Der neu angerührte europäische Antisemitismus
Über Gelbe und Neoantisemiten.
Also bei uns heißt es ja ständig, die Nazis seien in der Auferstehung, könne nicht mehr lange dauern, bis Hitler persönlich wieder auftaucht, weil man erstarkenden Antisemitismus beobachte, und darauf hätten die Rechtsextremen und Neonazis selbstverständlich Patent, Copyright und Monopol. Die Berliner Regierung hält sich eigens eine Sawsan Chebli dafür, um gebetsmühlenartig zu wiederholen, Migranten sind gut, Antisemiten sind rassistische Neonazis.
Eine Leserin belehrte mich neulich mal, dass das sowieso alles falsch sei, weil die Semiten keine Rasse und auch kein Volk, sondern einfach nur Leute seien, die eine Sprache aus der Gruppe der semitischen Sprachen sprechen. Semiten sind Leute, die eine dieser Sprache sprechen, egal, wie sie nun aussehen oder woher sie kommen. Und die Araber zählten auch zu den Semiten. Dass Arabisch und Hebräisch eng verwand sind, hat mir mal ein Israeli erläutert. Deren Shalom und das arabische Salam (aleikum) seien dasselbe Wort. (Apropos Salam aleikum: Das hebräische Lied Hevenu Shalom Alehem heißt meines Wissens ebenfalls Friede mit Euch, wobei man auch da die Ähnlichkeit zwischen aleikum und alehem [oder auch alechjem] erkennt. Der Begriff Semiten geht auf die Abstammung Abrahams auf Sem, den Sohn Noahs, zurück. Araber könnten deshalb noch so große Judenhasser sein, aber niemals Antisemiten, weil sie ja selber Semiten seien. Die Begriffe seien deshalb äußerst schwierig und vermintes Gelände.) Das ist insofern diffizil, weil der Vorwurf an Leute, Antisemiten zu sein, vordergründig den Nazi-Abwehrreflex auslösen, hintergründig aber keine Juden-, sondern eine Islamfeindlichkeit meinen könnte, weil Araber eben auch Semiten sind. Jemanden, der sich also rein islamkritisch darstellt, aber judenfreundlich ist, könnte damit von Spitzfindigen als Antisemit beschimpft werden. Das ist alles sehr dubios.
Vor ein paar Tagen ging nun durch die Presse, dass es bei der letzten Gelbwesten-Demo antisemitische Ausfälle gegeben habe. Ein prominenter Jude, der Philosoph Alain Finkielkraut, sei antisemitisch beschimpft worden, meldete die Presse.
Die FAZ etwa sagte außer „Gelbwesten” gar nichts über die Täter oder deren Motivation, aber würzte das mit Nazierinnerungsmarken wie „Drecksjude“, „Drecksrasse”, Porträts der verstorbenen Ministerin Simone Veil waren mit Hakenkreuzen übermalt worden, „Macron Judenhure“, „Jüdische Sau“. Sie sagten es zwar nicht explizit, aber stellten das so als Nazi-Tat hin.
Der SPIEGEL schrieb es schon etwas vorsichtiger:
Die Gelbwesten scheinen in ein linkes und ein rechtes Lager zu zerfallen. Beide rufen dem Philosophen Alain Finkielkraut antisemitische Schimpfworte nach.
Da heißt es also schon mal Linke und Rechte, beide hätten es getan.
Und weiter:
Doch am Samstag wurde es hässlich, hässlicher als sonst schon ab und an in den vergangenen Monaten: Nicht weit vom Bahnhof Montparnasse in Paris kreuzten Demonstranten in gelben Westen den Weg des Philosophen Alain Finkielkraut, der in diesem Pariser Viertel lebt. Er ist bekannt für seine rechtslastigen Thesen von Überfremdung und Identitätsverlust der Franzosen, die er auf die Aggressivität des radikalen Islam und eine wehrlose Linke zurückführt.
Warum also sollten Rechte Finkielstein beschimpfen, wenn er doch selbst deren Standpunkt und Thesen vertritt?
Das leuchtet mir nicht ein. Jude hin oder her, die würden sich den doch viel eher gerade deshalb als Galionsfigur vorschnallen, um sich des Vorwurfs zu entledigen.
Die Gelbwesten in Montparnasse interessierte das am Samstag nicht. “Faschist, bleib zu Hause!” – “Zionist!”- “Hau ab, wir sind das französische Volk!” So lauteten noch die harmloseren Sprüche, mit denen Demonstranten den Philosophen in eine Seitengasse verjagten.
