Von Beruf Fotografin
Vielleicht stellvertretend für die ganze Medienbranche.
Über das Weh und Ach der Fotografie als Kunst und Beruf habe ich schon so viel geschrieben.
Fotografieren war mal etwas, wofür man sehr viel wissen und machen, das man über lange Zeit erlernen musste. Die Anfertigung eines Bildes mitsamt Abzug war mal ein umfangreicher Vorgang – ich habe selbst noch Abzüge gemacht und Bilder vergrößert, sowohl als jugendlicher im heimischen Bad nach dem Cibachrome-Verfahren, als auch später im K1-Fotolabor des HaDiKo in Schwarzweiß. (Es gab damals zwei Fotolabors, ein verdrecktes, verrümpeltes, mit alten Chemikalien vollgestelltes und nur Schwarz-Weiß-Fähiges im K1, in das wirklich niemand mehr wollte, und ein schönes, neues, großes, aufgeräumtes, farbfähiges im K3 oder K4. Ich habe das im K1 mal aufgeräumt, saubergemacht, die Chemikalien zum Sondermüll gefahren, und hatte das Fotolabor dann ganz für mich alleine, während sich alle anderen im schönen großen Farblabor auf die Füße traten.) Ehrlich gesagt, hat mir das Gepansche (und der Gestank der Finger nach Entwickler hinterher) nicht gefallen, ich wollte das halt einfach mal grundsätzlich können und gelernt haben, aber von den Farbvergrößerungen habe ich dann immer die Finger gelassen, weil das einfach zu aufwändig war und im Vergleich zu Fachlabors auch nicht der Brüller.
In einem Mediamarkt hatte ich mich mal nach einer Kamera umgesehen und war verblüfft, als da ein Verkäufer nicht nur Beratung leisten wollte, sondern sogar außergewöhnlich und auf professionellem Niveau fachkompetent war. Als ich ihm sagte, dass mir gerade auffällt, dass er nun wirklich auffällig viel Ahnung hat und man das bei Verkäufern so nicht findet, sagte er, dass er kein Verkäufer sei, sondern ausgebildeter Fotograf, das aber zum Leben nicht mehr reiche und er deshalb 3 Tage pro Woche bei Mediamarkt Kameras verkaufe und sich enorm freue, mal ein Fachgespräch zu führen und nicht immer nur den dämlichen Laienscheiß zu erzählen.
Ich war mal kurz in einem Fotografenverband und auf deren Stammtisch, nur um mir dort stundenlang deren Gejammer anzuhören, wie schlecht es doch steht und dass niemand mehr für ihre Bilder bezahlen will.
Ich habe Leute auf Reisen getroffen, die sagen, dass sie sich nicht mehr mit einer Kamera belasten, Handy reicht, weil man inzwischen von allen bereisbaren Orten der Welt aus dem Internet viel schönere Bilder runterladen könnte, als sie sie machen könnten.
Ich habe oft, so oft, gestaunt, was fotografische Laien, kleine doofe Mädchen, dank der Filter und Software auf Handys mit ein paar Fingerbewegungen für tolle Bilder hinkriegen – naja, zumindest aus einiger Entfernung auf kleinen Bildschirm betrachtet. Fotografieren heißt heute, die tollen Apps zu kennen, die tolle Bilder machen.
Ich habe mich neulich geärgert, weil ich im Internet für 5 Euro ein e-Book gekauft habe, in dem stehen sollte, wie man 360°-Panoramavideos in einer gewissen Weise zusammenstitcht. Und alles, was der „Fachmann” dazu sagen konnte, war, dass man ein iPhone und diese und jene App bräuchte.
Gleichzeitig höre ich Gejammer von Pressefotografen, die zu Zeiten chemischen Films einfach Fotos gemacht und die belichteten Filmrollen beim Verlag eingeworfen haben, der dann den Rest damit machte. Heute müssten sie die ganze Nachbearbeitung machen und perfekte, nachbearbeitete Digitalbilder abliefern, bekämen aber nicht mehr Geld dafür.
Ich habe mal angefangen mit Kameras, an denen man die Entfernung, die Blende und die Belichtungszeit einstellte, je nach Objektiv die Brennweite, vielleicht noch einen Filter vorne drauf, sich über die Wahl des Filmes Gedanken machen musste, und dann hielt man die Kamera irgendwo hin und drückte auf den Knopf. Fertig. Das war’s. Ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder gruseln soll, wenn ich sehe, was die Kameras und Handys, die ich heute habe, alles an Motivprogrammen und Nachbearbeitungstricks mitbringen.
Kurz: Eine Branche wurde durchdigitalisiert und Fachwissen in Software verlagert, die jeder benutzen kann.
Die ZEIT schreibt nämlich gerade über das Klagelied einer Fotografin. Die wie Dreck behandelt und mit Almosen bezahlt wird.
Ich liebe die Natur und malte mir aus, auf Reportagereisen exotische Tieren zu jagen. Stattdessen erwies sich die Fotografie als noch monotoner als die Bürojobs, mit denen ich nie enden wollte.
Und
Die Kunden behandelten mich als Fußabtreter. Jeder Respekt für meinen Beruf ist verloren gegangen, seitdem alle mit einer Handykamera ausgerüstet sind. Einen Instagram-Filter über das Bild geklatscht und schon nennen viele es Fotografie. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Vater bei einem Familien-Shooting: Zurzeit ist es üblich, bei den Bildern manchmal Körperteile anzuschneiden. Als der Vater die Bilder aussuchen sollte, schrie er mich an, wie ich mich denn Fotografin nennen kann, wenn ich es “nicht mal schaffe die Gliedmaßen alle aufs Bild zu bekommen”. Er sagte: “Ich habe mal einen Fotokurs gemacht, ich kenne mich aus.” […]
Der Markt ist überschwemmt mit Amateurfotografen, die sich eine Facebook-Seite und eine Spiegelreflexkamera zulegen und dann für ein paar Euros Bilder machen. Sonst hätte ich mich vielleicht selbstständig gemacht, aber gegen diese billige Konkurrenz anzukommen, ist schwer. Ich hatte Glück, überhaupt einen festen Job zu haben.
So sieht’s aus.
Angebot und Nachfrage. Digitale Revolution.
Verlust jeden Niveaus.
Aber vielleicht ist das ja nicht nur bei Fotografen so. Vielleicht betrifft das ja die ganze Medienbranche.