Ansichten eines Informatikers

Die Unterwerfung der ETH Zürich unter die USA

Hadmut
18.2.2020 0:42

Noch ein Puzzle-Stück, das gleich in zwei Richtungen passt:

Nämlich einmal die am Wochenende im Blog schon angesprochene Stelle aus den Minerva-Akten, dass man sich darauf verlassen könne, dass auch die ETH Zürich bei einer Untersuchung der Cryptomaschinen der Crypto AG Falschgutachten ausstellen und die CIA decken würde, und man vier von fünf Kryptologen dort „im Griff” habe, einschließlich Ueli Maurer, und zum anderen die Bereitschaft Maurers, damals in meinem Promotionsverfahren auf Bestellung sofort ein Gefälligkeitsgutachten auszustellen.

Am 30.1.2020, also nur wenige Tage vor der Veröffentlichung des Kryptoskandals, und auch ohne Bezug dazu, aber so voll treffend, beschrieb Republik.ch die Abhängigkeit der ETH Zürich von den USA und deren Hörigkeit gegenüber amerikanischen Sicherheitsinteressen: Wie sich die ETH den USA unterwirft

Es geht dabei um Huawei.

Donald Trump hat ja 2019 einen Handelsstreit mit China/Huawei eröffnet (hinter dem selbst wohl weit mehr steckt, als wir so wissen), und ich hatte hier im Blog ja schon die von Lesern vorgetragene Frage angesprochen, ob der Zeitpunkt der Aufdeckung eines eigentlich seit 25 Jahren (und länger) bekannten Kryptoskandals irgendwas mit Huawei zu tun haben könnte.

Es ist eine schwierige Frage.

Einige Leser verweisen darauf, dass sie eher den Eindruck haben, dass die CIA da selbst hinter der Veröffentlichung (des längst bekannten) steckt, einfach um mal so richtig anzugeben, wie gut sie sind, denn immerhin wird die Aktion ja weithin als die Spionageaktion des Jahrhunderts hingetellt. (Das virtuelle „Cryptomuseum” hat zwar wohl nichts mit denen zu tun, aber da sieht man so richtig fett, wie toll die die Operation finden und es als Tropähe ansehen, wer alles berichtet.) Könnte am Krach mit Trump liegen und auch dazu passen, dass die Washington Post es schreibt, weil die ja Jeff Bezos gehören, der selbst ein Gegner von Trump ist.

Andere meinen, die Chinesen steckten dahinter, weil gerade alle so breit behaupteten, dass Huawei Backdoors für die chinesische Regierung enthalte, und die einfach mal aufzeigen wollten, dass die Amerikaner auch nicht besser sind. (Es gibt auch die sehr ähnliche Variante, dass es die Russen wären.)

Und genau da, nämlich beim Verhältnis zwischen Huawei und den USA, setzt dieser Bericht an.

Darin geht es nämlich darum, dass Huawei in der Schweiz, in Zürich und an der ETH durchaus aktiv und spendabel sei.

Huawei ist hierzulande ein gern gesehener Gast – eigentlich. Der chinesische Tech-Konzern richtet gerade eine Wireless-Infrastruktur samt Cloud für den Basler St.-Jakob-Park ein, hängt als offizieller Sponsor von Swiss-Ski Plakate an den Lauberhorn­rennen auf und beliefert Sunrise mit Equipment fürs 5G-Netz.

Doch an einer Wirkungs­stätte von Huawei kriegt man nun kalte Füsse: an den Eidgenössischen Technischen Hoch­schulen in Zürich und Lausanne.

Recherchen der Republik zeigen:

  • Die chinesische Firma ist ein wichtiger Financier von Forschungs­projekten. Doch seit Juni 2019 werden ihr an der ETH Zürich keine Patent­rechte mehr auf Erfindungen zugestanden.
  • Forscherinnen werden ausserdem intern aufgefordert, bei Projekten mit Beteiligung einer US-Firma kein Wort mit Huawei-Angestellten zu reden und keine Kooperationen mehr einzugehen. Ähnliche Regeln gelten an der ETH Lausanne.
  • Grund dafür sind die Export­sanktionen gegen Huawei, welche die USA vergangenes Jahr beschlossen haben.

