Über Grundrechte, Beleidigungen und Sawsan Chebli
Oder: Das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Es gab ja in letzter Zeit einige Diskussionen um die Frage, was man im Kontext von Politikern sagen darf und was nicht.
Besonders auffällig – und hier im Blog beleuchtet – waren die Desinformationen der Presse. Etwa hieß es, ein Gericht habe geurteilt, dass man Renate Künast als „Drecksfotze” bezeichnen dürfe, ein Rechtsanwalt hatte Anzeige wegen Rechtsbeugung gestellt. Dabei stimmte das so nicht, wie ich das erläutert hatte, das Gericht hatte keineswegs beschlossen, dass man sie so nennen darf, sondern lediglich die Gestattung der Auskunft verweigert, und ich hatte anhand der Enscheidung erläutert, dass Künasts Anwalt den Antrag miserabel gestellt hatte, und er schon deshalb verlieren musste, was die breite Masse der Besserwisser, der Schreiberlinge und selbst der meisten Juristen aber nicht weiß und nicht versteht. So eine Gestattung ist eben kein Strafverfahren, sondern eine ganz bestimmte Verfahrensart, in der der Antrag richtig gestellt werden muss, sonst wird er abgelehnt. Aber man war der Meinung, die Richter sind Schufte, ihr Urteil (das nur ein Beschluss war) dürfe keinen Bestand haben. Man dürfe es nicht anerkennen.
Dann gab es die Entscheidung in Sachen Björn Höcke, von der dann plötzlich viele Politiker und Journalisten behaupteten, es gebe ein Gerichtsurteil, wonach man Höcke straflos einen Faschisten nennen dürfe. Hatte ich auch erläutert: Weder gibt es dieses Urteil, noch war Höcke verfahrensbeteiligt, noch hat das Gericht sowas entschieden. Auch da haben all die Schreiberlinge mal wieder (absichtlich?) nicht verstanden was da eigentlich passiert und volles Rohr drauflosgefakenewst. Immer wieder schreiben mir Leser, dass Journalisten das in irgendwelchen Sendungen behaupteten, aber richtiger wird es dadurch nicht.
Kurioserweise hat man das vermeintliche Urteil im Fall Künast als Skandal gesehen, der so nicht stehen bleiben dürfe, während man das vermeintliche Urteil – obwohl es sowas gar nicht geben kann – als generelle Freigabe und ultimativen Beweis gesehen, jemanden als Faschisten zu nageln.
Es wird gelogen, dass die Wände wackeln, und immer so, dass es politisch passt. Man lügt nicht nur, man widerspricht sich auch selbst.
Verblüffenderweise gab es dann heute (noch nicht rechtskräftig) mal ein richtiges Urteil des Inhaltes, dass man einen Politiker etwas nennen darf (oder genauer gesagt: Der Angeklagte es durfte. Es gibt nämlich keine normalgerichtlichen Urteile, dass die Allgemeinheit etwas dürfe, auch wenn der Journalistensumpf das immer wieder behauptet und fakenewst.)
Heute nun wurde in Berlin vor dem Amtsgericht gegen ein Youtuber verhandelt, der Sawsan Chebli als „Quotenmigrantin der SPD” und „islamische Sprechpuppe” bezeichnet hatte.
Im gegensatz zu den Fällen Künast und Höcke war das nun wirklich mal ein Gerichtsverfahren gegen einen, der etwas geäußert hat, an dem der Bezeichnete beteiligt war, von einem Strafgericht, in dem es darum ging, ob der das darf.
Und das Ergebnis: Man hat ihn freigesprochen.
Ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass das auf irgendwelche Aufmerksamkeit fiel. Ich hatte die Ankündigung der – ich glaube es war die – Staatsanwaltschaft neulich in der Presse gelesen und hatte eigentlich vor, mir das mal anzuhören, und erwartet, dass es irgendeine dröge Verhandlung mit einem oder zwei Zuhörern sein könnte. Hat mir zeitlich nicht gepasst, weil es um die Mittagszeit lief.
War gut, dass ich nicht da war, denn da war wider erwarten einiges los, wo man einfach nicht dabei sein und schon gar nicht auf Bildern oder Videos zu sehen sein will.
Das sind die Bilder von heute. https://t.co/TSHQ7C8w3R
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) February 27, 2020
Da prallten wohl Nazis und Antifa aufeinander. Bedenkt man, dass „Antifa Zeckenbiss” schon in Chemnitz so eine seltsame Rolle spielte, und es da ja auch hieß, dass man Leute sieht, die wie Rechte auftreten und Linke sind, muss man sich schon fragen, ob das da alles echt oder eine inszenierte Aufführung war, bloß gut, dass ich nicht da war. Wie man das demokratisch einordnet, dass man als Teil der Öffentlichkeit lieber nicht an einer öffentlichen Verhandlung teilnimmt, ist eine andere Frage.
