Berlin Photo Week
Ich fand’s schon schrecklich, bevor es richtig losgegangen ist.
Ich wollte mich ja mal wieder mit Fotografie beschäftigen.
Ich leide gerade unter tiefgreifender Lustlosigkeit. Ich kann durch ein Kaufhaus oder Fotogeschäft gehen und finde da wirklich gar nichts, was mich noch irgendwie interessiert. Es liegt nicht im Interesse an sich, aber das, was mich interessiert, gibt es in deutschen Landen (noch) nicht.
Neulich schrieb einer, und traf damit den Nagel genau auf den Kopf, dass das Kaufen und das Benutzen von Fotoausrüstung zwei völlige getrennte Hobbys sind. Das ist wohl wahr. Ich komme gerade zu beiden nicht.
Von GoPro gibt es eine neue, die mich interessiert. Die Z-CAM E2C halte ich für interessant. Die Chinesen haben ein günstiges anamorphes Objektiv für MFT angekündigt. Ich wollte schon immer mal einen Western drehen. Mir fehlte aber so die Zeit.
Ich habe ja in letzter Zeit viel über Nikon gemoppert, die mir gerade enorm auf die Nerven gehen mit ihrem Product Management. Rein technisch wären sie exzellent, aber die Produkte, die sie daraus zusammenstellen, sind immer irgendwelche Entscheidungskrücken, die kranken immer an irgendwelchen enormen Fehlentscheidungen bei der Produktzusammenstellung. Nun hat Nikon eine Z50 neu vorgestellt, kleineres Modell mit APS-C-Sensor, kleiner, leichter, billiger weniger teuer, aber mir fallen gleich wieder so kleine, aber ärgerliche Designfehler auf: Kein Kopfhörerausgang. Zwar laden über USB, aber mit Micro-USB- statt USB-C Stecker. Neben dem Handy-Ladezeugs muss man wieder ein zweites Kabel mitnehmen. Und so fort.
Aber: Nikon und andere Hersteller schrieben mir, es wäre doch nett, wenn ich sie mal auf der Berlin Photo Week besuchen würde, wo sie auch sind.
Nun, dachte ich mir, warum nicht. „Woche” ist zwar dick aufgetragen, sind eigentlich nur zwei oder drei Tage, aber dafür an einer Lokation, die nur zwei Straßen von hier entfernt ist.
Aber, ach.
Man braucht Eintrittskarten. Ein erster Blick offenbart enorm hohe Preise, die beziehen sich aber auf eine Konferenz. Für den Rest muss man auf dem Portal eine Eintrittskarte zum Preis von 0 Euro „kaufen”. Naja, gut. Sie wollen anscheinend Kontakte.
Heute abend sollte Eröffnungsparty sein, allgemein offen.
Na, dachte ich mir, ist nur zwei Straßen weg, gehste hin und wirfst auf dem Rückweg gleich noch einen Döner ein.
Und stand vor verschlossener Tür. Der Wachdienst erklärte mir, ja, die Eröffnungsparty, die sei woanders. Wo? Wissen sie nicht. Stünde auf der Webseite.
Ist aber auch da nicht so einfach zu finden. Ich hatte nämlich nicht gemerkt, dass die woanders ist. Chausseestraße, dort beim Bundesnachrichtendienst schräg gegenüber. Da wäre ich nicht hingegegangen, aber weil ich nun schon angezogen, eh schon draußen und unterwegs und nahe an der S-Bahn war, dachte ich, fährste halt mal hin und guckst.
Schrecklich.
Erst mal an einer Polizeisperre vorbeigekommen, zu der ich dann auf dem Rückweg herausfand, dass sie auf einer weiteren Extinction Rebellion-Aktion beruhte. Mit wenig Deppen auf der Straßen enorm viele Leute stören und verärgern.
Als ich dann da ankam, wo die Party sein sollte – es müssen enorm wichtige Leute da sein, auf der Straße stehen Limousinen vom Limousinenservice mit Veranstaltungsaufschrift – wollte ich gleich wieder umdrehen. Davor eine Schlange von Leuten, die auf Einlass anstanden. Und ein Türsteher, der erst mal keinen reinlässt.
Ich stelle mich grundsätzlich niemals an Gaststätten oder Clubs oder Partys an. Und ich gehe auch nicht in Läden mit Türsteher. Es ist schlicht unter meiner Würde, um Einlass zu betteln oder auf Einlass zu warten. Ich kann’s nicht leiden, wenn’s rammelvoll ist, und in Discos und so weiter würde ich nicht mal ohne Anstehen gehen. Warum also noch Anstehen?
Weil es hier aber dann doch recht zügig ging und ich gefühlt doch eine geschlagene Minute bis zum Einlass in der Schlange stehen musste, habe ich es halb über mich ergehen lassen. Er ließ nämlich nur so viele rein, wie rauskamen (war überfüllt) und es wollte gerade viele raus. Warum eigentlich reicht es einem Türsteher nicht, die Leute reinzulassen? Warum muss jeden einzelnen am Arm anfassen und reinschieben? Machtverhältnisse?
Drinnen war es schrecklich. Erst im Freien, viele Leute stehen rum. Krach, die Bässe wummern.
