Ansichten eines Informatikers

Berlin Photo Week, Tag 2

Hadmut
11.10.2019 18:30

Heute war’s besser.

Ich war gerade auf der „Berlin Photo Week”, also das, wo ich eigentlich hinwollte und was hier zwei Straßen weiter ist.

Das hat mir nun schon viel besser gefallen als die komische Gruselparty gestern abend. Zwar muss man auch hier durch eine große Menge von Rauchern durch, weil die drei Imbisswagen vor dem Eingang stehen (ich habe zum ersten Mal ein Okonomiyaki gegessen, noch 20 Minuten vorher hätte ich gewettet, das müsse wohl ein Objektivhersteller sein).

Das ist hier vorne so eine Fabrikruine, da war wohl mal ein Kraftwerk drin (vielleicht heißt’s deshalb „Kraftwerk”…) schrecklich rohbauig, so richtig industrieschrottig, überall noch so abgeranzte Betonpfeiler, alter Fabrikhallenboden. Für Fotoveranstaltungen perfekt, machen sie öfters da.

Es ist seltsam. Das Ticket hat nichts gekostet, aber man muss es vorzeigen und bekommt einen Stempel auf die Hand. Als ich mal draußen zum Essen war und wieder reinkam, fragt mich ein Wachmann von der zweieinhalbfachen Breite meiner selbst, ob ich auch einen Stempel habe. Er kostet nichts, aber sie sorgen mit Nachdruck dafür, dass man ohne nicht reinkommt. Vermutlich geht’s um die E-Mail-Adressen.

Im Erdgeschoss Stände der Kamera-, Objektiv- und Zubehörhersteller, auch ein paar Verkaufsstände.

Ich hasse Klettverschlüsse. Ich hasse Klettverschlüsse abgrundtief, die gehen mir so auf den Wecker, stören, machen manches kaputt. Ich habe diverse Kamerapacktücher, aber alle mit Klettverschlüssen. Dort habe ich das erste entdeckt, das komplett ohne Klett- oder sonstige Verschlüsse auskommt, dafür ist es teuer. Ich habe eines gekauft. Ob es auch gut ist, wird sich zeigen. (Ich habe es gerade ausgepackt. Es gefällt mir, hält nicht so fest wie eines mit Klettverschlüssen, aber ich fürchte, die Haftkraft wird nicht allzu lange halten.)

Sie halten in einer Ecke Vorträge.

Und ich bin verblüfft. Denn eigentlich konnte ich mir nicht vorstellen, dass man in einer Halle, die so hallt und lärmt noch Vorträge halten und verstehen kann, zumal ich so schon nichts davon höre. Und warum warum leuchten die eigentlich alle?

Sie halten die Vorträge nicht über Lautsprecher, sondern über Funkkopfhörer. Auf einem Tisch liegt ein großer Haufen davon, man kann sich einen nehmen. Bester Ton, man versteht sie prima, direkt, ohne Hall, ohne Laufzeit, ohne Störgeräusche, wunderbar, und niemand ohne Kopfhörer hört etwas. Warum habe ich das noch nirgends vorher gesehen? Das ist prima. Warum die Kopfhörer aber alle rot leuchten? Als Werbegag? Um sich von normalen Kopfhörern zu unterscheiden? Damit man sie nicht so leicht mitnimmt und klaut? Damit man sieht, ob der Akku noch läuft? Keine Ahnung. Sieht albern aus, ist aber richtig gut. Selbst in diesem akustisch miserablen Umfeld beste Tonqualität.

Eine bildhübsche Frau erklärt mir, warum diese Veranstaltung überhaupt stattfindet und wer damit auf sich aufmerksam machen will. Es laufen ziemlich viele hübsche Frauen da rum. Erstens ist das in der Fotografie häufig oder fast immer so (außer auf Eröffnungsparties), dass es da vor hübschen Frauen nur so wackelt. Hübsche Frauen und Kameras ziehen sich gegenseitig magisch an, das war noch nie anders. Im Prinzip kann man mit etwas Übung Kameras ab Vollformat und Lichtstärke 2,8 wie eine Wünschelrute verwenden, um hübsche Frauen auch durch dicke Betonwände hindurch ausfindig zu machen, die will immer dahin. Und wie einen Köder, wenn man damit professionell winkt, dann kommen die. Und die Angebererektion liegt keineswegs bei den behaupteten 20 bis 30 cm. Sondern etwa zwischen 85 und 150 mm. Brennweite. Der andere Aspekt ist, dass viele als Messehostessen oder bezahlte Models für Kameratests da sind. Da nehmen sie auch nicht die Hässlichen.

