Ansichten eines Informatikers

Seltsamer Facebook-Zufall

Hadmut
8.2.2019 20:59

Und so aufschlussreich.

Ein Leser hat mich auf einen überaus seltsamen Zusammenhang hingewiesen.

DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency, früherer Name ARPA, enstanden aus dem kalten Krieg und dem Sputnik-Schock) müsste jedem Internet-Affinen etwas sagen. Das ist die amerikanische Militärbehörde die mit Geld und Einfluss die Entwicklung von Netzwerken und ähnlichem fördert. Die steckten übrigens hinter der Entwicklung des Arpanet und von TCP/IP, woraus dann das Internet wurde.

Die nun hatten angeblich ein Projekt namens „Lifelog”: Man wollte den kompletten Lebenslauf jedes einzelnen Menschen auf der Welt erfassen. Wired.com dazu:

Run by Darpa, the Defense Department’s research arm, LifeLog aimed to gather in a single place just about everything an individual says, sees or does: the phone calls made, the TV shows watched, the magazines read, the plane tickets bought, the e-mail sent and received. Out of this seemingly endless ocean of information, computer scientists would plot distinctive routes in the data, mapping relationships, memories, events and experiences.

LifeLog’s backers said the all-encompassing diary could have turned into a near-perfect digital memory, giving its users computerized assistants with an almost flawless recall of what they had done in the past. But civil libertarians immediately pounced on the project when it debuted last spring, arguing that LifeLog could become the ultimate tool for profiling potential enemies of the state.

Hört sich schwer an nach Google und Android-Handys: Immer dabei, alles wird erfasst, alles überwacht. Ich hatte das ja damals so zur Zeit meines Wechsels von der Uni in die Privatwirtschaft schon beobachtet. Einerseits hieß es, die amerikanischen Geheimdienste würden jede Webseite überwachen, womit sie sie ja abfragen müssen, aber das einzige, was ich damals in den Logs verschiedener Webserver als Spuren fand waren die Suchmaschinenabfragen von Google. Dass Google eine ziemlich Anschubfinanzierung bekommen hat und erst mal jahrelang arbeiten konnte, ohne sich irgendwie um Einkünfte oder ein Geschäftsmodell kümmern zu müssen, ist auch bekannt.

Jetzt kommt aber der Witz an der Sache:

Der Artikel in Wired, aus dem ich oben zitiert habe, stammt vom 4.2.2004. (Oben steht „02.04.04”, die Amerikaner schreiben aber den Monat vor den Tag, und der URL belegt auch, dass es vom Februar stammt.)

Und darin wird berichtet, dass die DARPA dieses Lifelog-Projekt ohne triftigen Grund urplötzlich eingestellt hat:

But civil libertarians immediately pounced on the project when it debuted last spring, arguing that LifeLog could become the ultimate tool for profiling potential enemies of the state.

Researchers close to the project say they’re not sure why it was dropped late last month. Darpa hasn’t provided an explanation for LifeLog’s quiet cancellation. “A change in priorities” is the only rationale agency spokeswoman Jan Walker gave to Wired News.

However, related Darpa efforts concerning software secretaries and mechanical brains are still moving ahead as planned.

Politische Kräfte hatten bemängelt, dass damit das ultimative Überwachungstool entstehen könnte. Kurz vor dem Artikel war das Projekt aber urplötzlich gefallen gelassen worden und eingstellt. Nicht mal dem Projekt nahestehende Leute wussten, warum überhaupt. Einzige offizielle Erklärung sei gewesen, dass sich die Prioritäten geändert hätten.

Facebook wurde aber an exakt diesem Tag gegründet, nämlich dem 4.2.2004.

Zuckerberg hatte 2003 eine Webseite namens FaceMesh gebaut, auf der er Portraitfotos aus den Jahrgangsbüchern oder Personenverzeichnissen (der Begriff facebook wird für mehrere, ähnliche Dinge verwendet) von Schulen oder Hochschulen eingebunden hatte, die er online gefunden hatte, und ursprünglich nur das Spiel gespielt, immer zwei nebeneinander zu stellen und das Publikum wählen zu lassen, wer besser aussieht. Und hatte sehr schnell viel Zuspruch, aber auch Ärger am Hals.

Kurze Zeit später hatten sich schon mehr als die Hälfte der Studenten dort angemeldet und freiwillig ihre Daten da eingegeben. Es verbreitete sich dann gleich wie die Pest an Universitäten.

Hat man bei der DARPA anhand der frühen Facebook-Vorläufer erkannt, dass man die Leute nicht ausspionieren muss, sondern sie am besten dazu bringt, ihre Daten gleich selbst anzuliefern, indem man deren Sozialverhalten in Gruppen ausnutzt? Und deshalb von einem militärischen Spionageprojekt auf Facebook umgesattelt? Und Google und Android?