Dann in einem Kellerraum, viele Leute stehen rum.
Ganz, ganz viele Leute stehen rum. Alles ist voller rumstehender Leute.
Und was machen sie? Sie machen drei Dinge:
- Sie stehen im Weg, und das fast immer anderen. Gelegentlich auch sich selbst. Bevorzugt an den engsten Stellen.
- Viele davon stinken.
Im Ernst. Echt. Die stehen unmotiviert da irgendwo rum und stinken. Besseres haben sie nicht zu tun.
Viele stinken schlicht nach Zigaretten. Selbst drinnen, wo Rauchen eigentlich nicht erlaubt ist.
Manche stinken nach den männlich und weiblich unterschiedlichen Berliner Fragrance. Männer: Zigaretten, Bier, Schweiß. Frauen: Zigaretten und aufdringliches Parfum in reichlicher Menge, bis hin zum schweren Kaliber Nuttendiesel. Man muss in so einer Menge eben auffallen, und wenn man sonst nichts hat zum Auffallen, dann eben riechen wie ein Leuchtturm aussieht. Man will von raumgreifender Präsenz sein, und da muss man sich auf geruchlicher Ebene in Berlin gegen die Konkurrenz durchsetzen.
- Sie finden sich gut.
Der Berliner an sich ist ein Narziss und hält es für begründet, denn er ist ja auch der Größte und Schlaueste. Was mit Borniertheit und herablassendem Gehabe prächtig harmoniert, und perfekt zum Rauchen passt. Schaut man den Leuten zu, dann rauchen viele nicht des Rauchens wegen, sondern weil sie nicht wissen, wohin mit ihren Händen und was machen. Zudem stehen viele als Mauerblümchen rum und würden ohne die Beschäftigung des Rauchens und des Anscheins er/sie/es raucht eine, dastehen wie bestellt und nicht abgeholt. Dann lieber dastehen wie nicht bestellt und nicht abgeholt, dann sieht’s wenigstens so aus, als gehörte es so.
Lächerlichstes affektiertes Gehabe.
Man sieht das vor allem bei Frauen, besonders den schlankeren, die dann gerne so dastehen, als würden sie sich amüsieren, dabei gerne die Zigaratte steil nach oben und mit abgeknicktem Handgelenk modisch von sich weg halten und dabei angestrengt vergnügt grinsen, obwohl es gar nichts zu grinsen gibt. Berliner Nachtlebens- und Balzverhalten.
Sie stehen da, oder im Weg, sie stinken, sie grinsen, sie finden sich gut. Sonst ist eigentlich nichts.
Nicht ganz. Etwa 80 bis 85% würdigen die Fotos, die an der Wand hängen, keines Blickes.
So geschätzte 10 bis 15% stehen pseudointellektuell und kennerkritisch vor den Fotos, schauen gutachterlich und warten auf eine Eingebung, was das Bild sagen soll. Die Eingebung kommt aber nicht.
Die Bilder sind … naja … sagen wir es so: Die 80 bis 85% haben nichts verpasst. Schwarzweißbilder, in denen einer Formen und Kontraste suchte, aber nichts, was einen irgendwie vom Hocker holen würde.
Ich kämpfe mich wieder raus und finde gegenüber einen zweiten Keller, der nach Vernissage aussieht.
Komme aber nicht rein, weil die Tür schmal ist und in der schmalen Tür formatfüllend ein ebenso schmaler wie hoher Typ steht und alle um ihn herum, auch mich, ignoriert, aber er blickt ja auch über mich hinweg. Und spricht nur englisch. Weil irgendwer vor mir reinwollte, und der nach irgendwas fragte, was ich im Lärm nur mühsam und nicht zuverlässig dahingehend verstanden habe, dass man nur mit Einladung reinkäme, mir wird aber nicht klar, ob der das kontrolliert oder nur ein Gast ist, der das einem anderen mitteilte. Inzwischen hat er mich gesehen, ich stehe genau vor ihm, und er macht nicht die geringsten Anstalten, mir auch nur irgendwie aus dem Weg zu gehen. Ich frage, ob er da absichtlich steht oder nur so zufällig. Er sagt, er stehe absichtlich da, und fragt warum ich frage. Weil mir, sage ich, nicht klar war, ob er die Tür versperrt oder nur zu der Sorte Leute gehört, die nicht mitkriegen, dass andere durchwollen. Er guckt mich pampig an und brabbelt was, dass man irgendwas bräuchte, und da wird mir das zu blöd. Ich gehe noch in ein ebenerdiges Haus, in dem Bilder hängen, aber keine guten, und lande versehentlich vor dem Damenklo.
Schnauze gestrichen voll, ich gehe und erfahren auf der Straße von Polizisten, dass die Sperre mit der Demo zusammenhängt. Man merkt den Polizisten an, dass sie sich verarscht vorkommen. Mehr Polizisten als Demonstranten.
Die Eröffnungsparty wirkte auf mich völlig panne.
Das geht mir in Berlin häufig so. Das hat fast immer damit zu tun, dass irgendwelche Leute irgendwo dichtgedrängt rumstehen und selbst kaum wissen, warum, dabei aber stinken und sich unheimlich gut vorkommen.
Schauen wir mal, wie der zweite Tag wird.