Das Geschlechterverhältnis hinter der Kamera mischt sich und wechselt ständig pulsierend. Die Frauenquote vor der Kamera liegt bei gefühlten 98,7%. Irgendwas tief in mir drin sagt mir, des g’hört so. Meine Kamera geht d’accord.

Im 1. Obergeschoss gibt es eine Fotoausstellung verschiedener Bilder verschiedener Umstände.

Ins 2. Obergeschoss komme ich nicht, da finden die teuren Vorträge statt.

Canon

Während die anderen Hersteller relativ kleine Stände haben, hat Canon die Riesen-Show. Ein großer Teil des Erdgeschosses gehört Canon. Canon hier, Canon da, Canon dort, Drucker, große, kleine, lange, kurze, schwere, leichte Kameras.

Und sie haben ganz groß ausgedruckte Fotos rumhängen, aber so richtig gute. So Top-Fotos. So richtig geil.

Ich frage an einem Stand, warum Canon hier so groß vertreten ist. Weil sie der Hauptsponsor sind, ist die Antwort. Was bei genauem Nachdenken aber die Antwort auf die Frage wäre, wie sie das hingekriegt haben, aber nicht, warum sie das machen. Angeblich geht’s der ganzen Branche ja gerade dreckig.

Ob Canon gerade etwas richtig Innovatives hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Da ich nicht noch ein Objektivsystem anfangen kann und will, finden Kameras von Canon weitgehend außerhalb meiner Kenntnisnahme statt.

Nikon

Mmmh. Winziger Stand. Ich kenne Leute, die könnten sowas als Bauchladen tragen. Wären sie nicht so penetrant gelb, würde man sie übersehen.

Das ist mir schon öfters aufgefallen, dass Canon breit auftrumpft und Nikon kleine Kümmerstände hatte, wenn überhaupt. Bei einer IFA in Berlin waren sie nicht mal in der Halle, sondern standen in einem aufblasbaren kleinen Zelt draußen im Regen. Man könnte sie fast für irgendsoein Fernost-Startup halten. Letztlich haben sie aber gerade alle ihre Hungerphase.

Sie haben auch nur wenig zu zeigen, dafür genau das, was mich eigentlich interessiert. Die neue Z50.

Ja, eigentlich eine schnucklige Kamera, sicher nicht schlecht. Aber ich weiß nicht so recht. Wie schon so oft gesagt, Nikon hat die besten Ingenieure, die können so richtig gut, aber ein hundsmiserables Produktmanagement.

Sie sprechen mich an, was mich interessieren würde. Ich äußere die Absicht, die Z50 wohlwollender zu beurteilen als Z6/Z7, die zu kaufen ich mich schon aufgrund des dämlichen Kartenslots nur für XQD/CFExpress weigere und das auch erkläre. Abgesehen davon, dass ich umfangreiche Bestände an SD/MicroSD-Karten habe und meine sämtlichen anderen Kameras (so jünger als 10 Jahre) mit SD-Karten arbeiten, man die XQD nur sehr schwer bekommt und sie dann ungefähr das 15-Fache kosten, können sie soviel behaupten, wie sie wollen, dass die technisch besser sind, und damit sogar Recht haben, es ändert einfach nichts daran, dass die Z6/Z7 für meine Zwecke nicht zu gebrauchen ist. Man erläutert mir, dass SD veraltet und demnächst generell durch XQD ersetzt und die in Kürze auch billiger würden.

So, so.

Die wollen mir erzählen, dass SD demnächst generell durch XQD ersetzt würde. Was nicht nur hanebüchener Unsinn ist und schon daran scheitert, dass es kein Micro-XQD gibt und die in ganzen Action-Kameras und Handys schon wegen der Größe nicht reinpassen kann, sondern auch die Frage aufwirft, warum ihre neue Z50 dann doch wieder mit SD-Kartenslot daherkommt, wenn’s doch angeblich ein sterbender Standard ist.

In fünf Jahren sei XQD einfach der Standard. Prima. Dann kaufe ich in fünf Jahren das dann aktuelle Modell von Nikon. Ich schreib’s mir in den Kalender.

Man merkt so richtig, wie da eigentlich exzellente Kameras durch idiotisches Produktmanagement versaut werden und die da dann stehen und das irgendwie gutreden sollen.

