Was Du nicht willst, das man Dir tu…
An die Leser unter 40.
Merkt Ihr denn wirklich gar nichts mehr?
Normalerweise bekomme ich praktisch nur positives Feedback. Beschimpfungen und sowas sind hier äußerst selten.
Nun hatte ich aber mal drei Artikel zum Generationenkonflikt, nämlich Antworten auf das Video von Lauer und den Text von Lobo, und schon kam eine Reihe von Beschwerden rein. Leute beschweren sich in unterschiedlichem Tonfall, mal sachlich, mal konstruktiv, mal auch ziemlich unverschämt (ich opfere für diese Blog schon praktisch meine gesamte Freizeit und mitunter meine Gesundheit, um das Blog kostenlos anzubieten, und ausgerechnet solche, die sich darüber aufregen, als Millennial eingestuft zu werden, erwarten, dass ich noch mehr, noch mehr, noch mehr, arbeite, natürlich gratis, und merken selbst gar nicht, wie sehr sie damit genau das Klischee, über das sie sich so aufregen, bestätigen).
Kurioserweise beschwert man sich darüber, wie ich schreibe, und erwartet, dass ich besser schreibe (und diese „Das kannst Du besser”- oder „Das hast Du schon besser gemacht”-Rhetorik kann ich gar nicht leiden), aber es sind alles Erwartungshaltungen, alles nur Beschwerden, dass das kostenlos gelieferte Futter nicht gut genug ist.
Wisst Ihr, was mir imponiert hätte?
Wenn diese Generation der unter 40-Jährigen, die nicht als „Millennials” pauschalisiert werden will, geschrieben hätte „Hör mal Alter, Du bist doch von gestern, das können wir besser, wir schreiben jetzt selbst und zeigen Dir mal, wie das geht”. Das wäre was gewesen und dann hätte man schauen können, was besser ist.
Es kommt aber nichts davon.
Stattdessen kommt „Du erfüllst unsere Qualitätserwartungen nicht (mehr), gib Dir mehr Mühe und arbeite mehr, damit Du uns auch weiterhin kostenlos beliefern kannst”.
Und beschweren sich dann, in meinem Millennials-Rant in einen Topf pauschalisiert zu werden.
Liege ich damit dann so falsch? Ich war versucht, manchem zu schreiben, dass ich nicht seine Mutti bin. Einem habe ich tatsächlich geraten, mein Blog halt nicht mehr zu lesen, wenn es ihm nicht mehr gefällt.
Einer wirft mir vor, ich würde nicht mehr recherchieren, nicht mehr auf Veranstaltungen gehen und berichten. Kotzt mich gerade besonders an, weil ich – obwohl gerade schon deftig krank – gerade von einer zurückgekommen bin und dann so eine Mail vorfinde.
Gemeinsam ist allen Beschwerdezuschriften, dass die Leute nicht aufgrund ihres Geburtsdatums als „Millennials” zusammenpauschalisiert werden wollen. Besonders die Ossis regen sich darüber auf, vor allem über 1980 als Pauschalgrenze, für Ossis sei 1990 die Grenze. Als ob das dann nicht pauschal wäre.
Dass das alles gar nicht von mir kam, sondern ich das nur aufgegriffen habe, weil ich es kommentiert habe, und die sich mit ihren Beschwerden an die Lauers und Lobos und vor allem die Drahtzieher in den USA wenden müssten, verstehen sie schon nicht mehr.
Ich müsse differenzieren, heißt es. Differenzieren heißt heute, gar keine Aussage mehr zu treffen, an der sich irgendwer stören könnte. Alles in „ja aber auch” zu ersäufen. Während gleichzeitig andere maulen, dass das alles schon TL;DR wäre.
Kurioserweise hinterlässt das alles bei mir den Eindruck, dass ich zumindest bei denen, die sich darüber beschweren, mit der Pauschalkeule fälschlich getroffen worden zu sein, ganz unpauschal genau die richtigen getroffen habe. Was für Schneeflöckchen sind da unterwegs, wenn die sich schon einem Artikel in einem Privatblog, der was über die „nach 1980 geborenen” sagt, so tief verletzt fühlen, dass sie solche Mails schreiben? Ist nicht genau das der Beweis, dass mit diesen überempfindlichen Leuten kein Blumentopf zu gewinnen ist? Und ich mit dem Rant letztlich recht habe?
Ich will aber auf etwas anderes hinaus, deshalb auch die Überschrift.
Wir leben in einem Zeitabschnitt, in einer Zeitgeistwolke, in der es als völlig normal angesehen wird, Leute aufgrund äußerster Eigenschaften als böse und schlecht zu pauschalisieren.
- Leute wie ich: „Alte, weiße, heterosexuelle Männer”.
Sind an allem schuld, das ultimativ Böse, muss man aussperren, wo man kann. Und wenn man fragt, dann heißt es sogar, dass es ausnahmslos alle beträfe, man also gar nicht mehr die Chance hat, sich da positiv zu qualifizieren, Hautfarbe, Alter, reicht.
- Heterosexualität: Böse. Wird als „heteronormativ” oder „cis-gender” oder sowas diffamiert.
- Nazi: Alles, was nicht sofort und gehorsamst jede gewünschte vorgegebene Meinung als die einzig wahre frisst, ist Nazi. Rechtsradikal. Sowas.
- Frauen: Unterbezahlte omnipotente Opfer, sonst nichts.
Hat man alles jahrelang mitgespielt. Aktiv oder zumindest passiv-profitierend.
Ich könnte mich nicht erinnern, dass irgendwer schon mal Medien oder Politik angeschrieben hätte, sie sollten mal aufhören, Leute wie mich als „alte weiße Männer” zu beschimpfen. Bisher galt das immer als chic und geistig überlegen, alles und jeden zu pauschalisieren, oder besser gesagt zu diagnostizieren. Findet man auch in den öffentlich-rechtlichen Medien völlig normal.
Aber wehe, ein privater Blogger wie ich schreibt mal von den „Millennials”. Dann sind sie reihenweise beleidigt und zutiefst getroffen, wie kann man nur.
Dass ich aber als weißer, heterosexueller Mann über 50 seit Jahren diesem Pauschalisierungssturm ausgesetzt bin und man sich daran nicht stört, sondern das längst für normal hält, merkt man nicht. Dagegen tritt keiner ein. Da heißt es dann, meine Generation würde die Jungen „verarschen”, sie „beneiden” und so. Hat eigentlich irgendwer von denen, die sich jetzt bei mir beschweren, mal dem Lauer oder dem Lobo geschrieben?
Und deshalb gilt: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu.
Wenn Ihr nicht die Millennials sein wollt, müsst Ihr erst mal aufhören (und damit meine ich nicht: schweigend weggucken, sondern aufhören es zu dulden), diesen pauschalen Zeitgeist überhaupt passieren zu lassen.