Ein Jahr Gefängnis – ohne Anklage, aber mit Tagesthemen
Die Tagesthemen machen groß mit dem Thema Deniz Yücel auf.
Riesen-Nummer in den Tagesthemen der ARD zu Deniz Yücel, als wäre das ein Thema der ganzen Bundesrepublik, wie die Türkei mit einem türkischen Journalisten umgeht, denn Yücel hat die türkische Staatsangehörigkeit. Ich glaub, das geht jetzt schon über 15 Minuten. Und vor dem Thema SPD.
Ich weiß von einem – allerdings auch schon über 20 Jahre zurückliegenden – Fall, in dem jemand in Deutschland weit über ein Jahr ohne Anklage in Untersuchungshaft war. Hat die Presse nie interessiert. Neulich schrieb mir jemand dazu, das hätte sich nicht wesentlich geändert und käme auch in Deutschland immer noch vor.
Die Tagesthemen halten der Türkei im Interview zwischen Pinar Atalay und einem türkischen Politiker vor, dass die Türkei kein Rechtsstaat sei, wenn dies im Fall Yücel, also nur in einem einzigen – es gibt sicher noch mehr Fälle, aber hier haben sie nur einen einzigen benannt und angeführt, das reichte ihnen zur Begründung – Fall vorkäme. Wenn das aber ein hinreichendes Argument ist, um einem Staat die Rechtsstaatlichkeit abzusprechen, warum sprechen die Tagesthemen dann nicht auch Deutschland die Rechtssstaatlichkeit ab? Oder haben das vor 20 Jahren schon getan? Das ist doch derb verlogen.
Es gibt einige Länder der Welt, in der man locker mal ein Jahr ohne Anklage im Gefängnis sitzen kann. Stört die Medien auch nicht.
Was wäre, wenn Yücel nicht Journalist, sondern – sagen wir mal – Mitarbeiter von Trump, ein Vergewaltiger, Organisator von Pegida-Demonstrationen wäre oder einer Journalistin ein Kompliment für ihre Oberweite gemacht hätte.
Wetten, dass die Tagesthemen das dann mit keinem Wort erwähnt oder sogar gelobt hätten?
Es geht wieder mal darum, wer im Knast sitzt, es geht wieder mal darum, völlig unterschiedliche Maßstäbe anzulegen.
Die Botschaft ist: Für Journalisten und Günstlinge der Political Correctness machen wir alles, andere Leute interessieren uns nicht.
Und ich halte das auch für Korruption. Ich haben den Auftritt von Journalisten, darunter eben auch von Ingo Zamperoni, zum Thema Yücel bei der Netzwerk Recherche-Konferenz erlebt. Und ich hatte den starken Eindruck, dass die da ihre Privatfete draus machen, aber eben öffentlich-rechtliches Fernsehen und die Tagesthemen für ihre persönlichen Zwecke missbrauchen. Denn ich glaube, dass die da ein persönliches Ding draus machen, ein öffentliches Interesse in Deutschland kann ich da nicht erkennen. Sie konnten auch keines nennen.
Der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil fällt unter eine allgemein anerkannte Definition von Korruption.
Und wieder widert mich die verlogene Selektivität der öffentlich-rechtlichen Medien an, weil sie manchmal, wenn der Betroffene und der zu Beschimpende ihnen passen, eine Riesen-Show daraus machen und in anderen Fällen einfach gar nichts bringen.
Wie schon geschrieben: Die Verlogenheit der Medien, und besonders der Nachrichtensendungen von ARD und ZDF, liegt nicht primär in erlogenen Darstellungen, sondern in der sachwidrigen Selektivität und Gewichtigung, die im Ergebnis zur Lüge führt.