Also schaue ich mir die Z50 an. Eigentlich gefällt sie mir ja. Aber:

Ein Mikro-USB-Anschluss

Wer um alles in der Welt baut denn in ein Gerät für das Verkaufsjahr ab 2020 noch einen Mikro-USB-Anschluss ein und nicht USB-C, zumal wenn man die Kamera darüber laden kann?

Ja, meinen sie, das hätten schon viele gefragt.

Ich meine, sie können ja nichts dafür, die in Deutschland haben ja in Japan nichts reinzureden und bekommen nur die fertigen Kameras vorgesetzt. Aber irgendwie…

Kein Kopfhöreranschluss

Warum hat eine Kamera, die mit Videoqualitäten beworben wird, keinen Kopfhöreranschluss?

Keine Antwort.

Selfie-Videos

Heute totaaaaal wichtig. Weil ja nun alle Videobloggen. Man muss selbst sehen können, was man aufnimmt. So will gerade DJI gegen GoPro anstinken, weil deren Action Cam dafür auch vorne ein Display hat. GoPro kann auch mit der neuen Version nicht gegenhalten, bringt dafür aber den Nachfolger der 360°-Kamera so, dass er mit dem Display auch zum Selfiebloggen zu gebrauchen ist.

Sony hat bei den neueren 6er-Kameras 6400 und 6600 die Displayhalterung verändert, so dass man das jetzt so weit nach oben klappen kann, dass man das Display über der Kamera von vorne sehen kann.

Manche Hersteller wie Panasonic machen ein Gelenk an die Seite, mit der man das Display zur Seite schwenken und nach vorne drehen kann, dann sieht man es neben der Kamera, ist aber auch schwierig, weil dann die Kabelbuchsen im Weg sind oder blockiert werden.

Und Nikon?

Die haben jetzt die Variante, dass man das Display 180° nach unten klappen kann und dann von vorne unter der Kamera sieht. Weil sie ja oben den Sucher haben, da geht’s nicht.

Unter der Kamera.

Wie das auf einem Stativ dann funktionieren soll?

Wissen sie nicht. Vielleicht kommt da ja noch eine Halterung als Zubehörteil. (Zweifellos, aber vermutlich von den Zubehör-Chinesen, wieder ein Teil, was man rumschleppen muss.)

Es ist dafür gedacht, dass man die Selfies am ausgestreckten Arm freihändig macht. Immerhin, dafür geht’s.

Akku

Das wäre jetzt eine Prima-Selfieaufnahme geworden, mich beim Kopfschütteln zu filmen. Ich habe mir den Akku angesehen.

Ich habe in den letzten 10 Jahren sage und schreibe 6 verschiedene Nikon-Akku-Typen im Einsatz gehabt (und mir zur Übersicht extra eine Tabelle ausgedruckt und in den Schrank gegeklebt, welcher Akku an welche Kamera muss. Und von jedem Akku-Typ brauchte man ja mehrere Akkus, weil man die bisher (außer in der hoffnungslos schlechten 360°-Kamera) nie in der Kamera laden konnte, ich habe deshalb aber nie Original-Akkus gekauft, sondern immer billige von Fremdherstellern.

Die Z6 und Z7 haben zwar auch einen neue Akkutyp, weil man die alten nicht in der Kamera laden kann (warum eigentlich nicht? Warum kann ich die alten Akkus in einem USB-Lagegerät für 5,90 Euro laden, aber nicht in der Kamera? Warum muss da ein neuer Akku-Typ her?), aber immerhin rückwärtskompatibel dahingehend, dass man die alten (wie etwa in der D800 verwendet) benutzen, wenn schon nicht laden kann, sie passen in die Kamera.

Und nu?

Die Z50 hat wieder einen komplett neuen Akkutyp.

Das wäre dann mein siebter oder achter.

Zum Vergleich: Ich hatte mir so um 2005 oder 2006 nach deren Übernahme von Minolta die erste Sony Alpha 100 gekauft. Inzwischen natürlich total veraltet. Aber die Akkus für diese Kamera kann ich (soweit nicht durch Alterung kaputt) immer noch verwenden, weil der ganze Videozubehörkram wie Rekorder und LED-Leuchten alle mit denselben Akku-Kontakten arbeitet und man die in verschiedenen Größen kaufen kann. Die Sony-Akkus kann ich sogar gut und für ein halbes Dutzend Geräte verwenden, wenn ich nicht mal eine Sony-Kamera habe. Und die neue Sony 6600 hat angeblich (bin ich jetzt nicht sicher) denselben Akku-Typ wie die 7er Serie.

