Ein Reichsbürger
Eine Unverschämtheit.
Gerade finde ich auf meinem Anrufbeantworter eine anonyme Schimpftirade. Sowas ist sehr selten, ich könnte mich jetzt nicht an die letzte erinnern.
Ein Mensch töbert in Erregung ins Telefon, dass nach soundsovielen Urteilen und Entscheidungen die Bundesrepublik Nachfolger des Deutschen Reiches sei. Ob ich noch nie was vom Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 31.7.1973 gehört hätte. (Nebenbei: Nein, habe ich nicht.) Die Bundesrepublik sei mit dem Deutschen Reich identisch.
Und so weiter. Die BRD sei nur eine Firma.
Zwei Gigabyte an Daten hätte er auf der Festplatte, und wirft mir vor, dass ich nicht seiner Meinung sei. Woher ich wissen könnte (oder warum ich es überhaupt würde wissen wollen oder sollen), was auf seiner Festplatte liegt, zumal ich nicht mal weiß, wer er ist (und es auch nicht wissen will), sagt er nicht.
Und dann solche Aussagen:
„Und Sie wollen Diplom-Irgendwas les ich da … da muss ich ja echt lachen. Ich muss echt lachen. (Dabei lacht er nicht mal.) … Herr Danisch! Sie wollen Diplom-Irgendwas sein? … Da lach ich mich echt kaputt! Da kann ich mich nur kaputtlachen! … Sie müssen das doch wissen! … Mein Gott, ey! … Sie sollten Ihr Diplom-Dings zusammenknüllen und in den Mülleimer schmeißen!
Mal davon abgesehen, dass ich nicht erkennen kann, was das mit einem Informatik-Diplom zu tun haben soll (mit meiner vom BND abgesägten Promotion würde ich mich ja vielleicht noch auf die Möglichkeit eines Zusammenhangs einlassen, aber der würde genau ins Gegenteil deuten, nämlich dass wir nicht souverän und eine amerikanische Kolonie und nicht etwa das Deutsche Reich sind), und dass ich diese Art des Auftretens und der anonymen Schimpftirade für eine enorme Unverschämtheit (und das einzige, was hier im Mülleimer landet) halte, verstehe ich auch nicht, was ich damit zu tun hätte und wie ich mir diese Beschimpfung eingehandelt hätte.
Der Anrufer begründet das nur kurz damit, dass er wegen dieses Blog-Artikels anruft. Inwiefern mich das zum Adressaten und Passivlegitimierten für derlei Anwürfe und Beschimpfungen macht, erschließt sich mir nicht.
Ob er recht hat oder nicht, erschließt sich mir auch nicht, ich weiß ja nicht, was auf seiner Platte liegt. Hellsehen kann ich nicht, und selbst wenn ich es könnte, würde ich nach so einem Anruf auch nicht hingucken. Mich stört vor allem die Form des Auftretens.
Und ich habe überhaupt nicht vor, mir von anderen vorschreiben zu lassen, was ich in meinem Blog schreibe. Dieses Blog dient meiner Meinung. Vielleicht ist meine Meinung doof, verfehlt, falsch, widerlegt, veraltet, naiv, absurd, lächerlich, und so weiter. Mag sein. Der Wert liegt für mich darin, dass es meine Meinung ist und ich hier von meinem Recht der Meinungsfreiheit Gebrauch mache, jedenfalls solange man es noch kann und darf.
Grundsätzlich ist dieser Vorgang einer aus der Kategorie derer, derentwegen ich damals die Kommentarfunktion im Blog abgeschaltet habe. Deshalb möchte ich auch meinen Standpunkt von damals wiederholen.
Ich bin hier nicht der Meinungsfreiheitsdienstleister anderer Leute. Man kann der Meinung sein, dass Facebook und Twitter das sind, ich bin es aber nicht. Meinungsfreiheit heißt nicht, dass man andere Privatleute und Kleinunternehmer zwingen kann, die Meinung anderer auf eigene Verantwortung zu publizieren. Facebook und Twitter sind marktbeherrschend und Monopolisten, und schließen mit den Nutzern Verträge ab, weshalb man das dort annehmen kann, aber ich bin – trotz einer nicht geringen Reichweite, wie ich in aller Bescheidenheit anmerken darf – schon deshalb nicht marktbeherrschend, weil ich am Markt für Meinungspublikationen ja gar nicht erst auftrete. Ich biete diese Dienstleistung nicht an.
Deshalb muss es dabei bleiben, was ich früher in Kommentardiskussionen so häufig schrieb: Mein Blog, meine Meinung – Dein Blog, Deine Meinung.
Ich will niemandem das Recht nehmen, diesen Standpunkt zu vertreten. Nicht mal, wenn sie falsch ist, denn – Journalisten kapieren das schon mal nicht – Meinungsfreiheit umfasst auch das Vertreten einer unrichtigen Meinung, sofern sie nicht gegen höherwertige Rechte verstößt. Selbst Lügen ist nicht per se verboten.
Aber dann muss man diese Meinung schon selbst vertreten, und kann nicht andere durch Beschimpfung nötigen, sich als Strohmann vor den Karren spannen zu lassen.
Und ehrlich gesagt: Es interessiert mich auch nicht sehr. Erstens habe ich hier noch ungefähr einen dreifachen Lebensvorrat an Themen, die mir da derzeit wichtiger erscheinen. Und zweitens fehlt mir an der Diskussion vor allem die Relevanz: Nehmen wir mal an, es wäre so. Was wäre dann anders? Nehmen wir mal an, wir wären rechtlich noch das Deutsche Reich und die BRD nur eine Firma. Was würde daraus folgen? Ein andere Name, Pässe in anderer Farbe. Und sonst? Wäre hier irgendetwas anders, wenn Angela Merkel nicht Bundeskanzlerin, sondern Reichskanzlerin hieße? Ich sehe nicht, was sich ändern würde, wenn wir nicht die Bundesrepublik, sondern das „Deutsche Reich” wären. Dieselben Wähler hätten dieselben Spinner zu Politikern gewählt, die dieselben Gesetze gemacht hätten. Ich verstehe nicht, was der Streit bringen soll. Es ist ja nicht so, dass wir in einem „Deutschen Reich” alle frei und sorgenfrei leben würden.
Aber wie gesagt: Vertretet Euren Standpunkt selbst. Legt dar, was Ihr an Informationen habt. Und was das eigentlich soll, worauf das hinauslaufen soll.
Aber ich verbitte mir
- Derartige Anrufe und Beschimpfungen
- Derartige Einmischungen in mein Blog und meine Meinungsfreiheit
- Schon die grundsätzliche Beleidigung, die in der Unterstellung steckt, ich wäre so blöd, mich durch solche Anrufe inhaltlich beeinflussen zu lassen.