Der Tagesspiegel schreibt dazu: Gericht spricht Angeklagten frei
Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat einen 46-Jährigen vom Vorwurf der Beleidigung der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) freigesprochen. Die Äußerungen des Mannes im Internet seien noch von der Meinungsfreiheit gedeckt und daher nicht strafbar, urteilte das Gericht am Donnerstag. In einem Video soll der Mann Chebli als „Quotenmigrantin der SPD“ und „islamische Sprechpuppe“ bezeichnet haben.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer die Äußerungen des Mannes als massiv abwertend und rassistisch eingeschätzt. Es sei um bewusste Diffamierung und nicht um politischen Diskurs gegangen.
Der Angeklagte wies die Vorwürfe vor Gericht zurück und berief sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung. Er hege keinen Groll und keine bösen Absichten gegen Chebli, sagte der frühere Polizist am Donnerstag vor dem Amtsgericht Tiergarten. Doch Chebli trete polarisierend in der Öffentlichkeit auf, er wolle ihr Paroli bieten, so der Angeklagte.
Und nach bestehender Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit muss das gedeckt sein, weil es eben keine reine Schmähung ist, sondern eine inhaltliche Kritik darstellt. Und die darf auch zugespitzt und provokativ geäußert werden. Zumal die SPD ja selbst für Quote und für Migration ist, das also von denen selbst thematisiert wurde.
Auch die Seite Berlin.de von eben Berlin schrieb dazu: Gericht: Staatssekretärin Chebli nicht beleidigt („Beleidigt” ist sie schon, das ist sie nach meinem Eindruck eigentlich fast immer, sie lebt geradezu davon, aber eben nicht im strafrechtlichen Sinne einer Beleidigung.)
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) muss ein Youtube-Video, in dem sie als «Quotenmigrantin der SPD» und «islamische Sprechpuppe» bezeichnet wird, laut einem Urteil hinnehmen. Die Äußerungen seien im Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar, entschied das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Donnerstag. Damit wurde ein 46 Jahre alter Ex-Polizist vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen.
So. Das ist jetzt mal ein Urteil des Inhaltes, dass einer etwas über einen Politiker sagen darf. Allerdings noch nicht rechtskräftig, und die Begründung wird man sich ansehen müssen.
Aber: Auf der Linie der Verfassungsrechtsprechung zu Artikel 5 GG. Wenn man sich daran hält – und Gericht sind daran gebunden – konnte nichts anderes als ein Freispruch rauskommen.
Der Staatsanwalt, der eine Strafe von sechs Monaten Haft auf Bewährung sowie eine Geldauflage von 3000 Euro verlangt hatte, kündigte bereits Rechtsmittel an. Auch Chebli will gegen das Urteil vorgehen.
Das Künst-Höcke-Syndrom: Wenn es politisch gerade passt, ist ein Gerichtsurteil (unabhängig von seiner Existenz) der unantastbare Beweis, dass jeder etwas darf, oder ein Skandal, gegen den man vorgehen muss. (Gern genommen die Drohung, „bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen”.)
Heißt: Praktisch niemand richtet sich in Journalismus und Politik noch nach Rechtsprechung, sondern bewertet alles nur danach, ob es die eigene Meinung bestätigt oder eben nicht. Richter liegen genau dann richtig, wenn sie des schreiben Laien politische Wunschmeinung bestätigten. Sonst nicht. Zu lesen, was der Richter schreibt, sind die allerwenigsten imstande. Wikipedia dazu:
Als funktionaler Analphabetismus oder Illettrismus wird die Unfähigkeit bezeichnet, die Schrift im Alltag so zu gebrauchen, wie es im sozialen Kontext als selbstverständlich angesehen wird. Funktionale Analphabeten sind Menschen, die zwar Buchstaben erkennen und durchaus in der Lage sind, ihren Namen und einige wenige Wörter zu schreiben, die jedoch den Sinn eines etwas längeren Textes entweder gar nicht oder nicht schnell und mühelos genug verstehen, um praktischen Nutzen davon zu haben. Eine feste Grenze zwischen „verstehen“ und „nicht verstehen“ existiert dabei nicht.
Auch in vielen Industrieländern gibt es sogenannte funktionale Analphabeten, obwohl diese den Besuch eines allgemein zugänglichen Bildungssystems vorweisen können, die dort mehr oder minder mangelhaft erlernten Fähigkeiten aber zwischenzeitlich wieder teilweise oder vollständig verlernt haben.
Chebli kritisierte das Urteil. Es sei eine «bittere Nachricht für alle, die sich tagtäglich für unsere Demokratie stark machen, für alle, die von Hass und Hetze betroffen sind, für alle, die von Rassisten beleidigt, bedroht und angegriffen werden», teilte die SPD-Politikerin mit. Sie werde ihre Stimme weiter laut erheben.
Der Richter sagte im Urteil, Kernfrage sei – wie so oft – die «Grenzziehung zwischen Meinungsfreiheit und unzulässiger Herabsetzung». Die Äußerung «Quotenmigrantin der SPD» könne zwar als unverschämt oder kränkend empfunden werden, sei aber «unproblematisch zulässig». Durch die Bezeichnung «islamische Sprechpuppe» werde die Politikerin zwar «hart getroffen», sie liege aber im Kontext des veröffentlichten Videos «haarscharf auf der Grenze des Zulässigen». Der Angeklagte habe im Prozess erklärt, dass er die SPD-Politikerin kritisieren wollte, weil sie über Twitter fast ausschließlich Positionen anderer weiterleite.
