Ansichten eines Informatikers

Giffeys Dissertation

Hadmut
2.4.2019 23:57

Peinlich.

Die Süddeutsche schrieb gestern, 1.4. (aber wohl kein Scherz) in einem „Gastbeitrag” von einem Peter Grottian – laut Wikipedia Sozialwissenschaftler und linker politischer Aktivist und damit in meiner Wertschätzung schon unbekannterweise weit unten – über den Verlauf der Causa Giffey und ihrer Dissertation.

Die Sache ist ausnahmsweise eindeutig. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat eine höchst anfechtbare Doktorarbeit im Fach Politikwissenschaft an der FU Berlin geschrieben.[…]

Wenn Giffey klug ist, sollte sie selbst den Rücktritt von ihrem Amt vollziehen und die FU bitten, die Aberkennung ihres Doktorgrades einzuleiten. Sie hätte Haltung gezeigt und ihre politische Karriere vor weiterem Schaden bewahrt. In den Medien wäre der Fall in drei Tagen erledigt.

Erstens ist Giffey nicht klug, sondern Quotenförderum. Die nehmen, was sie kriegen.

Zweitens mag es zwar zutreffend, aber nicht zu billigen sein, dass die Sache in den Medien in drei Tagen erledigt wäre. Denn sich so in ein Amt reinzubescheißen darf nicht nach drei Tagen erledigt sein.

Auch wenn das Vorgehen der Plagiatsjäger detailversessen und zuweilen kleinkariert wirkt, belegt es doch, dass Giffey vom Handwerk wissenschaftlichen Arbeitens nur einen blassen Schimmer hat.

Ja. Aber wie kommt er dann zu „wenn sie klug ist…”?

Fragen wir mal andersherum: Wie kommt eine Franziska Giffey, die von wissenschaftlichem Arbeiten nur einen blassen Schimmer hat, auch nur entfernt auf den Gedanken, dass ausgerechnet sie wüsste, wie diese Gesellschaft zu führen und regieren wäre?

Wie kann es überhaupt passieren, dass jede Menge Leute, die keine Dissertation zustande bringen, über Wohl und Zukunft, Gesetze und Steuern entscheiden?

Vor lauter Details aber übersieht Vroniplag Wiki das eigentliche Problem: Giffey beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der Beteiligung der Zivilgesellschaft an der EU-Politik am Beispiel von Berlin-Neukölln. Als damalige Europabeauftragte von Neukölln schrieb sie damit direkt und indirekt über sich selbst. Das kann mangelnde wissenschaftliche Distanz nach sich ziehen. Giffey gelingt es nicht, diese Vorbehalte auszuräumen; eine ausreichende Reflexion über die Fallstudie, die den Kern ihrer empirischen Arbeit bildet, liefert sie nicht.

Das ist das generelle Problem aller linken Dünnbrettbohrer: Dass sie überhaupt nicht in der Lage sind, irgendetwas zu untersuchen und beobachten, sondern immer nur über sich selbst schreiben. Deshalb sind – „Südpol” – Menstruation und andere Ausscheidungen am unteren Ende Dauerthema von Feministinnen. Was soll man auch sonst schreiben, wenn man a) nicht in der Lage ist, über irgendetwas anderes als sich selbst zu schreiben und b) selbst auch nichts zu bieten hat, was eine Darstellung abgeben könnte? Dann bleibt nichts anderes, als über das zu schreiben, was unten ohne Zutun irgendwie rausläuft. Dass Giffey dann auch nur daran kleben bleibt, über sich selbst zu schreiben, dürfte in dieses Bild recht gut passen.

Warum man mit so etwas promovieren kann, und ob das überhaupt jemand gelesen haben kann, wäre die Frage.

Guido Westerwelles Doktorarbeit über den eigenen Aufbau der “Jungen Liberalen” haben die Uni-Gremien auch passieren lassen, in der Doktorarbeit von Norbert Lammert vermischt sich die Analyse über die CDU mit dem Akteur Lammert. Giffey aber schreibt nicht über einen Prozess, dessen Teil sie ist, sondern nur über ihre Arbeit. Das geht zu weit.

Wäre nicht eher mal die Frage, was denn überhaupt eine Dissertation in Geisteswissenschaften eigentlich sein soll?

Denn fast alles, was ich bisher in den letzten 20 Jahren in die Finger bekommen habe, hat mit einer Dissertation überhaupt nichts zu tun. Entweder ganz unwissenschaftlich, oder – bestenfalls – Anwendung des im Studium gelernten. Das aber wäre höchstens Diplom- oder Masterarbeit. Es ist kein Beitrag zum Stand der Wissenschaft, da ist keine neue Methodik. Über den Fall der Giffey hinaus müsste man also erst mal fragen, was eine Dissertation überhaupt leisten muss, und warum praktisch kein Professor der Geisteswissenschaft in der Lage ist, das festzustellen (oder das Fehlen festzustellen).

Hier kommt die Unverantwortlichkeit der Betreuerin von Giffeys Doktorarbeit ins Spiel, einer ausgewiesenen Europaspezialistin und Co-Sprecherin eines FU-Exzellenzclusters. Sie hätte die Probleme erkennen und Giffey helfen müssen, die Doktorarbeit auf ein Feld zu konzentrieren, wo Wissenschaft und Eigennutz nicht kollidieren. Das wäre ein Leichtes gewesen.

Nein. Betreuerin und Fakultät hätten so etwas erst gar nicht als Thema annehmen dürfen.

