Ich soll mal über deutsche Kameras schreiben…
verlangt ein Leser. [Nachtrag]
Ich würde immer nur über High-Tech aus Japan schreiben, soll doch aber auch mal was über Kameras aus der „Heimat” sprechen, speziell diese hier, die Leica M10.
Also eigentlich habe ich damit, dass ich fast nur über japanische (oder besser gesagt südostasiatische) Kameras schreibe, im wesentlichen alles gesagt. Die für mich interessantesten nicht-asiatischen Kameras kommen aus den USA (GoPro und Red) und kurioserweise Australien (Black Magic).
Deutsche Kameras waren für mich der Standard und eine Selbstverständlichkeit, solange Kameras mechanisch waren. Eine der besten Kameras aus damaliger Zeit war die Zeiss Contaflex Super, eigentlich Papis damalige Kamera noch aus seinen Studentenzeiten, mit der man noch so richtig gut fotografieren lernen konnte, weil man die bei manchen Kameras damals gängige Kopplung von Blenden- und Belichtungszeitenring hatte, die man zunächst mit dem Belichtungsmesser gegeneinander verdrehen konnte, und dann bei gleichbleibender Belichtung zusammen drehen kann (was man später bei den elektronischen Kameras mit Belichtungsautomatik „shiften” nennt). Ich habe auch noch irgendwo einen alten Gossen Sixtomat Handbelichtungsmesser aus den 50er oder 60er Jahren (den in Elfenbein mit diesem Schieberolladen) und dem Drehrad an der Seite, mit dem man die Skala durchrollen konnte.
Meine Traumkamera als Kind war natürlich meine Beroquick SL125 (in der DDR gebaut, ziemlich simpel, keine Belichtungsmessung, aber meine Traumkamera, weil es eben meine war.)
Und dann natürlich noch meine zwei Brüllermarken, nämlich Rollei und Minox. Die zweiäugige Rolleiflex war einfach ein geiler Kasten, und die Rollei 35 und die Minox 35 zwei der besten (wenn nicht die beste) Taschenkameras aller Zeiten. Lange Zeit habe ich mit einer Minox C fotografiert, hatte sogar einen passenden Diaprojektor, über die Bildqualität reden wir da aber besser nicht.
Mit Leica bin ich nie in Verbindung gekommen, außer dass ich ein paar mal alte historische Leicas in der Hand hatte, die aber eher zum Ausstellungsstück als noch zur Benutzung zu gebrauchen waren. Leica (steht eigentlich für Leitz Camera) war nun mal der Erfinder der Kleinbildkamera so ähnlich, wie Apple das Smartphone erfunden hat. Eigentlich nur aus Versehen, denn damals fotografierte man 6×6 oder größer, auch mit Plattenkameras, und sie hatten eigentlich was ganz anderes im Sinn. Damals nämlich war das Drehen von Kinofilmen noch ein schwieriges Unterfangen, weil man auch nie so genau wusste, wie sich der Film verhält und man da auch nicht wie bei Fotoausbelichtungen nachkorrigieren konnte, und deshalb hat man diese Kamera gebaut, damit Kameraleute von den Filmproduktionen einfach ein Stück ihres Kinofilmmaterials abschneiden und in diese Kamera stecken, ein paar Testaufnahmen machen und die mit der normalen Entwicklung der Kinofilme mitentwickeln lassen, um dann am nächsten Morgen zu sehen, wie der Film auf die Szene reagiert und sie am nächsten Tag entsprechend drehen zu können.
Damit, dass sich das Ding als Fotokamera verselbständigt und ein Riesenerfolg wird, hat man nicht gerechnet. So entstand der Kleinbildfilm. Und deshalb hat der Löcher. Eigentlich nur ein Stück abgeschnittener Kinofilm.
Harald Schmidt sagte in seinen Sendungen gern „ja zu Deutschem Wasser”.
