Ansichten eines Informatikers

Die angeblich zu schweren Abi-Matheaufgaben

Hadmut
6.5.2019 22:00

Ich fass’ es nicht. [Nachtrag]

Groß ist das Geschrei um Mathe-Aufgaben in Bayern, Online-Petitionen und und und.

Geradezu erschreckt hat mich, was FOCUS da berichtete:

In der Vorbereitung aufs Abi rechnen wir mit den Lehrern die Prüfungen der letzten Jahre durch, da man bestimmte Rechenvorgänge und Prüfungsmuster so verinnerlichen kann. Das Matheabi 2019 war aber überhaupt nicht vergleichbar mit den letzten Jahren. Die Prüfung war deutlich anspruchsvoller.” Auch viele Lehrer, die in der Prüfung Aufsicht hatten und die Aufgaben verteilten, hätten ob der Abitur-Anforderungen geschluckt.

Vor allem in Geometrie und der Stochastik sei jeweils der “Teil B” sehr schwer gewesen. Die Schüler rechnen nun mit einer schlechten Punktzahl – und wehren sich.

Da habe ich schon gedachte, liebe Zeit, können die denn gar nichts mehr? Wenn die nur noch Rechenvorgänge und Prüfungsmuster auswendig lernen und abspulen, und dann die dann wiederholen, aber nicht selbständig einen Rechenweg finden und erarbeiten können, dann haben die meines Erachtens einfach gar nichts gelernt.

Ich kenne das aus meiner Schulzeit und aus meinem Studium gar nicht anders (bis auf eine Scheinklausur in Stochastik, die man wirklich nach Schema F auswendig lernen konnte, und die ich nach dem ersten Semester probeweise mitgeschrieben habe ohne die Vorlesung gehört zu haben, weil man Scheinklausuren beliebig oft wiederholen konnte und es nur „bestanden” , aber keine Note gab, um mal zu sehen, wie Klausuren an der Uni ablaufen, und die dann zwei Stunden Vorbereitung aus Versehen bestanden habe), als dass man mit Aufgabentypen konfrontiert wird, die man noch nie gesehen hat, weil es zu unserer Zeit keine Faselaufgaben gab. Bei uns ging es nie darum, das Textgeblubber zu verstehen, normalerweise enthielten die Aufgaben außer „Sei …” und „Berechnen sie” oder „Beweisen Sie” gar keinen Text.

Nun hatte ich mir aber vorgenommen, mich dazu nicht zu äußern, bevor ich nicht die Aufgaben gesehen habe.

Nun twittert einer die Aufgaben:

Ist das überhaupt echt?

Mir erscheinen die Aufgaben für ein Matheabitur eher zu einfach.

Ich schribbel es mal auf die schnelle ohne Kontrolle auf Schreibfehler usw. runter, mir geht’s nur um die Lösungsidee.

1a) 25 Mal zufällige Probe mit Merkmal X mit Wahrscheinlichkeit 1/6. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, das höchstens einer das Merkmal X erfüllt?

Lösung: Wahrscheinlichkeit dass keiner plus Warscheinklichkeit dass genau einer.

Keiner: (5/6)25

Genau einer: Wahrscheinlichkeit dass es der erste ist plus für den zweiten plus für den dritten, also 25 Mal Wahrscheinlichkeit, dass es genau der erste ist.
Die ist 1/6 * (5/6)24, also insgesamt 25 * 1/6 * (5/6)24

Lösung: (5/6)25 + 25 * 1/6 * (5/6)24

1b) Ich weiß nicht mehr auswendig, was B() meint, aber die werden es gelernt haben. Riecht nach: 25 Stichproben, Wahrscheinlichkeit, dass es zwischen 5 und 8 Lebkuchenherzen sind.

1c) Weiß ich jetzt nicht mehr auswendig, habe auch keine Formelsammlung zur hand, ist bei mir 32 Jahre her. Da gibt’s die Formel zur Standardabweichung,

2) Losbude: Wenn ein Los 1 Euro kostet und im Mittel ein Gewinn von 35 Cent anfallen soll, heißt das, dass die ausgezahlten Gewinne im Mittel 65 Cent kosten müssen.

Die Lose seien D, M, L, D = 8 (euro) , M = 2 Euro und L = 0,20 Euro, die relativen Anteile bzw. Trefferwahrscheinlichkeiten seinen d, m, l.

Gleichung= d*8 + m * 2 + l * 0,2 = 0,65.

