Ansichten eines Informatikers

Die geklaute Stiefmutter aller Hetzjagdvideos

Hadmut
8.9.2018 9:38

Über Medienqualität. [Nachtrag]

Sie spucken und geifern.

Alle schimpfen sie gerade auf Maaßen, fordern Beweise und Belege von ihm, fordern seinen Rücktritt, halten ihn für ungeeignet, weil er nicht in den Mainstream-Kanon mit einstimmt wie verlangt oder wenigstens das Maul hält.

Dumm nämlich, das Politik und Medien nicht nur dumm dastehen, nach der Hexenjagd auf Hetzjagdnazis, sondern dass sie zusammen dumm dastehen und besonders deutlich sichtbar wurde, dass es zwischen Presse, linken Parteien und Angela Merkel keinen Unterschied, keine Trennlinie mehr gibt. Zwar leugnen sie immer, dass sie sich absprechen würden oder Vorgaben bekämen, aber gerade dann, wenn sie alle das Gleiche tröten, ohne dass es einen zentralen Anlass dafür gibt, der gleiches Getröte nach sich zöge, treten die Querverbindungen zu Tage.

Und alles beruht auf einem kleinen, kurzen Video.

Was erstaunlich ist.

Denn Hinrichtungsvideos, Massenerschießungen, Kopf-ab-Orgien aus dem Bereich islamischen Terrors gibt es genug, und das auch in weit besserer Qualität. Wo Kinder lernen, Menschen zu erschießen. Oder wo man reihenweise Gefangene per Kopfschuss abknallt, praktischerweise gleich an der Kante des Bootsstegs, damit die noch Zuckenden direkt ins Wasser fallen und vom Fluß mitgenommen werden, spart die Entsorgung. Doch niemand erwähnt sie. Und würde es einer wagen, würde er als islamophob, pauschaulisierend, volksverhetzend geächtet und verfolgt. Keinesfalls dürfe man das verallgemeinern, dafür sorgt schon die strikte Unterscheidung in islamisch und islamistisch. Ich erinnere ja gerne, dass man für so vieles immer gleichbedeutende Doppelbegriffe verwendet, einen positiven und einen für’s Negative, so wie Diversität und Heterogenität. Wie differenzieren und diskriminieren. Oder eben islamisch und islamistisch. Natürlich auch links und linksextrem. Keinesfalls darf man Linke mit deren Kriminellen gleichsetzen. Noch nie wäre ein Linker dafür verantwortlich gewesen, in einer Demo zusammen mit linksradikalen, der Antifa, RAF-Sympathisanten gelaufen zu sein. Aber wehe, es sind Sachsen. Da gibt es keine Unterscheidung mehr, alle gleich, und wer nicht sofort nach Hause rennt und sich einschließt, statt zu demonstrieren (was zwischen der ersten und zweiten DDR mal kurzzeitig ein Grundrecht war), ist mindestens Mittäter.

Und natürlich jeder ein Schuft, der die hohe Qualität des Videos auch nur in Frage stellt.

Und natürlich greift die Presse, beispielsweise die FAZ, Maaßen frontal dafür an, dass er das Video – gemeint sind natürlich die Presse und der Mainstream, sagt man aber nicht so – auch nur leicht in Frage stellt. „Leicht” meine ich an dieser Stelle deshalb, weil meine Formulierung, wäre ich an Maaßens Stelle gewesen, vermutlich etwas, naja, anders ausgefallen wäre. Vielleicht einer der Gründe, warum ich nicht Verfassungsschutzpräsident geworden bin.

Dieselbe FAZ kommt gleichzeitig aber mit FAKTENCHECK ZU MAASSEN-THESEN: Was wir über das strittige Video aus Chemnitz wissen daher, und schreibt:

Verfassungsschutz-Präsident Maaßen bezweifelt dessen Authentizität. Doch was ist über das Video bislang bekannt?

Viel weiß man nicht. Und die Presselogik ist, dass wenn man nichts über ein Video weiß, es immer das ist, was dem Mainstream nutzt: Total glaubwürdiges Fakt oder unbewiesene Quelle. Und wenn’s von Linken gedreht ist, muss es sowieso stimmen.

Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) hat nach den Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen über die Ausschreitungen in Chemnitz Zweifel an der Eignung des Chefs des Inlandsgeheimdienstes geäußert. „Bei mir mehren sich die Fragezeichen“, sagte Weil den Blättern der Funke Mediengruppe.

Boah, wie geil.

„Bei mir mehren sich die Fragezeichen” ist ja eine völlig seriöse, verbindliche und inhaltsschwangere Aussage. Was könnte man da mehr an Belegkraft und Klarheit verlangen?

Und:

Die Aufnahme lässt sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in der Chemnitzer Bahnhofsstraße an der Johanniskirche verorten. Details aus dem Video, wie ein Kirchturm, Straßenschilder, eine Werbetafel und die Bebauung, sind in Satellitenaufnahmen wiederzuerkennen.