Ich sagte früher Ja zu deutschen Kameras. Solange sie mechanisch waren. Die Herrlichkeit ging bei uns zu Ende als Papi mit der Canon AE-1 ankam. Mit der hatte ich mich vorher schon detailliert auseinandergesetzt, denn zur Werbung gab es damals im Fotogeschäft so einen Pappbastelbogen, mit dem man eine Attrappe der AE-1 basteln konnte. Kompliziert, aber den habe ich damals gebaut und kannte jede Taste und jedes Hebelchen, noch bevor wir sie hatten. Kurz darauf hatten wir noch eine A-1, aber die war ziemlich schnell wieder kaputt, und lange Gewährleistung gab’s damals noch nicht. Was uns mit „deutschen” Kameras nie passiert war. Und dann hatte ich eben noch eine Minox 35, die auch verdammt gut war.
Das war’s dann aber so bei mir mit deutschen Kameras. Als Student habe ich mir dann eine Minolta 7000i geleistet, und alles danach waren höchstens Geräte, die den aus der Insolvenzmasse gekauften Namen drauf hatten. Ich hatte mal eine der frühen Actioncams von Rollei (mittelprächtig für damalige Verhältnisse, aber vor allem billig) und habe ein sehr leichtes Reisestativ von Rollei, aber das ist nicht mehr dieselbe Firma, Rollei war irgendwann mal am Ende und da ist der Name als Marke irgendwie übergegangen.
Auch Minox schlitterte in Finanzprobleme und wurde rumgeschoben, neulich hätte ich fast mal ein Fernglas gekauft, auf dem der Markenname Minox stand. Aber nur fast.
Auch Voigtländer war mal ein deutscher Hersteller von sehr guten Kameras, auch da ist wohl nur der Firmenname übrig geblieben.
Also ja, es ist nicht so, dass ich mich nie mit deutschen Kameras befasst habe. Aber da sehe ich nicht mehr viel, was Kameras angeht.
Umso mehr freut es mich, dass sich Zeiss und Leica berappelt haben und heute – zumindest nach meinem Wissensstand – wieder gut im Geschäft sind, wenn auch nicht so als Kamerahersteller, sondern vor allem als Kooperationspartner und Objektivhersteller. Sie machen das, was klasssische deutsche Tugenden sind, Mechanik und optische Qualität, und halten sich da eher raus, wo sie technologisch und preislich nicht konkurrenzfähig sind. Zeiss macht mit Sony, und Leica mit Panasonic und irgendeinem Handy-Hersteller. Ich habe sogar ein Leica für MFT.
Bei beiden machen die Japaner die günstigeren Objektive und Zeiss oder Leica die teuren, obwohl ich das Gerücht gehört habe, dass Leica die Objektive auch nur entwickelt und designt, und in Wirklichkeit Panasonic die Leica-Objektive herstelle. Bei Sony weiß ich es nicht. Die Masche ist aber die gleiche, man verkauft günstigere und teurere unter verschiedenen Markennamen, die Deutschen stehen dann als Edelmarke drauf. Canon und Nikon behelfen sich ja auch mit verschiedenen Produktreihen.
Zeiss-Objektive sind da einfach die Referenzobjektive, an denen sich alle anderen messen lassen müssen. Aber eben auch so teuer, dass es im Normalfall keinen Sinn ergibt, sie zu kaufen, wenn man nicht gerade stinkreich ist oder sehr viel Geld damit verdient.
Ab und zu mal liest man, dass sich die elektronischen Leica- und Panasonic-Kameras verblüffend ähnlich seien, eigentlich bis auf paar Designunterschiede am Gehäuse baugleich und sicherlich aus derselben Fabrik kommen. Es dürfte schon so sein, dass manche der Leica-Kameras innerhalb der Kooperation von Panasonic gebaut werden.
Das halte ich nicht für schlecht. Im Gegenteil, die Kooperationen Zeiss-Sony und Leica-Panasonic sind sehr fruchtbar und bringen sehr gute Ergebnisse. Und immerhin doch wieder ein paar deutsche Markennamen auf den Markt. Und die Verbindung mit Höchstqualität finde ich schick.
