Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt
Oder: Wie man eine andere Stadt besichtigt als beabsichtigt.
Ich hatt doch neulich berichtet, dass ich mich nach Flügen nach New York umgesehen hatte, mir die aber zu teuer und die Berechnungsgrundlage zu dubios waren, und ich deshalb davon Abstand genommen hatte.
Danach schickten mir einige Leser naseweise, besserwisserische Mails des Inhaltes, dass ich keine Ahnung hätte, das ginge doch auch billiger, wenn man richtig an die Sache heranginge, und gaben mir linkische Spartipps.
Nun, dachte ich, dann probieren wir’s, dann wissen wir’s.
Also, lautete das Projekt, eine Woche New York auf die günstige Methode.
Dummerweise waren die Flüge nach New York im Juni zusehens ausgebucht, ein Flug nach dem anderen wurde als ausgebucht angezeigt. Juni ist Hauptsaison in New York und Pfingsten reisen die Deutschen wie bekloppt. Wie also kommt man zu Pfingsten von Berlin nach New York?
Erstaunlicherweise hatte ausgerechnet der günstigste Anbieter, in diesem Fall Finnair, noch einen halbwegs passenden Flug. Hatte aber mit Finnair nichts zu tun. Wurde von American Airlines durchgeführt.
Der Flug hat einen Haken: Es ist kein Direktflug. Sie fliegen mit Zwischenstop über Philadelphia.
Nun sind zwar Flüge von Berlin nach New York ohnehin kaum als Direktflüge zu haben, die sind fast immer mit Umsteigen (deshalb wollte man ja eigentlich den BER als internationalen Flughafen haben). Aber in diesem Fall sollte auf dem Hinflug die Umsteigezeit in Philadelphia geschlagene 8 Stunden dauern. 8 Stunden rumsitzen an einem drögen Flughafen.
Nun, so dachte ich mir weiter, das macht ja gar nichts, denn schließlich bin ich genial. In den Einreisebestimmungen war nämlich zu lesen, dass man das Gepäck in solchen Fällen (wie auch in manchen anderen Ländern) nicht durch-einchecken kann, sondern nach dem internationalen Flug zunächst vom Gepäckband abholen, damit durch den Zoll, und es dann wieder einchecken. Ich komme also zwischendrin an mein Gepäck.
Von Philadephia nämlich fahren Fernbusse verschiedener Anbieter nach New York. Einer davon hält zufällig 200 Meter von meiner Unterkunft entfernt. Dauert 2 Stunden, mit Anfahrt vom Flughafen zur Abfahrtstelle 3 Stunden. Damit hätte ich nicht nur insgesamt etwa 6 Stunden (etwas Pufferzeit eingerechnet, falls der Flug Verspätung hat oder die Einreise länger dauert) gespart, sondern auch noch Geld, denn verblüffenderweise sind der Zug (nach unseren Maßstäben zwischen S-Bahn und Regionalzug) vom Flughafen Philadelphia in die Innenstadt und der Bus von Philadelphia Innenstadt nach Manhatten billiger als der günstigste Shuttle-Anbieter mit der Fahrt vom New Yorker Flughafen (La Guardia) nach Manhattan. Sollte man nicht für möglich halten. Man spart Geld, indem man einen gebuchten und bezahlten Flug einfach sausen lässt, und ist auch noch viel früher am Ziel.
Also, dachte ich mir, genial wie ich bin, schnappst Dir Dein Gepäck, fährst mit dem Zug in die Innenstadt, steigst in den Bus, Ticket ist schon gekauf, sparst Zeit und Geld.
Aber, ach.
In einem Anfall von Selbstzweifel hatte ich bei der Fluggesellschaft noch nachgefragt, ob sich meinem genialen Plan irgendein Hindernis entgegenstellen könnte.
Die Ernüchterung folgte prompt.
Also, möglich wär’s schon, meinten sie. Aber genial sei es nicht. Denn ich hätte mit derselben Buchung auch den Rückflug gebucht. Und würde ich irgendeinen Teil der Reise nicht antreten, würde der Buchungscomputer automatisch den gesamten Rest der Reise stornieren, weil er annähme, ich hätte keine Lust mehr. Ich könnte das zwar so machen, wie ich das vorhätte, aber den Rückflug nach Deutschland könnte ich mir dann abschminken.
Grmpfz.
Dass die Busfahrkarte damit hinfällig ist, damit könnte ich leben. Die war nicht so teuer. Aber 8 Stunden in dem stinklangweiligen Terminal rumhängen?