Toll. Das reicht natürlich, um den Rücktritt eines Verfassungsgerichtspräsidenten zu fordern. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit verorten. Nur dass der Begriff der Wahrscheinlichkeit hier falsch verwendet wird, der passt hier gar nicht. Aber wen schert das schon? Wenn’s doch um das Video geht. Und wo es doch so eine über jeden Zweifel erhabene Bewertung gibt:

„Antifa Zeckenbiss“ beschreibt die Szene im Text als „Menschenjagd“: Zu sehen ist eine Gruppe, die so aggressiv auf einen jungen Mann in Jeans zugeht, dass dieser wegrennt, dazu sind Parolen wie „Haut ab“, „Kanaken“ und „nicht willkommen“ zu hören.

Na, wenn Antifa Zeckenbiss das so sieht, was wäre dann ein Verfassungsschutzpräsident dagegen? Wofür brauchen wir noch eine dpa, wenn jetzt Antifa Zeckenbiss vorgibt, was in den Medien steht?

Wer hat das Video aufgenommen?

Das ist unklar. Das Hochkant-Format, die ruckartigen Bewegungen und die Bildqualität sprechen für die Handyaufnahme eines Amateurs. Es ist denkbar, dass „Antifa Zeckenbiss“ nicht selbst der Urheber des Videos ist: Der Account veröffentlicht regelmäßig Videos von verschiedenen Orten, die geografisch weit gestreut sind.

Ach, das ist „unklar”?

Es sei „denkbar”, dass „Antifa Zeckenbiss“ nicht selbst Urheber sei, weil die regelmäßig Videos verschiedener Orte veröffentlichten.

Macht nichts, ein Verfassungsgerichtspräsident kann trotzdem nicht dagegen anstinken.

Nun schreibt aber Antifa Zeckenbiss gerade selbst (und kennen den Unterschied zwischen Pressemitteilung und Pressemeldung nicht):

Sie sind selbst nicht Urheber des Videos und haben es „in einer patriotischen Gruppe gefunden, wo auch Hetze gegen Flüchtlinge betrieben worden ist”. Wer es aufgenommen habe, wüssten sie nicht.

Na, das ist ja mal eine tolle Quelle. Und so überzeugend.

Wahnsinn, dieser Faktenjournalismus von heute, der die alles überragenden Beweise hat.

Da weiß man doch gleich, dass das alles so echt und „ungeschnitten” ist. Das reicht, ein ganzes Bundesland zu beschimpfen und eine Partei zu verbieten.

Es gab mal Zeiten, in denen wäre so etwas von Journalisten nicht mal mit der langen Pinzette angefasst worden. Heute wird jedes Fetzchen Scheißhausparole gleich zur Aufmacherschlagzeile aller Medien.

Was soll das überhaupt sein? „eine patriotische Gruppe”? In der man ein Video „findet”?

Ich hätte ja gerne mal gewusst, was da dabeistand.

Hätte ja zum Beispiel dranstehen können „Sowas dürfen wir nicht tun.”

Oder „Ich stimme für den Ausschluss der Genossen Fuchs und Hase aus unserer Nazi-Gruppe, weil die sich danebenbenommen haben”.

Das kann ja ganz anders aussehen, wenn man den Kontext kennt. Den Kontext aber sollen wir nicht kennen, der wird uns von den Mainstream-Medien vorgegeben. Man sagt uns, was man denken soll. Framing nennt man es.

Ich hätte da mal eine ganz doofe Frage.

Durfte man das Video überhaupt benutzen, im Fernsehen und auf den Zeitungswebseiten veröffentlichen?

Denn wenn der Urheber es nicht veröffentlicht, sondern nur in einer geschlossenen Gruppe gezeigt hat, dann gibt es auch kein Zitatrecht, schon gar kein Aufführungsrecht.

Im Prinzip kann der Urheber die jetzt alle rundherum auf Tantiemen, Schadensersatz und Unterlassung verklagen. Dann müssten alle diese Zeitungen und Fernsehsender Geld an diese „Nazis” bezahlen, genauer gesagt vermutlich an die Gattin des Hasen.

Natürlich würde man den Rücktritt fordern, wenn hier irgendwer nach Urheberrechten fragte. Oder wer überhaupt der Urheber ist.

Hach, was haben wir tolle Medien. So qualitativ. So wahrheitserhaben.

PS: Ein Leser aus einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt schreibt mir, da sei gestern der Teufel losgewesen, weil man unbedingt etwas finden musste, was man Maaßen habe entgegenhalten können.

Nachtrag:

Ist mir zum Thema Urheberrecht und Medienwahnsinn gerade so aufgefallen: Ze.tt berichtet über den „Gejagten” und zeigt dabei ein Standbild aus dem fraglichen Video, und schreibt darunter Fotos: © Antifa Zeckenbiss

Das ist dreifach falsch:

  1. Ein Copyright mit dem ©-Zeichen gibt es in Amerika, aber nicht in Deutschland.
  2. Antifa Zeckenbiss ist mangels Existenz als juristischer Person gar nicht in der Lage, ein Urheberrecht zu haben.
  3. Sie haben es ja auch tatsächlich nicht, denn das Video stammt ja nicht von ihnen.

Wie kann man eigentlich glauben (die Frage hatte ich ja schon früher), dass zwischen so bösen Nazis zwischendrin einer von der Antifa steht und Videos dreht?