Würden Rechte einen Juden als „Faschisten” beschimpfen? Kann ich mir nicht vorstellen.
Würden Rechte einen Juden als „Zionisten” beschimpfen? Geht mir auch nicht so richtig rein. Zionismus ist das Ziel eines jüdischen Nationalstaates in Palästina. Warum sollten sich Rechte daran stören? Im Gegenteil müssten sie das doch im Sinne eins „Juden raus” unterstützen, oder nicht? Linke und Palästinenser haben allerdings Grund, jemanden als Zionisten zu beschimpfen.
Schaut man in die Jüdische Allgemeine, dann heißt es da:
Gelbwesten haben nun in Paris den jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut attackiert. Der Angriff galt dem Juden Finkielkraut. »Frankreich gehört uns, du dreckiger Zionist!«, riefen sie. »Das Volk wird dich bestrafen!« […]
Vorsorglich bleibt meine Warnweste an ihrem Platz – im Kofferraum!
Der Autor ist Musiker und langjähriges Mitglied der Linken.
Es steht nicht dabei, wer das gerufen hat. Und wer meint, dass ihm jetzt Frankreich gehört. Das kann man so und so verstehen. Wenn der Autor aber explizit als Linker bezeichnet wird, könnte man daraus eine gewisse linksschonende Sichtweise entnehmen. Und eine gewisse Distanzierung, dass er da nicht mitdemonstrieren will. Es hat so ein Geschäckle von „Da mache ich nicht mit”.
Mich hätte ja nun mal interessiert, was Finkielkraut selbst dazu sagt, als immer nur die Interpretationen anderer zu lesen.
Der französische Philosoph Alain Finkielkraut wurde von Gelbwesten antisemitisch beschimpft. Er sagt, dass der Antisemitismus ein Randproblem wäre, wenn es keine multikulturellen Gesellschaften gäbe. Dafür macht er auch Merkel verantwortlich.
Der Philosoph Alain Finkielkraut, 69, Sohn polnischer Einwanderer und Mitglied der Académie française, empfängt in seiner Wohnung, nah am Jardin du Luxembourg. Ans Telefon geht er nicht mehr, seit er am Samstag auf einer Gelbwesten-Demonstration antisemitisch beleidigt wurde und die Weltpresse ihm die Bude einrennt. Finkielkraut möchte den Europäern die Augen öffnen vor einem neuen Antisemitismus, bei dem sich radikale Linke und Muslime gegen die Juden vereinen.
[…]
Finkielkraut: Man will uns jetzt einreden, dass es sich um ein Wiederaufkeimen alter nationalistischer und antisemitischer Kampfrufe handelt wie „Frankreich gehört uns“, „Frankreich den Franzosen“. Aber derjenige, der das gerufen hat, der Aggressivste von allen, ist ein Salafist. Er hat auf sein Palästinensertuch gezeigt. Wenn so jemand sagt: Frankreich gehört uns, dann heißt das: Frankreich ist dazu bestimmt, islamischer Boden zu werden. Es handelte sich ganz offensichtlich um einen ganz besonders fanatischen Anhänger von der These des Bevölkerungsaustausches.
[…]
Finkielkraut: Natürlich ist es neu. Auch wenn wir es mit recyceltem Antisemitismus zu tun haben. Das sieht man an der obsessiven Assoziation von Macron und Rothschild. Aber meine Angreifer haben mich ganz spontan als Rassisten und Zionisten bezeichnet. Beide Begriffe bedeuten für diese Leute dasselbe. Seit 20 Jahren spricht ein Teil der Intellektuellen von mir in genau diesen Begriffen.
Es wird behauptet, die Gelbwesten seien ein unkultiviertes und frustriertes Volk und somit ein gefundenes Fressen für Wahnvorstellungen, Verschwörungstheorien. Mag sein. Aber diese hassende Menge, die mir entgegentrat, hat in Beleidigungen und Morddrohungen übersetzt, was ich als intellektuelle Exkommunizierung von einem Teil der Linksintellektuellen seit Jahren höre. Ich habe in ihrem Vokabular das der Linksextremen wiedererkannt, nicht das der Rechtsextremen. […]
Die Hassenden sind in der Minderheit, aber sie sind da. Was ich während der Debatten von Nuit debout (linke Protestbewegung, Anm. d. Red.) erlebt habe, war noch schlimmer und noch traumatisierender.
