Frozen
Am Broadway kommt man in New York eigentlich nicht vorbei.
Sagte man früher mal. Mittlerweile finde ich die Musicals nicht mehr so toll wie vor 20 Jahren, als ich 1999 schon mal da war. Eigentlich gibt es nur zwei Musicals, die ich wirklich top finde, nämlich den Kleinen Horrorladen und Chicago. Ersteres wird nicht mehr gespielt, Letzteres habe ich schon zweimal in London gesehen.
Weil ich heute aber länger in der Bronx war als vorher gedacht, kam ich da erst so am späten Nachmittag/frühen Abend wieder zurück, stand an der Grand Central Station und überlegte, was man tun könnte. Weil mir dort gerade nichts einfiel nahm ich mal die U-Bahn „shuttle”, die direkt ohne Zwischenstop zum Times Square fährt. Um mal zu schauen, was dort an verbilligten Musical-Karten zu haben ist. Hat mich erst gar nicht angemacht, aber dann bin ich beim Weitergehen am Musical-Theater von Frozen vorbeigekommen, der Musical-Versingung des Disney-Films von 2013.
Ach, was soll’s, dachte ich mir, man ist ja nur einmal in New York, und beim letzten New York-Besuch haben mir die Musicals auch gefallen. Bin zurück an den Times Square und habe mir unter den verbilligten Restkarten eine für Frozen gekauft. Irgendwas erzählte die mir da von Sitzreihen, habe ich aber durch deren Plärrsprechanlage nicht richtig verstanden und ohne Saalplan nutzt einem das auch nicht viel, wenn die einem Reihe X Platz Y an den Kopf wirft. Ich habe es einfach mal blind genommen, $72 gezahlt und dann im Theater verblüfft festgestellt, dass ich einen der besten Plätze im ganzen Theater hatte: Empore, vorderste Reihe, leicht links der Mitte, perfekter, komplett freier, unverstellter, bester Blick aus geringer Entfernung von leicht oben.
Man sollte sich aber bewusst sein, dass das nun ein Musical auch für Kinder ist und deshalb auch viele Kinder im Publikum sitzen.
Die Story und die Witze
Mein Problem, was ich mit diesen Musicals immer habe: Ich verstehe kaum, was die da singen und sagen. Ich könnte mich mit den Leuten ganz normal unterhalten und tue das ja auch ständig und mit jedem, aber unter Musicalgesangsbedingungen tue ich mir verdammt schwer, den Text zu verstehen. Das mag verschiedene Gründe haben. Einer, dass mein Englisch auch nicht so gut ist, dass ich mit geringem Rauschabstand klarkomme. Dann, weil mir ein Tinnitus einen Frequenzbereich stört. Und weil in diesen Musicals sehr viel eben kultur- und kontextabhängig ist, die machen da viele Anspielungen. Sie haben ein paar Witze gemacht, bei denen das Publikum gelacht hat, und die ich nicht verstanden habe. Und der Story hätte ich auch nicht folgen können, wenn ich den Film nicht irgendwann mal gesehen und noch so entfernt in Erinnerung gehabt hätte. (Das ging mir aber auch vor 20 Jahren schon so, ich war 1999 schon mal hier und damals in Annie get your gun und Cats. Bei Annie get your gun habe ich auch nur wenige der vielen Witze verstanden. Und bei Cats kam ich raus und dachte, ich habe von der Story nun wirklich gar nichts verstanden. Was haben die da jetzt eigentlich gemacht? Ich habe mir dann die DVD auf deutsch gekauft und konsterniert festgestellt, dass es keine Story gibt, sie machen gar nichts außer zu singen.)
Hier ist es ratsam, den Film gesehen zu haben, damit man weiß, was es mit Anna und Elsa auf sich hat.