Mal ein chinesischer Schuss vor den Bug der USA und der Schweiz? Kleine Quittung?

Die neue Praxis birgt politische Spreng­kraft. Sie zeigt auf, dass US-Recht in der Schweiz direkt angewandt wird – obwohl es dazu keine Weisung aus Bundes­bern gibt. Und sie macht klar, dass der Handels­krieg zwischen den USA und China auch die Schweizer Wissenschaft in Mitleidenschaft zieht. Besonders betroffen sind Forschungs­projekte, die in kommerzialisierbare Produkte wie etwa Mikro­prozessoren oder Chip­bausteine münden.

Doch warum der vorauseilende Gehorsam?

„…dass US-Recht in der Schweiz direkt angewandt wird – obwohl es dazu keine Weisung aus Bundes­bern gibt…”

Die Schweiz im Allgemeinen und die ETH im Besonderen sind nicht nur auch auf amerikanische Zuwendungen angewiesen. Ein anderer Leser schrieb mir, fragte mich, ob mir schon aufgefallen sei, dass die Amerikaner lange Zeit einfach so ruhig zugesehen haben, wie die Schweiz der vertrauliche Geldsafe der Welt sei, das seit kurzem aber nicht mehr mitspielen, wegen Steuerhinterziehung, Geldwäsche, anonymen Geldgströmen und so, und der Schweiz kräftig aufs Dach gehauen haben.

Könnte es also sein, dass die Schweiz da gerade zwischen die Fronten geraten ist? Mal bekommt sie von den USA eine gepfeffert, damit sie sich besser an amerikanische Weisungen hält, und dann bekommt sie von den Chinesen eine gebrezelt, eben weil sie sich an amerikanische Weisungen hält?

Die eine Seite

Grosszügige Spender

Zürich ist ein beliebter Niederlassungs­standort von Big-Tech-Firmen. Google hat seine Mitarbeiter­zahl hier sukzessive auf 5000 aufgestockt; Facebook hat 2019 ein Büro nahe dem Einkaufszentrum Sihlcity eröffnet, und Huawei baut ein Forschungs­zentrum, in dem bis Ende Jahr 150 Hochschul­absolventen beschäftigt sein sollen. Man plane, in fünf Jahren sogar 1000 Forschende zu beschäftigen, sagt Sprecher Manuel Küffer der Republik.

Grund für Zürichs Beliebtheit ist die ETH. Sie bringt jedes Jahr zahlreiche Abgängerinnen hervor, welche die Tech-Firmen rekrutieren können. Zudem eröffnen Forschungs­kooperationen die Möglichkeit, Technologien und Produkte zu entwickeln, mit denen die Firmen Geld verdienen können.

Kein Wunder, listet der Geschäftsbericht der ETH namhafte ausländische Konzerne als Gönner auf: Facebook, Microsoft und auch Google.

Zürich gilt als eine der lebenswertesten, aber eben auch teuersten Städte der Welt, und das ist erstaunlich, denn so wahnsinnig viel produzieren und exportieren die Schweizer (mir fallen da zunächst mal Sprüngli-Pralinen, Käse, Taschenmesser und, naja, Kryptomaschinen ein, letztere jetzt vielleicht nicht mehr so), aber Geld haben sie viel. Auf vielen meiner Reisen, vor allem Australien, waren mehr Schweizer als Deutsche dabei. Woher haben die eigentlich das viele Geld? Wie oft kauft man Produkte, die in der Schweiz hergestellt wurden?

