Er stirbt standhaft
Wochenlang hat er durchgehalten.
Doch nun stirbt er. Obwohl sie ihn noch an eine Beinvene angeschlossen haben, um das Blut abzupumpen.
Manchmal frage ich mich, ob es manchen Leuten im ureigensten Interesse nicht einfach besser ginge, wenn die Toleranz nicht ganz so weit ginge.
Wenn er das Ding dann separat beerdigt, kann er auf den Grabstein schreiben „Er blieb standhaft bis zuletzt”.
Ob sich’s gelohnt hat, ist eine andere Frage. Aber: Zeitgeist, Toleranz, Vielfalt sind halt gerade alles.
Mir ist ein Fall bekannt, indem sich einer aus selbigem Milieu mit Anfang 40 umgebracht hat, weil’s mit der Standhaftigkeit nicht mehr so dolle war. Er war der Überzeugung, dass er ausschließlich und einzig und allein dafür und für den ständigen Einsatz des Geräts auf dieser Welt weile, und wenn das Ding verbraucht ist, sich sein Daseinszweck erledigt habe und es keinen Grund mehr gebe, sich die Mühen weiterer und nunmehr hoffnungslos freudloser Existenz aufzuerlegen. Das Finanzamt kam noch erschwerend dazu. Und er war damit wohl kein Einzelfall, in seiner Clique gab es eine Reihe von Suiziden derselben Struktur, und man hatte – unklar ob im Witz oder Ernst – geäußert, sich im Jenseits wiederzutreffen und mittels der dort zweifellos wiederhergestellten Stabilität und Verfügbarkeit bis in alle Ewigkeit fortzufahren. Man unterstellte dabei, dass Finanzbeamte ausnahmslos in der Hölle landen und deshalb nicht mehr stören können.
Es gibt so Momente, in denen ich von zwei Gedanken heimgesucht werde, Der eine ist, ob ich mit meinen a) bürgerlichen und b) verfassungsrechtlichen Problemen im Vergleich zu den Neotolerierten nicht noch relativ gut bedient bin. Und der Zweite ist, was eigentlich schlimmer ist, toleriert zu werden oder nicht: Schicksalsraum „Bedenke, worum Du bittest. Es könnte Dir gewährt werden.” Es wurde ihm ja gewährt.