Was ich so auch noch nicht gesehen habe: Weil’s ja irgendwo im europäischen Norden spielt, kommt eine Sauna drin vor. Und obwohl prüde USA und Kinder gibt es eine Szene, in der die ganze Chor-Besatzung nackt und albern aus der Sauna kommt und singend über die Bühne hüpft, jeder mit Zweig mit Blättern, vordergründig um sich nach nordischer Sitte damit zu schlagen, faktisch und die eigenen Preziosen oder die des Nachbarn abzudecken. Schaut man aber sehr genau hin, dann sieht man die Nähte und selten auch die Falten der Trikots, die sie tragen, faktisch sind sie nämlich zwar transparent, aber doch komplett angezogen, wie so ein Body-Suit, und an den heiklen Stellen sind die dann eben doch nicht durchsichtig, aber so, dass man den Übergang nicht sieht. Aber 20 (Pseudo-)Nackte, die albern auf der Bühne rumhüpfen und sich mit Zweigen schlagen, das hatte ich jetzt auch noch nicht. Das Publikum johlte.
Der Gesang
„Let it go” am Ende der ersten Hälfte. Den hat die um Meilen besser gesungen als die Disney-Film-Version, das war so richtig das Highlight. Allerdings haben sie dann am Ende der zweiten Hälfte kein ebenbürtiges Finale hinbekommen, womit man mit dem Eindruck des Highlights in die Pause (und zu den Verkaufsständen) geht. Ich will das aber nicht schmälern, das war wirklich richtig gut, zumal das eigentliche Lob ja erst unten kommt.
Das Bühnenbild
Kurz gesagt: Hat mich begeistert.
Nicht nur, weil es richtig schön und einfallsreich gemacht war und sie enorm viele verschiedene Szenen zeigen konnten, sondern auch technisch. Eine Trickfilmstory, die man ja beliebig gestalten kann, auf der Bühne live nachzuspielen ist eigentlich nicht möglich. Sie haben das richtig gut hinbekommen und einen wirklich überrascht.
Wenn etwa der jungen Elsa so versehentlich ein Eiszauber ausrutscht – und plötzlich, wirklich von einem Moment auf den anderen, vor deinen Augen, ein Teil der Bühne voller riesiger Eiskristalle ist, wo eben der Zauber eingeschlagen ist.. Wow.
Und dann eben der Hauptsong Let it go: Sie bringen den Zeichentrick live auf die Bühne, es sieht aus wie im Film: Handschuh und Umhang fliegen weg, das Eis wächst und alles. Und der Brüller: Im Film verwandelt sich das Kleid in ein anderes.
Sie steht da allein und frontal auf freier Bühne, singt Vollgas, das Orchester gibt alles, voll mitreißend, und wirklich im Bruchteil einer Sekunde, so irre schnell, dass man den Wechsel (fast) nicht bewusst wahrnehmen kann, hat sie mittem im Gesang von einem Moment auf den anderen plötzlich ein ganz anderes Kleid an. Weitaus schneller und viel beeindruckender als im Trickfilm. Das Publikum tobte.
Sonderdarsteller
Der Film fängt mit Anna und Elsa als Kinder an.
Das Musical auch.
Am Anfang geht der Vorhang auf und auf der Bühne sind: Zwei Mädchen, eine Kind, die andere gerade so Richtung Teenager. Und machen da ihre Show, singen, tanzen, spielen, toben eine Weile, bis die Erwachsenen dazu kommen. Zwar haben sie (typisch für viele amerikanische Mädchen) solche Quieke-Stimmen, aber erstens mag man das hier und zweitens gehört es wohl auch zum Disney-Sound.
Und die haben das richtig gut gemacht. Und sind nicht nur am Anfang dabei, sondern tauchen später in den Kindheitserinnerungen der Erwachsenen nochmal auf und eine spielt auch einen Geist. Und die zaubern auch, die eine feuert einen Zauber ab und die andere fällt mit einer Schneewolke um.
Respekt!
Zwei Mädchen, die zur Eröffnung alleine auf die Bühne eines Broadway-Musicals gehen und da eine ganze Weile richtig gut singen, tanzen, spielen. Das ist eine Leistung.
Auch den Schneemann Olaf haben sie gut hinbekommen. Da steckt keiner drin, sondern er wird von einer Puppelspielerin gespielt und gesungen, die halt einfach mit dabeisteht, aber in der Handlung nicht vorkommt und nicht wahrgenommen wird, dafür sieht er dann auch wirklich wie im Film aus.
Und das Rentier ist auch mit unterwegs.
Fazit
Man muss Musicals mögen und den Disney-Kitsch hinnehmen. Dann ist es richtig schön gemacht.