Der intellektuelle Guru der Bewegung, Frédéric Lordon, hat erklärt, nachdem ich angespuckt und vertrieben worden bin, das geschehe mir recht. Schließlich sei ich der berühmteste Vertreter einer rassistischen und identitären Gewalt. Er sprach wie die Gelbwesten. Genau dieselbe Sprache. […]
Ich will nicht die französischen Moslems kritisieren. Ich bin überzeugt, dass eine große Zahl von ihnen in Frieden und auch ihren Glauben in aller Stille leben will. Diese Leute haben nichts gegen Juden. Ich stelle lediglich fest, dass die massive Immigration in Frankreich und anderswo in Europa etwas radikal verändert hat.
WELT: Was genau?
Finkielkraut: Denken Sie nur an die Juden von Malmö. Malmö ist eine „judenreine“ Stadt (Deutsch im Original). Und das nicht, weil die Schweden eines Tages aufgewacht sind und auf einmal Antisemiten waren. In Frankreich hat der Innenminister einmal von der inneren Alija (Exil, Anm. d. Red.) geredet. Das heißt: Die Juden verlassen bestimmte Bezirke und Städte, weil das Leben für sie dort zur Hölle geworden ist. Ich rede nicht von Einzelfällen, sondern von einem massiven Phänomen, das seit Langem bekannt ist.
Als Georges Bensoussan 2002 sein Buch „Die verlorenen Territorien der Republik“ veröffentlichte, sind ihm in den sogenannten Problemvierteln drei Dinge aufgefallen: Sexismus, Antisemitismus und der Hass auf Frankreich. Man muss wissen, dass in bestimmten Bezirken die häufigsten Beleidigungen „dreckiger Jude“ und „dreckiger Franzose“ sind. […]
WELT: Trotzdem verweigern Sie den Vergleich mit den 30er-Jahren, den alle derzeit anbringen. Warum ist er falsch, wo doch so viele Ähnlichkeiten ins Auge fallen: Antisemitismus, Antiparlamentarismus?
Finkielkraut: Weil ich der Überzeugung bin, dass der Antisemitismus in Frankreich und Europa ein Randproblem wäre, wenn unsere Gesellschaften nicht gegen ihren Willen in multikulturelle Gesellschaften umgeformt worden wären. Der beängstigende Populismus ist eine pathologische Reaktion auf dieses Phänomen der demografischen Veränderung.
Europa wollte das nicht. Die Regierungen haben nicht ernst genommen, was die Gesellschaften dachten und empfanden, und müssen das heute teuer bezahlen. Ohne Angela Merkels „Wir schaffen das!“ und die Million Einwanderer, die Deutschland 2015 aufgenommen hat, hätte es keinen Brexit gegeben. […]
Europa ist auch dazu da, die Europäer zu schützen. Wenn Europa nur noch eine Anhäufung von Regeln und Prozeduren ist, dann wird es ein leeres Gebilde, genau das, was Jürgen Habermas vorschwebt. Mit Herrn Habermas werden wir nicht Europa retten.
WELT: Was hätte Merkel machen sollen?
Finkielkraut: Ich weiß es nicht. Aber „Wir schaffen das!“ war einfach Unsinn. Sie sehen es ja selbst: Ihr schafft es nicht. Dieser Mix aus extremem Moralismus und wirtschaftlichen Interessen war abstoßend.
Es gibt da eine enge Verbindung zwischen Islamismus, islamischer Landnahme und Linken, die sich moralisch auf das Feindbild der Rechten und Nazis stützt.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass man die Nazis als fiktives Feindbild geradezu braucht, um sich die Übernahme eines Kontinentes als moralisch geboten einzureden.
Finkielkraut: Hören Sie mit dem Wort „französisch“ auf. Ilan Halimi ist nicht von einem Franzosen getötet worden. Sarah Halimi auch nicht. Genauso wenig Mireille Knoll oder die Kinder in der Thoraschule in Toulouse, die Mohamed Merah ermordet hat. Selbst wenn es eine Art französische Besonderheit gibt, ist diese Besonderheit importiert. Ich bedauere es sehr, dass die radikale und auch die wohlwollende, politisch korrekte Linke das nicht sehen will.
WELT: Mit der Großdemo am Dienstagabend scheint es doch eine Art Erwachen gegeben zu haben?
Finkielkraut: Nein. Die Leute werden wachgerüttelt, weil sie Hakenkreuze auf dem Porträt von Simone Veil sehen und sich sagen können: Das geht wieder los! Und natürlich steht jeder auf gegen den Faschismus. Als Merah, der Attentäter von Toulouse, erschossen wurde, schrieb ein Journalist: „Zum Kotzen, dass es kein Nazi war.“ Das sagt alles. Die Antirassisten wollen Nazis. Sie wollen Faschisten. Wenn sie keine bekommen, sind sie orientierungslos.