Mmmh. 8 Stunden lang Power-Bloggen?
Oder einfach so nach Philadelphia reinfahren?
Mir kamen da gewisse Zweifel, denn die Sicherheitsmaßnahmen waren da enorm, und man wurde praktisch von der Ankunft direkt in das Abflugterminal durchgeschoben und das dann auf der Bordkarte vermerkt und die Bordkarte registriert. Würde ich einen Sicherheitsalarm auslösen und festgenommen werden, wenn ich mit derselben Bordkarte das Terminal ein zweites Mal betreten würde? Wenn deren Computer doch sonst auf alle Abweichungen achten?
Ich fragte dann also jemanden vom Personal, ob man das könne oder ob man da 8 Stunden rumsitzen müsse.
Er gratulierte mir.
Natürlich könnte man raus und wieder rein, und wenn man so viel Wartezeit hat, dann müsste man einfach in die Innenstadt zur Sehenswürdigkeit Liberty Bell und den Sehenswürdigkeiten (an einem Haus steht, dass Jefferson da die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet habe), und es sei allerschönstes Wetter. Besser könne man einen Sonntag Nachmittag gar nicht verbringen.
Na, Prima.
Ich also in eben jenen Zug, mit dem ich eigentlich vorgehabt hatte, zum Bus nach New York zu fahren, und zur Liberty Bell, der Freheitsglocke.
Ich staune. Abgesehen davon, dass hier die Reinigungsmaschinen gerade die Reste irgendeiner Straßenparade auffegen und jede Menge Leute, fast nur Frauen, in Regenbogenfarben und äußerst knapper, meistens arschfreier und nicht selten durchsichtiger Kleidung rumlaufen, schöne neue Museumsgebäude. Komisch. Ich war 1999 schon mal kurz hier, aber an die könnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern, das sah doch ganz anders aus. Es stellt sich heraus, dass sie 2003 gebaut worden waren. Schon interessant, schon schön, aber doch nicht allzuviel. Die amerikanische Geschichte ist sehr bedeutsam, aber nicht sehr lang, und so rein inhaltlich gesehen ist jetzt auch nicht so wahnsinnig viel passiert. Das, was sie haben, feiern sie sehr ausgiebig und pathetisch. Aber sehenswert ist es.
Und so kam es, dass aus dem vermeintlichen Manko, 8 Stunden Umsteigezeit zu haben, sich ein unerwartet schöner Nachmittagsausflug nach Philly ergab und sich mein Vorhaben, die Wartezeit durch den Fernbus abzukürzen, als törichtes Unterfangen herausstellte.
Abends dann wie gebucht mit dem Anschlussflug von Philadelphia nach New York La Guardia.
Was eine lächerliche Angelegenheit ist, weil die Entfernung viel zu kurz ist um zu fliegen. Der Flieger erreicht gerade mal 7000 Fuß, und geht direkt vom Steigflug in den Landeanflug über. Die eigentliche Flugzeit beträgt denn auch kaum mehr als 20 Minuten. Ich wollte eigentlich diesen Blog-Artikel, den ich in Philadelphia angefangen hatte, im Flieger fertigschreiben, habe aber in der Zeit, ab der elektronisch Geräte erlaubt waren bis man sie wieder abschalten musste, gerade mal drei Sätze geschrieben.
Der Flughafen selbst ist – karg.
Der Flug kam zwar einigermaßen pünktlich um 22:05 an, aber nach 10 Uhr abends ist hier im Flughafen nur noch sehr wenig los. Obwohl es nur eine winzige Maschine war, brauchten sie über eine halbe Stunde, um das spärliche Gepäck auszuladen.
Nur: Meine Tasche war nicht dabei.
Ich bin schon der letzte Passagier im Ankunftsbereich, alle anderen schon weg, sogar die Taxifahrer.
Ich gehe zum Gepäckstelle und frage nach. Sie geben die Nummer ein und bescheiden mir, dass meine Tasche am „Caroussel E” angekommen sei.
Ach. Ich hatte bei B gestanden. Ich war mir aber sicher, dass auf den Anzeigetafeln und am Gepäckband stand, dass mein Flug auf B ausgeladen werde. Das mag sein, meinten sie, aber es ändere nichts daran, dass meine Tasche am Band E stehe. Ich also zu Band E.