Die andere Seite

Noch spendierfreudiger ist jedoch Huawei: Der chinesische Tech-Konzern überwies in den vergangenen drei Jahren 7 Millionen Franken an verschiedene Lehrstühle, wie die ETH auf Anfrage schreibt. Dies entspricht den Donationen von ABB, Credit Suisse und Lafarge-Holcim zusammen. Google sprach während derselben Zeit Beiträge über rund 2 Millionen Franken. Diese Spenden sind gemäss der ETH an keine Bedingungen geknüpft.

Anders ist dies bei Forschungs­verträgen für einzelne Projekte. Hier können sich Geldgeber – sofern die ETH zustimmt – die Patent- und Nutzungs­rechte von Erfindungen sichern, die aus diesen Projekten hervorgehen. Die ETH verpflichtet sich jeweils, eine dreimonatige Frist abzuwarten, bevor sie die Resultate publiziert.

Die Hochschule hat gegenüber der Republik die dazugehörigen Summen offengelegt. Huawei ist abermals führend: Der chinesische Tech-Konzern unterstützte von 2016 bis heute für 5,5 Millionen Franken zwölf Projekte in den Fach­bereichen Informatik, Elektro­technik und Maschinen­bau. Google kam in derselben Zeit auf 3,5 Millionen Franken.

Das wirft natürlich Probleme auf: Die Amis verlangen Treue und Gehorsam, die Chinesen wollen aber auch was für ihr Geld haben.

Laut dem Artikel lief das bisher parallel nebeneinander, aber eben nicht mehr seit Mai 2019, als Trump den Wirtschaftsstreit gegen Huawei eröffnete.

Die USA setzen Huawei auf eine schwarze Liste: Das chinesische Unternehmen darf fortan ohne Genehmigung der US-Regierung keine Technologien oder Hardware­bauteile mehr von amerikanischen Lieferanten einkaufen.

Offiziell ist die Schweiz beim Umgang mit der chinesischen Firma neutral. Doch die ökonomische Realität sieht anders aus. Wie andere europäische Länder auch verfügt die Schweiz kaum über Technologie-Souveränität. Mangels einer eigenen, in Europa ansässigen Tech-Industrie ist sie im IT-Bereich auf ausländische Ausrüster angewiesen – nicht zuletzt auf amerikanische.

Die Schweiz ist deshalb faktisch gezwungen, der US-Politik Folge zu leisten.

Die ETH Zürich reagiert sofort auf die Ankündigung aus Washington. Anfang Juni 2019 verschickten die Export­kontroll­beauftragte der ETH sowie der Vizepräsident für Forschung und Wirtschafts­beziehungen eine Mail an alle ETH-Forscher. Darin werden die Mitarbeitenden explizit aufgerufen, die Sanktionen der USA gegen Huawei zu befolgen.

Das ist wohl auch der Grund für die Duldungsstarre der Schweiz, die sich in Sachen Crypto AG kommentarlos hat besteigen lassen.

Und sie beschreiben daraus eine interne Anweisung der ETH, die direkt das Wording des US-Handelsministeriums übernimmt.

Und sie halten sich auch direkt an die Vorgaben der Amerikaner, wonach alles als amerikanischen Ursprungs gilt, bei dem der Anteil amerikanischer Technik am Marktwert 25% übersteigt.

Und damit unterliegt die ETH faktisch den Anweisungen der US Handelsbehörde, und damit der USA schlechtin. Zwar bezieht sich der Artikel auf neue Gegebenheiten seit 2019, aber die Beschreibung trifft zweifellos auch auf die Zustände vorher zu. Insbesondere auf die Zustände in den Neunziger Jahren (während meines Promotionsverfahrens), als nämlich genau dieses Exportspiel schon einmal mit Kryptographie gespielt wurde. Damals gab es ja auch das Exportverbot.

Und dementsprechend weist die ETH ihre Mitarbeiter an, keine amerikanische Technik an Huawei weiterzugeben, keinerlei amerikanische Dienstleistungen zu verwenden und so weiter.