Wenn man aber schon Frau und Betreuerin liest, dann ist längst klar, dass das eine feministische Förderpromotion war und es überhaupt keine Rolle spielte, was darin steht. Die Fakultätsbibliotheken sind voll von solchem Fördermüll, gekreuzt mit der notorischen Unwissenschaftlichkeit der Geisteswissenschaften.

Man darf gespannt auf die auswärtigen Gutachten sein, die der FU-Präsident mutmaßlich zur Aufklärung in Auftrag geben muss. Ich bin kein Europa-, aber ein Bürokratie- und Partizipationsspezialist und wage die Prognose, dass sich die Gutachter dem Magna cum laude für Giffey nicht anschließen.

Ach, das habe ich ja vor 15 Jahren mal untersucht: Externe Gutachter schreiben gerne, was man bei ihnen bestellt, und zwar bevor sie die Dissertation gesehen haben. Insbesondere beim heutigen politischen Druck.

Aber auch die Universitäten als Ganzes haben nach allen diesen Fällen geschlampt. Und noch immer hat die Hochschulrektorenkonferenz keinen Überblick darüber, welche Unis ihre Promotionsordnungen überarbeitet haben und welche nicht.

Die seit 2008 geltende Promotionsordnung für Politik- und Sozialwissenschaften an der FU braucht eine solche Überarbeitung dringend. Vor allem muss die Monopolstellung des Erstbetreuers beschnitten werden. Der Erstbetreuer, so er Reputation genießt, bestimmt fast alles. Er wird zu einem Zweitgutachter raten, der ungefähr auf seiner Linie liegt. Er wird raten, die Promotionskommission so zusammenzusetzen (fünf Professoren, ein Promovierter aus dem Mittelbau), dass nichts “anbrennt”. Sind dann Erst- und Zweitgutachter über die Bewertung und die Note weitgehend einig, ist das Verfahren gelaufen. Die drei anderen Hochschullehrer haben die Dissertation meist nur “angelesen”.

Genau so läuft es doch schon lange, schon immer, so ist das doch politisch gewollt. So ist bei uns die Promotion von Anfang an gewesen, und genau das ist ja der Grund, warum man die Habilitation brauchte, weil die Promotion vor lauter Korruption wert- und aussagelos wurde.

Wie aber will man das verbessern, wenn die Politik das so haben will und wir längst reihenweise Fakultäten haben, an denen kein einziger Professor mehr in der Lage ist, wissenschaftlich zu arbeiten, gar es zu lehren oder abzuprüfen?

Es ist ja nicht einfach nur Giffey. Es ist ja, dass die Universitäten im Ganzen so verblödet sind. Das ist ja längst der Allgemeinzustand. Es ist ja nicht mehr zu verbessern, weil das in einem Dummheits-Dead-Lock gefangen ist.

Mit der Erfahrung von etwa 100 Promotionen, die ich als Erst- und Zweitgutachter sowie Mitglied der Promotionskommission begleitet habe, kann ich zumindest für die Politikwissenschaft/Soziologie an der FU sagen: Das Spektrum der Betreuung ist von exzellent bis zu völligem Desinteresse sehr breit. Die Kartei der”Promotionsleichen”, die auch nach vier bis sechs Jahren nicht zu Potte kommen, ist riesengroß. Und das liegt nicht selten an den Betreuern – in welchem Maße Promovenden und Promovendinnen von ihnen abhängig sind, kann man kaum unterschätzen.

Am unteren Ende stimme ich dem zu.

Am oberen Ende nicht. Der mag sich selbst und manche andere für „exzellent” halten, und doch wette ich, dass die allesamt nicht wissen, was Aufgaben und Pflichten eines Prüfers sind und worauf es bei einer Dissertation – eigentlich – ankommt. „Exzellent” ist immer eine Frage des Blickwinkels, ob man es von oben oder von unten ansieht.

Fazit: Der Erstbetreuer ist dringend zu entmachten. Zumindest ein auswärtiger Gutachter, der die Arbeit sachverständig beurteilen sollte, wäre zu wünschen. Wäre nur eine Kollegin oder ein Kollege mit wirklicher Fachkompetenz für Europa und Partizipation der Kommunen an EU-Entscheidungsprozessen zu Rate gezogen worden, hätte die Arbeit von Giffey vielleicht eine andere Ausrichtung erfahren – oder sie wäre nicht geschrieben worden.

Die Entmachtung des Erstbetreuers hätte mich damals gerettet. Aber in den 20 Jahren haben ich mehr als deutlich gesehen, dass man das nicht will, weil sie das Mittel zur Korruption ist, die politisch vorgegeben und gewollt ist, besonders in den Sozialwissenschaften, weil die nunmal der Hauslieferant der Politik für Fake-Promotionen sind – und weil sie nicht (mehr) mehr können.

Die Universitäten sind gefordert, wollen sie nicht ihre eigene Reputation fahrlässig verspielen. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Peter-André Alt, der gerade eine Skizze der neuen Universität gefordert hat, muss das Thema Promotionen dringend auf die Tagesordnung setzen.

Die Universitäten haben gar keine Reputation mehr, die sie noch verspielen könnten, da ist nicht mehr viel nach unten.

Und man will das Thema auch nicht klären.

Und eine Hoffnung in den Präsidenten einer Hochschulrektorenkonferenz zu setzen, ist nicht nur sachlich verfehlt, weil man ja schon einen derer, die da völlig korrupt vorgingen, zum Präsidenten gemacht hatte, sondern auch weil es rechtlich verfehlt ist.

Oder anders gesagt: Wer das auf der Tagesordnung eines Präsidenten einer Hochschulrektorenkonferenz sieht, der hat schon ganz grundsätzlich etwas nicht verstanden.

Demnächst mehr dazu.