und sich in eine Phantasiewelt aus gegenseitigem Hochschaukeln begeben. Für die ist die Außenwelt nicht mehr real und existent, nur noch dieser „Diskurs”, also was geschrieben wird.
Das ist die Saat des Poststrukturalismus, die Idiotie der Soziologen, Philosophen, Genderidioten: Es gibt keine Wirklichkeit, nur das Gerede zählt und macht. Im öffentlich-rechtlichen Zwangsgebührenraum funktioniert das, aber nicht im Raum der privaten Presse, denn die brauchen reales Geld aus der Realität und nicht Gerede vom Geld.
Man könnte jetzt gehässig-sarkastisch sein und hungernden Journalisten einfach sagen, „Ihr seid doch Poststrukturalisten, warum redet Ihr Euch das Essen nicht einfach herbei?” Oder: „Hunger und Geldnot sind einfach nur diskursive soziale Konstrukte, Ihr dürft einfach nicht mehr davon reden, dann verschwinden sie.” Wenn Geschlechterunterschiede verschwinden, wenn man nicht mehr davon redet, warum reden sie dann ständig davon, dass sie zuwenig Geld haben?
Überhaupt: Wie passt das eigentlich zusammen? Einerseits meinen sie, dass Geschlechterunterschiede verschwinden, wenn man all die Stereotypen, Normative, Sexismen verbietet und nie wieder erwähnt. Warum glauben sie dann, dass vermeintliche Geschlechtereinkommensunterschiede verschwinden, indem man andauernd darüber redet?
Müsste das nach ihrer eigenen Überzeugung nicht gerade kontraproduktiv sein?
Sie sagen, Frauen würden schwächer und als schwächer angesehen, wenn man sagt oder sie so zeigt, dass sie kleiner, schwächer wären, weil sie durch den Sprechakt, durch den Diskurs dazu gemacht würden. Müsste man dann nicht jeden Journalisten ersäufen, der den Gender Pay Gap oder die 21% auch nur erwähnt, weil er ihn dadurch diskursiv verfestigt?
Es ist alles so dämlich, so dumm, so widersinnig, willkürlich, absurd.
Journalisten sind obsolet.
Was haben Journalisten, Politiker und Juristen gemeinsam?
Dass sie glauben, von Berufswegen auch dann, wenn sie keine Ahnung haben, worum es geht, glauben, alles besser zu wissen.
Der Journalist als Beruf war traditionell ein Besserwisser in allen Gassen. Nicht weil er es besser wusste, sondern aufgrund technischer Erfordernisse.
Wie so oft beschrieben: Presse (ähnlich auch Wissenschaftsbetrieb) war früher nach technischen Zwängen ausgerichtet, weil es schwierig und aufwendig war, Bücher, Zeitungen, Zeitschriften herzustellen. Man brauchte viel Geld, viel Fachwissen, viel Kapital, viel Kooperation. Weil man einen Riesendruckerei und eine Vertriebsinfrastruktur brauchte, und das nur mit viel Kooperation und viel Fachwissen bezüglich der Abläufe möglich war.
Eigentlich ist der Journalist kein Besserwisser, sondern zunächst mal jemand, der für diese große Pressemaschine ausgebildet war.
Diese Maschine gibt es nicht mehr.
Wegdigitalisiert.
So ähnlich wie bei Fotografen oder Filmemachern. Früher müsste man ganz viel dazu wissen und seine Filme selbst entwickeln und abziehen können, heute kann das jedes Kind fehlerfrei mit seinem Handy. Ein gutes Foto zu machen hat heute nur noch bedingt mit klassischem Fotowissen zu tun, und die wenigsten Bilder werden heute von ausgebildeten Berufsfotografen gemacht. Und noch weniger chemisch entwickelt.
Der Journalist als Fachberuf hat ausgedient, so wie die alte Druckerpresse, bei der man die Zeitung noch aus einzelnen Buchstaben von Hand zusammensetzte.
Und darin liegt das Problem. Sie haben nichts mehr, was sie noch können. Sie halten sich für die überragenden Welterklärer, dabei stolpern sie nur noch hilfslos – aber pöbelnd – durch die Weltgeschichte.
Die Digitalisierung sorgt dafür, dass sie abgelöst, ersetzt werden von Leuten eines Faches, die sich damit auskennen, und dann spezifisch aber vertief darüber schreiben.
Journalismus als Handwerk, Journalisten als Handwerker braucht man nicht mehr.
Man braucht heute Kenntnis von dem, worüber man schreibt. Das Schreiben ist heute dann einfach. Journalismus gehört auch auf die Mülldeponie für Geisteswissenschaftler. Der Journalismus ist überflüssig geworden und er hat die Dummheit begangen, sein Publikum so zu verprellen, dass es ihn auch als Unterhalter nicht mehr durchfüttert.
Was aber viel schlimmer ist: Dieser Geschwätzjournalismus hat – siehe oben/TAZ, SPD, Schulz, Regierung – unglaublich viel Schaden angerichtet. Und deshalb sollten wir sie auch nicht durchfüttern, sondern ihnen beim Sterben zusehen um uns zu vergewissern, dass sie dann endlich tot sind.