Ohne Nazis orientierungslos.
Früher war es üblich, dass man einem niedrig gebildeten Söldnerheer vor der Schlacht die eigene Flagge zeigte (trooping the colour), damit sie in der Schlacht wissen, für und gegen wen sie überhaupt kämpfen sollen. Wir sind die Guten, da ist der Feind.
Ich habe das ja schon häufiger erwähnt, dass man schon mehrfach Linke beim Malen von Hakenkreuzen erwischt hat, und man in den USA festgestellt hat, dass fast alle Hakenkreuze falsch bis völlig unwissend gemalt sind, was Rechte ja wohl kaum passieren sollte. Irgendwo hatte ich das mal im Blog, dass man schätzt, dass 90% der Hakenkreuze nicht von Rechten, sondern von Linken gemalt werden, um das Feindbild aufrecht zu erhalten.
Meine Affäre ist eine Art Kronzeuge dafür: Der moderne Antisemitismus ist keine Spielart des Rassismus, es ist eine Spielart des Antirassismus. Alle Antisemiten heute sind Antirassisten. Sie sprechen im Namen der Menschheit, im Namen aller leidenden Wesen. Und auf diese Weise assoziieren sie den Davidstern mit dem Hakenkreuz.
Das muss man sich mal klarmachen: Der moderne Antisemitismus ist keine Spielart des Rassismus, es ist eine Spielart des Antirassismus. Alle Antisemiten heute sind Antirassisten. Sie sprechen im Namen der Menschheit, im Namen aller leidenden Wesen. Und auf diese Weise assoziieren sie den Davidstern mit dem Hakenkreuz.
Irre. Nicht?
Und auch das habe ich ja schon im Blog geschrieben:
Der beängstigende Populismus ist eine pathologische Reaktion auf dieses Phänomen der demografischen Veränderung. […]
Deshalb wiederhole ich nochmal: Europa ist nicht dazu berufen, eine multikulturelle Gesellschaft zu werden. Alle politischen Parteien sollten die Angst davor endlich zur Kenntnis nehmen, damit sie nicht allein das Spielfeld der demagogischen und gefährlichen Parteien bleibt.
Sag ich ja immer: Es gibt keinen Rechtsruck, sondern eine Linksflucht. Die Leute sind durch die Konfrontation mit Fremden in einem ständigen Stress, weil das Gehirn ständig „feindliche Herde” signalisiert. Ich höre jedem Tag auf dem Weg zur Arbeit und zurück Leute in mindestens einem halben Dutzend Sprachen sprechen, die ich nicht nur nicht verstehe, sondern nicht mal erkenne. Deutsch sprechen höre ich fast niemanden mehr. Zweimal schon haben mich Leute, die mich auf der Straße nach dem Weg fragten, vorher gefragt, ob ich Deutsch spreche. In Berlin. 95 Prozent der Leute, die mich in Berlin nach dem Weg fragen, fragen auf Englisch (oder irgendwas anderes). Man fühlt sich permanent in „Feindesland”, das Hirn ist ständig im Angst-, Flucht- und Verteidigungsmodus. Weil die Utopie der Marxisten und Soziologen einfach falsch ist und nicht funktioniert.
Und sogar die Verbindung zwischen Marxisten und Soziologen erwähnt er:
Europa ist auch dazu da, die Europäer zu schützen. Wenn Europa nur noch eine Anhäufung von Regeln und Prozeduren ist, dann wird es ein leeres Gebilde, genau das, was Jürgen Habermas vorschwebt. Mit Herrn Habermas werden wir nicht Europa retten.
Habermas. Der letzte Gruftie der Frankfurter Schule. Ich finde es immer wieder verblüffend, wieviele Geisterwissenschaftler sich von einem einziger Schwätzer umtreiben lassen. Bei einer Auskunftsklage vor dem Verwaltungsgericht Berlin kamen die Richter mal auf Habermas zu sprechen. Die Leute suchen sich einen Leithammel und rennen ihm blind hinterher. Auch das evolutionär entstandenes Herdenverhalten. Und ausgerechnet die sind nicht in der Lage, dass Gehirn für so eine Mischunion nicht gebaut ist.
Es bleibt die Erkenntnis, dass der Neoantisemitismus links-islamisch ist.
Und dass wir eine ganze Reihe von Demagogen in Politik und Presse haben, deren Aufgabe es ist, zur Ablenkung und Desinformation permanent „Nazi” und „Rassist” zu schreien.