„Mord mit 400 Volt”
Au weia…
Im ZDF läuft gerade „Soko Stuttgart”. Nein, ich gucke sowas nicht regelmäßig, aber lass gelegentlich zur Presseschau im Web den Fernseher nebenbei laufen.
Das heutige Mordopfer des Tages, eine Show-Köchin, wurde gemordet, indem man ihren Profi-Grill unter Strom setzte. Als sie vor Publikum die Tür (wie bei Backofen oder Mikrowelle) öffnen wollte und dazu den Griff angefasst hat, hat es sie geschüttelt und dann war sie tot. Die Fernseh-Soko ermittelt, weil jemand das Drehstrom-Kabel manipuliert und Strom auf das Gehäuse gelegt hatte.
So weit, so gut.
Dann wird es aber übel.
Denn die einen reden von „Starkstrom”, und die Schlaumeier verbessern ständig auf „Drehstrom”. Ganz schlimm, die gute Frau sei an Drehstrom verstorben, was noch viel hinterhälter und gemeiner und fieser und tödlicher als normaler Strom ist.
Vom Drehstrom ermordet.
Damit nicht genug, sie erwähnen mehrfach, dass sie von „400 Volt” gegrillt worden sei.
Da haben die Drehbuchautoren und auch die Leute beim Drehen nicht verstanden, was sie da tun.
Der Haushaltsdrehstrom ist nämlich erstmal nicht stärker als der Strom aus der normalen Steckdose. Das mag manchen erstaunen, liegt aber daran, dass es die Unterscheidung zwischen normalem und Drehstrom in unserem Stromnetz nicht gibt, alles ist am Drehstrom angeschlossen. Der Punkt ist nur: Die normalen Steckdosen und Lampenanschlüsse sind immer nur an eine der drei Phasen angeschlossen. (Und werden pro Haus möglichst gleichmäßig auf die Phasen verteilt, weshalb übrigens die Power-LAN-Adapter manchmal zwischen zwei Steckdosen nicht funktionieren, wenn die auf verschiedenen Phasen liegen, dafür gibt es aber Phasenkoppler, die die Datensignale übertragen.)
Das heißt, dass die drei Drehstromphasen nicht mehr und nicht weniger Spannung und Gewalt haben als jeden gewöhnliche Steckdose in der Wand, es ist nämlich das gleiche. Und da sind eben 230 und nicht 400 Volt drauf.
Die 400 Volt beim Drehstrom gibt es zwar, aber nicht zwischen den Phasen und der Erde, da sind es eben 230 Volt wie in der Steckdose, sondern zwischen den Phasen. Weil die nämlich – drum heißt es Drehstrom – jeweils ein 50Hz Sinus-Wechselstrom sind, aber gegeneinander phasenverschoben um – naja, eben 360° geteilt durch 3 – 120°. Und wenn eine gerade am höchsten Punkt der Sinus-Kurve ist, sind die anderen beide gerade im Minus-Bereich, weshalb die Spannungsdifferenz eben größer als gegenüber 0 (Erde) ist. Also: 230 Volt zwischen Phase und Erde, 400 Volt zwischen jeweils zwei Phasen. Was auch nur ein Quasiwert ist, weil sich das ja ständig ändert. Würde man einen Widerstand anschließen, dann würde der soviel heizen wie an 400 Volt Gleichstrom. Geschenkt.
Man kann aber nur eine der Phasen auf das Gehäuse des Grills und dazu die Erdleitung im Kabel legen. Würde man zwei anschließen, hätte man sofort einen Kurzschluss und die Sicherung flöge sofort raus. Es geht physikalisch nicht, Drehstrom auf das Metallgehäuse eines Grills zu legen, weil so ein Gehäuse eben nur ein Pol ist, Drehstrom aber drei Pole braucht, oder die 400 Volt immer noch zwei.
Wenn man so wie in dem Film einen Stromschlag bekommt (was so sowieso nicht geht, wenn man mit normalen Schuhen mit Kunststoffsohle auf trockenem Boden steht, aber auch das geschenkt), indem man auf dem Boden steht, als mit den Füßen Kontakt zur Erde hat, und mit den Händen an einen Metallgriff fasst, kann man maximal mit einer Phase verbunden sein, also mit 230 Volt.
Zugegeben, dann ist man auch tot. Kriminaltechnisch und juristisch ist das Ergebnis das gleiche.
Aber es kann nun mal nicht mehr „Starkstrom” und auch nicht „400 Volt Drehstrom” sein, und man hat dann auch nicht unbedingt ein Grillmuster auf den Händen, auch wenn man es dramaturgisch noch so gerne hätte.