Was soll der Nikon-Krampf, ständig mit neuen Akkus daherzukommen? Ich habe bergeweise Akkus und Ladegeräte. Auch deshalb, weil sie ihre Ladegeräte immer sehr sperrig machen. Viele Geräte sind so gebaut, dass sie für den amerikanischen Markt die zwei Bleche wegklappen können, dann aber für Deutschland so ein sperriges EU-Adapterteil darüber eingerastet wird und die dann nicht mehr passen. Ich habe Kamerataschen für bestimmte Modelle, in die die Ladegeräte nicht passen, weil der Taschenhersteller in Fernost nicht wusste, dass wir hier zwar dieselben Ladegeräte verwenden, aber mit sperrigen Euro-Adaptern, die man nicht mehr ohne weiteres runterkriegt und die deshalb nicht in die Ausbuchtung passen.

Was soll der Scheiß?

Fazit

Nikon hat seit einiger Zeit kein glückliches Händchen mehr, Canon geht es produkttechnisch aber wohl auch nicht besser. Finanziell wohl schon.

Nikon hat seine Messepräsenz deutlich runtergefahren, was aber nicht viel heißen will, weil die erfahrungsgemäß eh nichts bringt.

Aber die verunglückte Modellpolitik von Nikon und die eher bedenkliche Produktqualität meiner letzten kleinen Nikons lassen in mir gewisse Vorsicht aufkommen. Das ist nicht mehr so, dass man Nikon blind kaufen kann. Die murksen seit einigen Jahren ziemlich vor sich hin.

Bekanntlich retten sich die Großen da immer in die nächsten olympischen Spiele, aber mit dem, was die aktuell so auf Lager haben, hauen die nicht so rein. Und das, wohlgemerkt, obwohl die olympischen Spiele 2020 für Canon, Nikon, Sony echte Heimspiele sind, weil in Japan. Es hieß ja mal, bis dahin solle 8k-Video Standard sein, aber so sieht’s gerade nicht aus.

Ich muss sagen, dass mich so von den Werten auf dem Papier und den Details die Sony a6600 mehr beeindruckt, allerdings nach Ankündigung auch doppelt so teuer ist. Und ob Nikon den angekündigten Preis auch wird halten können, wage ich sehr zu bezweifeln.

Die Ankündigung, dass das Ding im November in den Läden stehen soll, sagt recht deutlich, dass das Ding zum Weihnachtsgeschäft einfach raus musste. Was ebenso heißt, dass sie nach Weihnachten und vermutlich nochmal nach Neujahr oder HDK billiger werden wird.

Sollte man über eine Ausstattung an alten DX-Objektiven verfügen, dann könnte sie mit dem Adapter zum alten Bajonett tatsächlich etwas sein.

Ich habe den starken Verdacht, dass das stimmt, was mir neulich einer aus der Fotobranche sagte.

Bisher waren Kameras für den europäischen Markt entworfen, und die Europäer hegen und pflegen ihre Kameras und nutzen sie 4 oder 5 Jahre lang. Dafür baut man sie stabil und gut und vollständig, weil es bis in 5 Jahren längst genug Neuerungen gibt, um wieder eine zu verkaufen.

Die Kamerakrise zwingt die Hersteller aber dazu, sich mit dem asiatischen Markt über Wasser zu halten, um dem Asiaten sei das ziemlich egal, ob eine Kamera irgendwie sinnvoll und vollständig sei, weil er sie als Spielzeug und geistloses Elektronik-Gadget ansieht und nach 2 Jahren die Lust daran verliert, und sich nach was neuem umsieht. Weil man aber genau weiß, dass in zwei Jahren keine Neuerung auf dem Markt haben kann, die man jetzt noch nicht im Labor hat, lässt man an den Kameras immer irgendwas weg oder macht irgendwas schlecht, damit man demselben Kunden in zwei Jahren etwas neu andrehen kann, was man jetzt eigentlich schon hat.

Und das merkt man.

Irgendwie fehlt gerade an wirklich jeder Kamera irgendetwas.

Und irgendwie fehlt’s mir da gerade an der Kauf- und Konsumlust. Irgendwie gefällt mir das gerade alles nicht.