Nur halte ich das dann auch nicht mehr für „Kameras aus der Heimat”, sondern moderne firmenübergreifende Industrieprodukte. Ich tendiere inzwischen dazu, Kameras nicht mehr als unantastbares Heiligtum ewiger Mechanik anzusehen, wie ich es als Kind getan habe, sondern inzwischen doch nur als schnöden Elektronikschrott wie einen ausgelutschten Computer. Nie hätte ich eine Kamera weggeworfen, aber inzwischen denke ich doch über’s Ausmisten elektronischer Kameras des Massenmarktes nach 1990 nach. Alte Notebooks und PCs fliegen ja auch irgendwann auf den Müll. Das wird nichts mehr. Ich habe eine Freundin, die hat vor Jahren ihren alten PKW eingemottet, weil sie daraus einen Oldtimer brüten will. Es war aber ein charakterloser PKW der 80er Jahre aus der Massenproduktion. Es ist eigentlich nur noch Schrott, der keinem Wert mehr entgegensieht. Ich war neulich bei einem Fotohändler, der als Angebot hatte, funktionsfähige Spiegelreflex für ein paar Euro in Zahlung zu nehmen. Ist aber nur ein Marketing-Gag. Der verkauft die nicht mehr wieder, sondern schmeißt die ungeprüft und aus der Höhe in eine Plastikwanne. Wer will, kann sich für 5 Euro nehmen, was er will. Es will keiner. Die Wanne füllt sich einfach.
Was ich nun von dieser Leica M10 halte?
Nun, qualitativ ist die sicherlich am oberen Ende, da habe ich keine Zweifel.
Kaufen würde ich die Kamera aber nicht. Höchstens das Objektiv, wenn es ein anderes Bajonett hätte.
Denn man braucht keine Retro-Kamera um manuell zu fotografieren. Das ist zwar sehr lehrreich, und – was viele nicht wissen – auch heute muss man bei vielen Gelegenheiten noch mit manuellen Einstellungen fotografieren und das dann eben auch verstanden haben, aber das ist der Punkt: Das kann eigentlich jede digitale Spiegelreflex- oder spiegellose Systemkamera. Oben auf M drehen.
Sowas würde ich mir kaufen, wenn ich Millionär oder gutverdienender Liebhaber wäre.
Was nicht heißt, dass ich in den letzten 15 Jahren nicht mehr Geld für Fotozeugs ausgegeben hätte, als diese Leica M10 samt Objektiv kostet. Aber ich habe eben sehr viel mehr dafür bekommen. Und meine Nikon-Ausstattung ist so gut, dass nicht mehr die Kamera, sondern ich das begrenzende Element bin.
Hätte ich jetzt Zeit, um mir irgendwo für ein einzelnes Foto viel Ruhe und viel Zeit zu lassen, könnte man sowas machen. Aber das habe ich nicht. Und ich sehe den aufmerksamkeitsökonmischen Wert der Fotografie sinken.
Deshalb halte ich es für die bessere Idee, sich für ein Viertel des Preises eine Panasonic GH5 und ein Leica-Objektiv dazu zu kaufen. Viele Teile dürften dabei aus derselben Fabrik stammen, und man kann damit einfach sehr viel mehr anfangen. Oder auf den halben Preis aufzurunden und dann den vollen Brennweitenbereich durch eine Objektivsammlung abzudecken.
Also: Die „deutschen” Objektive sind richtig geil, für die Kameras kann ich mich dagegen nicht mehr so erwärmen.
Nachtrag: Wenn ich einen fünfstelligen Betrag für exquisite Bildqualität ausgeben sollte, würde ich mir dafür eine Mittelformat-Digitale wie etwa Hasselblad oder die auf der Fotokina gerade vorgestellte Fuji nehmen, es gibt noch andere sehr gute.
Ich hatte mal auf einer Messe eine 40.000-Euro-Hasselblad in der Hand. Die hatten da einfach einen Blumenstrauß in einer Vase hingestellt und angeleuchtet, damit was zum Fotografieren rumsteht. Ich habe auf Anhieb ein sowas von geiles Blumenstrauß-Foto hinbekommen (gut, man kann fragen, ob das dann noch ich war oder die Kamera, denn viel mehr als draufhalten und drücken habe ich nicht gemacht, aber viele der heutigen Mode- und Spitzenfotografen wie etwa Lagerfeld leben auch davon, dass sie einfach extra breit Geld haben um sich solche Dinger zu kaufen. Man bekommt aber schon um die 10.000 Euro sehr gute Mittelformatkameras, die sogar bequem zu handhaben sind, und die würde ich dann so einer M10 vorziehen, wenn’s denn soviel Geld sein soll.