Ansichten eines Informatikers

Denken sie an die Umwelt, bevor Sie diese Mail ausdrucken…

Hadmut
7.4.2018 11:31

Liest man ständig in irgendwelchen Business-Mails.

Im Prinzip haben wir im Büro denselben Paradigmenwechsel wie auf der Straße: Alt, analog, mit Geräusch und Staub verbunden ist bäh und sowas von letztes Jahrzehnt, elektrisch ist die neue Avantgarde.

Texte druckt man nicht mehr, man verspottet Leute als „Internetausdrucker”, Laserdrucker mit ihrer Feinstaub- und Ozonbelastung gelten als Mordgerät, Papier wird gespart um Bäume zu retten, und Tablets und Smartphones sind sowas von in.

Und Geld, wer benutzt noch herkömmliches Geld? Wolkengeld ist der Trend.

Einen ähnlichen Effekt auf der Straße: Der Diesel, quasi der fahrende Laserdrucker unter den Autos, muss weg, stattdessen muss alles durch fahrende Smartphones, Elektroautos, ersetzt werden. Das iPhone als Lebensgefühl. Alles muss in eine rückstandslose Wischgestenromantik eingefügt werden. Ein Wunder, dass eAutos überhaupt noch physisch existieren sollen. Nachdem jetzt alles in der Cloud geht, sollte man auch ja wohl auch die Autos in der Cloud betreiben können. Wäre eigentlich ein flotter April-Scherz gewesen. Es hat mal jemand WLAN-Wasserhähne angeboten, die leitungslos funktionieren. Den Router direkt auf den Anschlussstutzen im Bad schrauben und dann hat man mit einem komplett unverkabelten Wasserhahn, in dem hinten nur eine WLAN-Antenne steckte, überall in der Wohnung Wasser. Verblüffend viele Leute wollten das Ding sofort kaufen. Nicht viel anders der Scherz, in dem ein Weinhändler einen USB-Stick mit einem Ausschank-Röhrchen anbot, mit dem man alle seine Weine (24/7) direkt und sofort aus dem Internet downloaden konnte. Das wollten auch ganz viele kaufen.

Wir leben im Zeitalter der Digitalbekloppten. Wenn’s per USB aufzuladen ist, es eine Fernsteuerapp auf dem Handy gibt und es keinen Staub macht, aber aus der Wolke kommt, dann ist es toll, dann ist es Zeitgeist, dann ist es genau der Stil der Generation. Vermutlich werden wir den kulturellen Schaden nie abschätzen können, der durch Einführung einheitlicher Ladegeräte entstanden ist. Es war technisch viel lästiger, aber kulturell viel entspannter, als noch jedes Gerät seinen individuellen Phantasiestecker und eine andere Ladespannung hatte.

Kennt Ihr den Spruch? Wozu Kernkraftwerke? Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose. Das trifft’s. Es kommt der Selbstoptimierungsgeneration nämlich nur darauf an, dass ihr Umfeld clean und staubfrei und aufladbar ist, was woanders passiert, ist egal. Und so verbrauchen wir enorme Mengen an Strom, was aber egal ist, solange das woanders passiert, clean ankommt und man sich über Plastik im Meer und Klimaerwärmung aufregt. Dafür sind wir nicht nur permanent online, wir pflastern uns die Wohnung auch mit Internet-Radios, Streaming-Fernsehern und Alexa-Monstren zu. Weil wir zwar Umweltschutz betreiben, indem wir regionales Gemüse kaufen, das nicht quer über die Welt angeliefert wird, aber unsere Unterhaltung und Antworten auf Fragen möchten wir dann schon gern individuell aus anderen Kontinenten angeliefert haben, weil das ist ja clean, elektrisch, und manchmal sogar am USB zu laden, da haben wir das subjektive Sauberkeitsgefühl.

Deshalb ist das auch total out, Mails auszudrucken. Ich merke das an mir selbst. Früher habe ich viel drucken müssen, häufig Papier und Toner gekauft. Ich habe sogar aus der Zeit aus dem Promotionsstreit mit der Uni noch die Sachen übrig, die ich damals brauchte: Eine Spiralbindemaschine, eine Heißbindemaschine, einen Papierschneider, einen Riesen-Locher, mit dem man problemlos einen ganzen Versandhauskatalog lochen konnte. Ich habe in den 80er und 90er Jahren studiert und damals das Arbeitszimmer bis unter die Decke voll von Papier. Als ich damals aus Karlsruhe weggezogen bin, habe ich beim ersten Ausmisten bergeweise und in mehreren Fuhren eines Handschubwagens Papier zum Altpapiercontainer gefahren. Als ich aus München weggezogen bin, mussten stapelweise Bücher dran glauben. Es gab Zeiten, da waren mir Bücher heilig, da wäre es unmöglich gewesen, ein Buch wegzuwerfen. Da lebte man als Informatiker von einer großen Menge ständig zu aktualisierender Informatik-Fachbücher. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, wann ich das letzte physische Buch in einem Informatik-Thema gekauft habe. Inzwischen alles Online oder als e-Book. Ich kaufe zwar immer noch viele Bücher auf Papier, aber nur noch das Material für den Gender- und Polit-Krampf dieses Blogs. Nicht selten alte Bücher für 1 Cent Kaufpreis und 3 Euro Versandkosten. Und Kochbücher, die auch nur aufzuschlagen mir die Zeit fehlt.

Ich habe so ein kleines, praktisches, 1,20 hohes schmales Bücherregalchen von IKEA, Serie Besta, das ich mal gekauft habe, weil es in einer Wohnung so genial hinter die Tür passte und da Taschenbücher genial reinpassten. Als ich ein zweites wollte, sagten sie, das gäb’s nicht mehr, die Höhe und diese Maße böten sie nicht mehr an. Warum? Verkauft sich nicht mehr. Ist ein Bücher- und CD-Regal und die Leute haben sowas nicht mehr im Wohnzimmer. Sie verkaufen nur noch solche Kleinkrammöbel. Stimmt. Ich hatte in meiner Münchner-Wohnung ein ganzes Billy-Regal voller CDs und DVDs, die ich aber alle nicht mehr benutze. Die Hüllen habe ich weggeworfen und die Scheiben auf engstem Raum in kleinen Koffern weggepackt, falls man mal nachweisen muss, dass man das tatsächlich gekauft und nicht nur raubkopiert hat. Es reduziert sich alles auf online und Festplatte, es virtualisiert sich, es digitalisert sich.

Mir ist gerade so eine Werbung aufgefallen. Anscheinend ein Papierhersteller. Nicht sehr glaubwürdig, weil ja Lobbyist in eigener Sache. Aber was, wenn er

Was, wenn sie Recht haben?

Was machen eigentlich all diese Digitalisierungsfetischisten, wenn sie erfahren, dass sie damit an der Klimaerwärmung „teilhaben”?