Grübeln über den Menstruationsdatenschutz
Ich sitze gerade so da und wundere mich.
Nee, mir geht’s heute nicht gut. Ich kann nicht so genau sagen, was es ist, aber irgendso eine schleichende Universalerkältung. Nichts Konkretes, aber irgendwie tut alles weh. Sogar das Denken. Erleichterung brachte ein Nasenspray, Ablaufdatum 1/2018, das ich in der Medikamentenkiste noch gefunden habe, noch fast voll. Die Dinger machen abhängig, deshalb verwende ich die nur im Notfall. Das ist ein Notfall. Immerhin ist jetzt der Druck aus der Nase und ich muss beim Luftholen den Mund nicht mehr offenlassen wie ein Karpfen vor dem Tod.
Ich dachte mir, das ist kein Tag, um in die Stadtwüste zu gehen, ich bleibe trotz Weihnachten weiter zuhause, und habe mich auf einem Kanapee (genauer gesagt, einer Récamière, aber ich mag das Wort nicht, es hört sich nach Salatsoße an) gebettet, um leise leidend zu bloggen, zu sterben und über das Sterben zu bloggen. Und dabei wunderbaren Fencheltee zu trinken, den ich in der Küche noch gefunden habe (Ablaufdatum 1/2016).
Wie ich da also gerade so sitze und an mehreren Softwarestückchen so Kleinigkeiten verbessere, berichtet Tagesschau24 (He, Hallo, Tagesschau24, eure Zuschauer, der eine von beiden bin ich, wer der andere ist, weiß ich nicht) vom 36c3, Jahreskonferenz CCC.
Die Verbindungen zwischen linker Politik, Tagesschau, Organisationen wie re:publica und CCC sind inzwischen so eng, dass da auf jeden Fall berichtet wir, egal ob es was zu berichten gibt oder nicht. Was nachrichtentechnisch wichtig und berichtenswert ist, wie nach Methoden der Planwirtschaft im vorhinein festgelegt.
Die Hacker, so berichten sie, wollten sich jetzt um das Klima kümmern. So kommt eines zum anderen. Sie grämten sich, weil sie da natürlich ganz, ganz viel Strom verbrauchen. 17.000 Leute würden erwartet.
Seltsam.
Auf die nächstliegende Frage, ob es im Zeichen der Klimarettung nicht naheliegend wäre, einfach darauf zu verzichten, 17.000 Leute nach Leipzig reisen zu lassen um gemeinsam Strom zu verheizen, wird nicht gestellt. Vorhin hieß es in den Nachrichten noch, man wolle das Böllern verbieten, wegen des vielen Feinstaubs. Warum in Zeiten der Klimaerwärmung niemand fragt, warum die da noch zusammenkommen, um heiße Luft zu produzieren, verstehe ich nicht.
Aber es gibt da auch harte Fakten.
Die Tagesschau ließ berichten, direkt vor Ort, dass es mit dem Datenschutz nicht zum Besten stehe. Schlimme Exzesse seien zu beobachten. Am schlimmsten sei, pars pro toto, die Lage an der Front der Menstruationsapps.
Mit einer Menstruationsapp könnten, so lernt der Zuschauer, Frauen (uaaah, politisch gar nicht korrekt, wer wird da wieder alles geschlechternormativ ausgegrenzt) ihre Periode planen, verwalten, organisieren, optimieren. Und wüssten dann, wann sie müssten, um etwa schwanger zu werden. Früher war das einfacher. Da hat man einfach einen Monat lang gevögelt, dann hat das gepasst. Heute braucht man eine App, die einem sagt (oder gleich einen Termin einträgt und das Zubehör online bestellt), wann der passende Zeitpunkt für koitale Aktivitäten wäre.
Und diese Apps nun würden derartige wichtige Daten an Hersteller hochladen.
Nun sitze ich hier auf meinem Kanapee, und grüble darüber, wozu wohl irgendwer scharf darauf sein könnte, die genaue Phasenlage des Zyklus zu erfassen und heimlich unter Missachtung des Datenschutzes in finsteren Datenbanken zu sammeln.
Was hat man davon? Wozu ist das gut?
Schickt man Frauen dann andere Werbung? Bietet man ihnen andere Produkte an? Oder macht man ihnen andere Preise, weil sie mal geiziger, mal verschwenderischer sind? Macht man es davon abhängig, ob man ihnen den Macho oder den Hausmann zeigt, um ihnen ein Produkt anzudrehen? Andere Farben? Andere Sprachen?
Bekommen Frauen zyklusabhängige Werbung angezeigt oder Angebote gemacht?
Schrecklich, darüber auch nur nachzudenken, vor allem, wenn der Kopf so schon weh tut.
So im direkten Vergleich fand ich die platzende Nase von heute mittag deutlich angenehmer. Ich hätte Tagesschau nicht schauen sollen, dann ginge es mir jetzt besser.
Ich bin ja überzeugt, dass es mit uns bergab geht. Aber wohin soll das führen, wenn wir jetzt schon bei sowas sind?