Ansichten eines Informatikers

Vom Tod der Straßenverkehrsordnung

Hadmut
5.9.2018 19:22

Brauchen wir nach „Einfacher Sprache” auch „Einfache Verkehrsregeln”? [Nachtrag/Erklärung]

Ich war gerade auf dem Heimweg, zu Fuß von der S-Bahn, und gehe an einer Kreuzung über den Fußgängerüberweg. Zum Verständnis des Vorgangs: Ich bin auf der linken Straßenseite gelaufen, habe also die Kreuzung so passiert, dass die Kreuzung auf meiner rechten Seite lag.

Ich hatte Fußgängergrün.

Also nicht dieses violett-grün, auch nicht das totalversagende Berliner rot-grün, sondern so richtig grün. Das grüner-wird’s-nicht-grün.

Jene Sorte grün, von der unsere Straßenverkehrsordnung – die, die von alten weißen Männern gemacht wurde – noch glaubt, man könne als Fußgänger bedenkenlos und ohne andere Verkehrsteilnehmer durchlassen zu müssen, sicher über die Straße gehen. So, wie ich das mal in zwei Fahrschulen in prä-postmoderner Zeit gelernt habe.

Als ich die Straße fast überquert hatte, kommen auf der Straße in entgegengesetzter Richtung zwei Frauen hintereinander auf Fahrrädern flott entgegen. In Deutschland ist das ja so, dass die Fußgänger immer zusammen mit dem Verkehr in gleicher und entgegengesetzter Richtung grün haben. Ich habe die auch erst gar nicht näher zur Kenntnis genommen, weil ich die in meiner Verkehrslageeinschätzung als Teil des Verkehrs ansah, der rechts neben mir gerade über die Kreuzung fuhr. Das ist ja normal, wenn man auf der linken Seite einer Kreuzung über eine Straße geht, einem rechterhand geradefahrender Verkehr entgegenkommt.

Doch ohne Vorwarnung und ohne Handzeichen fuhren die flott rechts ab, obwohl ich da gerade über die Straße ging. Da war vielleicht noch 1,20 Meter zwischen mir und dem Bordstein, oder eigentlich schon weniger, als die da direkt vor meinen Füßen durchfuhr, ohne auch nur ansatzweise zu bremsen, zu schauen, oder mich auch nur irgendwie zu beachten, als wäre ich gar nicht da. Ich bin zwar ausgewichen, aber mit irgendwas hinten hatte die mich am Hemd gestreift. Unten fast über meine Füße gefahren. Die zweite lachend hinterher.

Schwer einzuschätzen, ich habe sie von vorne kaum gesehen, beide sich sehr ähnlich, so vielleicht Anfang/Mitte 20, schlank, anscheinend afrikanischer Typ, ganz kurze, hell gefärbte Haare. Ich war natürlich sauer und habe gebrüllt „He, ich habe grün!”

Deren Antwort in völlig herablassend-verächtlichem Ton: „Wir auch!” so dieser feministische Wieder-ein-Mansplainer-Tonfall.

Nun muss man sagen, dass Radfahrer sich hier eigentlich gar nicht mehr an die Straßenverkehrsordnung halten, und hier grundsätzlich so gut wie jeder ohne auch nur leicht zu bremsen bei Rot fährt, als gäbe es keine Ampeln. An der nächsten Kreuzung habe ich allein auf meiner Seite viere bei rot flott drüberfahren gesehen. Das ist hier immer so. Und es ist doppelverwunderlich. Erstens, dass es nicht noch viel mehr tote Radfahrer als ohnehin schon gibt. Und zweitens, dass sie LKW-Fahrern Vorwürfe dafür machen, denn die meisten Radfahrer sterben hier, weil rechtsabbiegende LKW-Fahrer sie nicht beachten und die geradeausfahrenden Radfahrer niedermalmen. Der Vorwurf der Radfahrer lautet: Sich nicht an die Straßenverkehrsordnung zu halten. Eben jene StVO, die nur für andere, aber nicht für Radfahrer gilt. Oder nur dann, wenn sie in deren Opferbeschwerdekonzept gerade passt. Wie Demokratie und Verfassung.

Eine rote Ampel vor sich zu sehen und trotzdem zu fahren ist nicht Unkenntnis der Straßenverkehrsordnung, das ist Zivilisationsverachtung oder Lebensmüdigkeit.

Aber was ist „Ich habe auch grün!” dann?

Ist es einfach nur blanke Dummheit?

Ist die Straßenverkehrsordnung für manche einfach schon zu kompliziert, zu schwierig? Sollte man auf das im Berliner Verkehr verheerende, weil weniger effizientere, aber sicherere 3-Phasen-Modell umsteigen, das in manchen anderen Ländern üblich ist, nämlich nicht abwechselnd längs- und quer-Verkehr und Fußgänger durchzulassen, sondern Fußgänger in einer dritten Phase laufen zu lassen, in der alle Fahrzeuge stehen und alle Fußgänger gehen?

Oder ist es, wofür der Tonfall spricht, feministisch-people-of-color-ige Verachtung gegenüber weißen Männern?

Ist das jetzt politisch schon so, dass die political correctness Vorrang vor der Straßenverkehrsordnung hat und Frauen jetzt Vorfahrt vor Männern haben? Dass man die jetzt über den Haufen fahren darf?

Wird das jetzt so als Macht- und Besatzungssymbol demonstrativ so gemacht?

Und wie kommt das eigentlich, dass Leute, die schon von so etwas weitgehend einfachem, wie unserer Straßenverkehrsordnung, intellektuell und/oder charakterlich überfordert sind, sich dabei noch überlegen vorkommen?

Nachtrag/Erklärung:

Für die, die das mit der Straßenverkehrsordnung noch nicht so ganz verstanden haben:

Mehrere Leser schrieben mir, dass es doch bei der Situation durchaus sein könne, dass sie auch grün hatten.

Herrje, natürlich hatten sie grün. Ich hatte ja beschrieben, dass neben mir der Verkehr in gleicher Richtung floss.

Aber nur weil die Ampel für den Fahrzeugverkehr grün ist, heißt das noch lange nicht, dass man als Rechtsabbieger durch die Fußgänger brettern darf. Der Rechtsabbieger hat – egal ob Fahrrad oder LKW – zu warten, bis alle Fußgänger über die Straße gegangen sind und die Straße frei ist. Denn mit dem Rechtsabbiegen wird er zu denen, für die die Ampel rot ist.

Ich glaube, ich muss doch mal eine Einführung in die Straßenverkehrsordnung schreiben.