Wenn man es eng auslegt, dürften sie nicht einmal eine E-Mail von einem Mac oder Windows-Rechner aus an Huawei schicken.

Gemäss US-Recht fallen einfache Konversationen zwischen Wissenschaftlern aus Europa und China unter die Export­kontrollen für technische Daten, sie sind sogenannte deemed exports. Theoretisch müsste dafür eine Lizenz bei der US-Regierung beantragt werden. ETH-Sprecherin Franziska Schmid widerspricht dieser Sichtweise jedoch: «Gemeinsame Forschungs­gespräche sind unter Einhaltung der geltenden Export­kontroll­bestimmungen mit Huawei-Mitarbeitenden natürlich jederzeit möglich.»

Wie streng das Sprech­verbot tatsächlich ausgelegt wird, lässt sich von aussen letztlich nicht nachvollziehen.

Und das betrifft nicht nur Technik aus den USA, sondern auch Europäische:

Betroffen sind zum Beispiel Projekte zu Computer­chips oder Chips für das «Internet der Dinge». Viele der europäischen Chip­fabriken gehören amerikanischen Eigentümern; bei der logistischen Beschaffung etlicher Chip­bausteine kommt man kaum an der US-Industrie vorbei. Gerade in der Halbleiter­branche spitzt sich der Handels­krieg zwischen den USA und China zu.

«Jede Universität, die export­orientierte Hochsicherheits­technologie erforscht und produziert, fällt praktisch unter die US-Export­kontrolle», sagt Experte Mario Daniels. Ein involviertes amerikanisches Unternehmen – egal, ob aus der Consulting-, der Software- oder der Hardware­branche – müsse Schweizer Forschende dabei lediglich beraten oder ihnen eine Komponente liefern, um in den Anwendungs­bereich des Kontroll­regimes zu fallen.

Und damit stehen insbesondere die Informatiker, Kryptologen, Ueli Maurer unter dem Diktat der Amerikaner. Schon lange. Kein Wunder, dass auf BND-Bitte die Uni Karlsruhe bei der ETH Zürich die Wünsche für ein Falschgutachten einfach so einreichen kann und das auf Kommando von denen bekommt. Die sagen „Frosch, spring!” und der Frosch springt.

Es gab übrigens mal so einen Evaluationsverbund, wo es um Qualität von Forschung und Lehre ging, in dem sich Karlsruhe und die ETH gegenseitig evaluierten und bestätigten, wie toll und wunderbar sie sind.

Und sie schreiben auch, dass es falsch wäre, das nur Trump anzuhängen. Die Situation dauere seit Jahrzehnten an. Seit 1985, um genau zu sein.

Die geopolitische Auseinander­setzung führe Schweizer Hoch­schulen in eine ähnliche Zwickmühle wie viele andere Unternehmen auch, erläutert Seco-Sprecher Fabian Maienfisch: Sie müssten eine Güter­abwägung vornehmen. Und sich entscheiden: entweder für die USA oder für China.

Selbstredend fällt die Wahl dabei in den meisten Fällen auf die USA.

War das also nun ein Warnschuss aus China?

In dieser Gemengelage gerät die akademische Welt zwischen die Fronten. Auch sie funktioniert immer stärker global und muss sich in die technologischen Wert­schöpfungs­ketten integrieren. Dennoch gelten für die Hochschulen noch immer die Regeln von 1985. Das ist bizarr – und hat gerade für den Schweizer Forschungs­standort ungeahnte Konsequenzen.

Über die offen zu sprechen sich bei den Hoch­schulen niemand richtig traut.

Ich denke, das erklärt sehr gut, warum man sich in Crypto-Fragen von der ETH Zürich jederzeit auch absurde Falschgutachten bestellen kann. Ob nun zu Maschinen der Crypto AG oder zu unerwünschten Dissertationen.