Außerdem m = 4*d ,
und weil d + m + l = 1 gilt l = 1 – d -m und l = 1 – d – 4d = 1-5d

also d*8euro + 4*d*2euro + (1-5d)* 0.2euro = 0.65euro (einheit euro rauskürzen)
d*16 + 0.2 – d = 0.65 oder d = (0.65-0.2)/15 = 0.03

Geometrie:

a) Länge Bohrkanal: AP + PQ
AP= 1 ,
PQ = Länge Vektor, wurzel aus ( 12 + 12 + 2.52 )

b) Winkel PQ: Abstand zur Senkrechten = Wurzel aus 2. Projektion auf die Senkrechte 2,5.
Winkel ArcusTangens daraus

c) Normalenform: Kriege ich nicht mehr ganz auf Anhieb hin. Der Vektor QP ist -1 | -1 | 2.5, daraus die Ebenengleichung, dann hat man die beiden Vektoren der Ebene, und das noch relativ zum Nullpunkt verschieben.

d) 3600 m unter der Erdoberfläche heißt 2600m unterhalb von PUnkt P. Die Länge von PQ haben wir oben schon berechnet, die Projektino auf die Senkrechte ist 2.5, also 2500 Meter. Wir müssen also die Koordinaten von PQ mit 26/25 multiplizieren und zu AP addieren, um auf R zu kommen. Dicke ist gleich Differenz zwischen PQ und PR.

e) Wenn unabhängig von T der Eintritt in die Schicht immer auf der gleichen Tiefe erfolgt, weiß man schon ohne Rechnen, dass die Gerade der möglichen Bohrlöcher an der Oberfläche genau quer nur Neigung der Fläche verläuft. Weil man oben schon die Normalform der Fläche berechnet hat, kann man das leicht zeigen, indem man das anhand der Normalenvektoren darstellt (einer müsste günstigerweise genau parallel verlaufen)

Schaut man sich PQ an, also 1|1|-2,5, und weiß aus der Aufgabe, dass die Ebene E senkrecht dazu steht, springt es einen eigentlich direkt an, das sie Gerade der möglichen zweiten Bohrlöcher t|-t|0 entlang einer Linie quer zur Ebene verlaufen.

f) Man solle entscheiden, ob jeder mögliche Bohreintritt mindestens 1500 Meter vom ersten Bohreintritt entfernt ist.

Dazu verwendet man den anderen Normalenvektor der Ebene, die man oben berechnet hat, und berechnet damit, wie lange die Entfernung zwischen Punkt Q und dem Schnittpunkt der Ebene der Achse ist. Das ist der kürzeste Abstand. Müsste man jetzt ausrechnen. Weil Q von der Achse sqrt(2) weit entfernt ist, also 1414 Meter, könnte das reichen, aber man muss den normalenvektor verwendne und die Länge ausrechnen.

Also dafür, dass ich sowas vor 30 bis 35 Jahren zum letzten Mal gemacht habe, und ich gerade vor dem Fernseher sitze, erscheinen mir die Aufgaben ziemlich einfach. Selbst wenn ich jetzt irgendwo einen Fehler drin haben sollte, weil nicht kontrollgelesen und schnell runtergeschribbelt, das drängt sich irgendwie alles auf, bis auf die Formel der Standardabweichung, die ich jetzt nachschauen müsste.

Nach meiner Erinnerung haben wir sowas in der Mittelstufe gemacht, in der Oberstufe kamen bei uns Analysis und Algebra dran, war aber Leistungskurs.

Also mir erscheinen diese Aufgaben, falls der Tweet überhaupt echt ist. sogar ziemlich simpel. Da ist außer bei der Standardabweichung und dass ich mir nochmal überlegen müsste, wie man die Senkrechten für die Normalform der Ebene ausrechnet, was ich jetzt nicht ohne Nachdenken und ohne den Fernseher dabei auszuschalten kann, also ziemlich simpel.

Unsere Abi-Aufgaben damals habe ich zwar nicht mehr in Erinnerung, aber sie waren deutlich schwerer. Wir haben Kurvendiskussion und Ableitungen, Integrale und sowas gerechnet.

Wenn sich Leute da wie die Schülerin auf FOCUS beschweren, dass sie damit überfordert sind, weil das vorher so nicht geübt wurde, dann muss ich sagen:

Sorry, aber dann könnt ihr einfach nicht genug Mathematik, um die allgemeine Hochschulreife zu haben. Die allgemeine Hochschulreife soll zu allen Studiengängen befähigen, und für die technischen Fächer muss man einfach mehr als das können.

Nachtrag: Wer an solchen Aufgaben scheitert, der sollte auch freitags lieber zur Schule gehen als für das Klima zu demonstrieren. Wer das nicht schafft, der kann sich Schule schwänzen ganz sicher nicht leisten.