An Band E steht mein Flug zwar nicht auf der Liste, aber dafür meine Tasche einsam herum. Warum sie fälschlich auf Band E herauskam? Und woher sie das wussten, wenn es doch falsch war? Und woher ich das hätte wissen sollen? Fragen über Fragen.
Egal. Ich bin vollständig am Flughafen in New York.
Und habe SuperShuttle gebucht. Man soll am Servicetelefon die 29 anrufen, sobald man angekommen sei und sein Gepäck habe. Mache ich.
Nun, sagen sie, die Sache sei die. Sie hätten um diese Zeit keine Fahrer mehr bereit. Die seien in der Stadt unterwegs. Ich müsste mindestens eine Stunde warten.
*Gähn*
Es ist spät abends, ich bin hundemüde und haben obendrauf 6 Stunden JetLag.
Ich soll im Ankunftsbereich warten, meinen sie. Es stellt sich aber heraus, dass das nicht geht, weil es da keinen einzigen Sitz oder Stuhl oder sowas gibt. Man kann sich schlicht nirgends setzen, weil man nicht will, dass sich da jemand setzt. Mindestens eine Stunde rumstehen?
Die Fahrt vom Flughafen innerhalb New Yorks ist nicht nur teurer als die Fahrt von Philadelphia, sie dauert auch länger. Jedenfalls abends.
Nach längerer Suche findet sich hier noch eine Ecke an einem Foodcourt, in man sich setzen kann und Strom bekommt, aber das Internet geht leider gerade nicht.
Und es dauert … und es dauert … So nachts um halb eins rufe ich dort nochmal an.
Stellt sich heraus: Die von Supershuttle haben gar keinen Fahrer (mehr). Vor zwei Stunden hatte die mir noch erzählt, dass alle Fahrer unterwegs wären, und der nächste frühestens in einer Stunde wieder da sei. Jetzt heißt es, sie haben gar keinen mehr, der nächste käme um 3:15.
Ich werde sauer.
Und sage ziemlich deutlich, was ich davon halte. Nämlich dass ich es für Betrug halte.
Die verkaufen eine Leistung, die sie nicht oder nur dann, wenn es sich lohnt, anbieten. Um die Zeit ist der Flughafen nämlich schon so gut wie tot und leer, und da wäre ich wohl der einzige Passagier gewesen. Und dann legen sie drauf, weil sie ja auch selbst schreiben, dass ihre Kalkulation darauf beruht, viele Gäste mitzunehmen.
Anstatt aber gleich zuzugeben, dass sie einen nicht mitnehmen können oder wollen, erzählen sie einem einen vom Pferd, erst dass es eine Stunde dauert, um dann nach zwei Stunden zuzugeben, dass sie keinen Fahrer haben. Die hatten offenbar drauf spekuliert, dass ich aufgebe und von selbst einen anderen Dienst nutze.
Und der Gipfel der Frechheit: Er bietet mir als Kulanz an, mir den gezahlten Betrag zurückzuerstatten. Wohl, weil die Sache erledigt ist, wenn man ja sagt. Dabei war der Betrag schon deutlich höher als beworben, weil da urplötzlich noch Stauzulage und noch irgendwas und Trinkgeld und so draufkam, wovon vorher nicht die Rede war. Das schreiben die dann einfach auf die Rechnung und statt der versprochenen ca. 16 $ ist man dann bei 24 oder so.
In meinen Augen Betrug.
Ich finde noch jemanden, den ich etwas fragen kann. Nämlich wie ich zur Unterkunft komme. Um diese Uhrzeit nur noch per Taxi oder Uber. Taxi aber ist auch nicht einfach, dazu muss man erst mit einem Shuttle zum Taxistand fahren. Also probiere ich Uber und gehe zu dem Typ vom Uber-Stand. Der erklärt mir, dass er mir nicht helfen kann, weil bei denen alles nur über die App geht. Ohne Handy geht gar nichts. Also installiere ich die Uber-App und Oh-Wunder, innerhalb von Sekunden meldet sich ein Fahrer, steht im Parkhaus nebenan. Fährt sofort los. Gegen halb zwei (um 5 aufgestanden plus 6 Stunden Jetlag) komme ich in der Unterkunft an.
Das ist etwas, was ich von Amerika kenne und was ich gar nicht mag: Dass es da diese üblen Geschäftspraktiken des Abzockens gibt. Machen sie Reibach, dann machen sie es. Machen sie keinen, ist der Kunde der Dumme.