Ansichten eines Informatikers

Aggressionsalgebra

Hadmut
29.3.2018 21:18

Es ist nicht ganz leicht, den Überblick zu behalten, wer da jetzt gegen wen und warum.

Brandanschläge fallen für gewöhnlich – jedenfalls aus Blick des Mainstreams – in gewisse Muster.

  • Anschläge von links gegen Autos, Energie und Kapital sind gängig.
  • Anschläge von rechts gegen Moscheen und Synagogen quasi ein Klassiker.
  • Anschläge von Muslimen gegen Synagogen werden an und ab auch gerne mal genommen.

Und so weiter. Im Prinzip kann man die drei Terrorismusgruppen rechts, links und islamistisch mit allen ihren Feindbildern plus jeweils allgemeiner Gesellschaft einmal durchkonjugieren, und dann hat man’s.

Eigentlich wundert’s ich in unseren Zeiten, dass es nicht längst Bauvorschriften für gefährdete Gebäude wie Gotteshäuser gibt, dass an denen nichts brennbares mehr ist, dass man die eben nur noch aus Beton, Stein, Glas, Keramik baut. Stellt Dir vor, Du zündest eine [ Moschee, Synagoge, Kirche ] an, und sie brennt einfach nicht. Es passiert einfach nichts. Einmal feucht durchwischen und alles ist wieder wie vorher. Ist das eigentlich Teil der Architektenausbildung? Wenn nein, dann sollte es das sein.

Kurios wird die Sache dann, wenn die Polizei nach einem Brandanschlag auf eine Moschee vier Syrer festgenommen werden.

Bruderkriege?

Ich hatte schon davon erzählt, dass es in Abu Dhabi eine riesige Moschee gibt, eine der größten der Welt (im Hotel hieß es, es sei die größte, in der Moschee selbst wollten sie aber nur die mit dem größten Teppich aus einem Stück sein), die unter starker Bewachung der Polizei steht, schwer bewaffnet, hohe Sicherheitsmaßnahmen, und die Polizei erklärte mir dazu, dass die größte Gefahr tatsächlich von Muslimen ausginge. Ich hatte es zuletzt in einem Artikel unter dem Titel Höchste Brandgefahr erwähnt. Wie sich das manchmal so findet…

Es erinnert mich auch an die Messerstechereien und Privatkriege, die in dem Studentenwohnheim, in dem ich als Student gewohnt habe, stattfanden, allerdings einiges vor meiner Zeit. Anhänger und Gegner des ehemaligen Schahs von Persien hätten sich da bekriegt und keine Rücksicht auf Kollateralschäden und Zivilbevölkerung genommen.

Zumindest das platte Schema der Presse, dass Anschläge auf Synagogen und Moscheen nur von Rechten kommen könnten und keiner weiteren Untersuchung bedürften, scheint nicht mehr haltbar zu sein.

Neulich gab’s ja schon einen Brandanschlag auf eine Moschee in Berlin, bei der sie auch alle erst schrieen, dass die Rechten wieder Nazispiele abhalten würden, und urplötzlich war Ruhe, als sich zeigte, dass das wohl von Kurden als Reaktion auf die türkischen Aktivitäten in Nordsyrien verübt wurde. Man hat dann aber nicht in eine andere Richtung geschrien, sondern urplötzlich war völlige Ruhe, wurde das nicht mehr erwähnt.

Das nimmt bisweilen absurd-groteske Züge an. Googelt man nach Brandanschlägen in Berlin, findet man türkische Zeitungen (in den Berliner Zeitungen habe ich dazu nichts gesehen), hier und hier, die über einen Brand in einem türkischen Möbelhaus berichten und sagen, die Polizei können Brandstiftung „nicht ausschließen”. Das passt in der aufgeheizten Situation und bei Propaganda natürlich wunderbar, insinuiert kurdische Missetaten.

Es passt dagegen gar nicht, dass es dazu ein Bekennerschreiben von Linksextremen gibt:

Wir, das „Rachekommando Barbara Kistler“, sind in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, den 28.03., los gezogen faschistische Strukturen anzugreifen und unsere Verbundenheit mit den Kämpfenden in den kurdischen Gebieten auszudrücken.

Es ist tatsächlich sehr schwer und letztlich nutzlos, zwischen linken und rechten Anschlägen zu unterscheiden. Noch vor gar nicht allzulanger Zeit galt es als sicher, dass Rechtsextreme wie der „NSU” ein Monopol auf Anschläge gegen Türken haben. Wenn sich Linke aber nun ähnlich gebärden oder das zumindest behaupten – wo ist dann noch der Unterschied zwischen Linken und Rechten? Womit wir wieder beim Thema der Bruderkriege und der engen Verwandtschaft sind.

Und wer zur Hölle ist „Barbara Kistler”?

Leut Wikipedia nur in schlechtem Englisch eine Schweizer Kommunistin, die der Meinung war, sie müsste sich in der Türkei den Marxisten-Leninisten und dem Bewaffneten Krieg der Arbeiter und Bauern zur Befreiiung von irgendwas anschließen, wobei sie irgendwie getötet wurde. Hört sich so nach RAF für Arme an. Eine bewaffnete Terroristin, die sich darüber beklagt, getötet worden zu sein, und nicht mal sagen kann, wie. Kalaschnikow beim Reinigen losgegangen?

Mein erster Gedanke beim Lesen war ja, die gibt’s gar nicht. Das hat sich irgendwer als Legende oder Ulk ausgedacht. Zumal es eine andere Frau dieses Namens gibt, die als Feministin ausgezeichnet wurde, aber wohl trotzdem nichts mit Terrorismus zu tun hat.

Was dann aber die Frage aufwirft: Waren das wirklich die Linken oder hat da nur jemand ein Phantasiebekenntnis abgelassen um von einem kurdischen oder intramuslimischen Anschlag abzulenken und die Ermittlungen auf falsche Fährten zu leiten? Egal. Die Presse berichtet entweder gar nicht oder schreit, es wären rechtsradikale gewesen.

Es ist nicht mehr leicht, zu wissen, in welche Richtung man zeigen soll.