Ich habe noch keine Urteilsbegründung gesehen, aber nach dem, was die da Schreiben, hat der Richter korrekt entlang der bestehenden Verfassungsrechtsprechung entschieden.
Das Gerede von Chebli halte ich dagegen für ziemlich dumm. Richtig dumm. Denn hinter dieser Aussage steht ja die Auffassung, dass verschiedene Menschen gibt, die unterschiedlich stark gegen Äußerungen anderer geschützt wären. Und dass das Gericht sich danach richten müsse, was für die besonderen guten Menschen eine „bittere Nachricht” wäre.
Chebli macht sich nicht für Demokrati stark. Sie macht sich für Partikularinteressen stark und hat eigentlich nicht verstanden, was Demokratie überhaupt ist. Denn Demokratie setzt voraus, dass es Meinungs- und Redefreiheit gibt, und die kann es nur geben, wenn sie auch weit ausgelegt wird. Sie bildet sich da so eine Art Immunität von Moral wegen ein, was für mich eigentlich klar belegt, dass Chebli in unserer Rechtsordnung und unserem Rechtssystem nicht angekommen ist. Sie betont zwar immer so gerne, hier geboren udn aufgewachsen zu sein, aber das ist wohl eher eine geographische Sichtweise. In unserem Demokratieverständnis ist sie nicht angekommen, wenn sie sich so äußert. Anscheinend kann sie es auch nicht akzeptieren und einsehen, dass auch mal jemand anderes als sie Recht haben und bekommen könnte. Sie argumentiert ja auch nicht juristisch, sie argumentiert da moralisch und aus der Überzeugung, dass sie irgendwie so eine Art besonderer Menschenschlag sei, der höher geschützt ist, und der Widersacher eine niedrige Kaste, der keine Rechte zukommen. Ich halte das für zutiefst demokratiewidrig, was die da äußert, und ich habe nicht den Eindruck, dass sie Demokratie und Grundrechte verstanden hat und respektiert. SPD-Politikerin halt.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer die Äußerungen des Mannes als massiv abwertend und rassistisch eingeschätzt. Es sei um bewusste Diffamierung und nicht um politischen Diskurs gegangen.
Da liegt die Staatsanwaltschaft falsch. Es ist keine Voraussetzung der Meinungsfreiheit, an einem politischen Diskurs teilzunehmen. Das ist keine Voraussetzung für Meinungsfreiheit. Weder muss es politisch sein, noch muss man überhaupt an einem Diskurs teilnehmen. Typisch linkes Geschwafel. Es reicht, dass man subjektiv den Wunsch hat, seine Meinung zu äußern. Ob die für andere wichtig ist, ist irrelevant.
Und eine Meinung darf wertend sein. Darin liegt ja gerade der Sinn. Also darf sie auch abwertend sein.
Das Problem dürfte wohl eher sein, dass die Staatsanwaltschaften in Deutschland nicht unabhängig, sondern weisungsgebunden sind und politisch gesteuert werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der rot-rot-grüne Senat – Justizminister Dirk Behrendt gilt ja ohnehin als extrem fragwürdige Besetzung – da die Staatsanwaltschaft in eigener Sache losgeschickt hat.
Mit dem Urteil ist auch ein Strafbefehl gegen den Mann hinfällig. Er war im November 2019 zunächst zu einer Geldstrafe von 1500 Euro (50 Tagessätze zu je 30 Euro) verurteilt worden. Dagegen hatte er Einspruch eingelegt.
Auch das ist Verfassungsrecht: Wer sich selbst exponiert, muss mehr hinnehmen als andere. Je höher im Staat, desto mehr muss er aushalten.
Oder anders geagt: Wer die Hitze nicht veträgt, sollte die Küche meiden. Man kann sich nicht einerseits das hohe Gehalt einer Staatssekretärin einverleiben und dann die Prinzessin auf der Erbse geben. Ich halte solche Personalien ohnehin für eine Beleidigung jedes Steuerzahlers.
Die Staatsanwalt und ich werden weitere Rechtsmittel einlegen. So leicht kriegen Rassisten mich nicht klein. https://t.co/DLewt6lfey
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) February 27, 2020
„So leicht kriegen Rassisten mich nicht klein.”
Die sieht’s nicht ein. Sowas wie eine juristische Erklärung, eine Prüfung des Urteils, gibt’s bei der nicht. Die hält sich für demokratisch, ist aber schon überfordert damit, dass es eine Rechtsprechung und Gewaltenteilung gibt. Als ob es von ihrem Durchhaltevermögen abhänge, was Recht ist und was nicht. So eine Diskurs-Wilkür. Die scheint davon überzeugt, dass sie moralisch so hochstehend und wertvoll ist, dass man sie nicht und niemals kritisieren darf. (Ich könnte mich ad hoc nicht erinnern, von der schon einmal eine Leistung gesehen zu haben.) Dass jemand anderes als sie Rechte haben könnte, dass insbesondere jemand gegen sie Rechte haben könnte, scheint sie nicht einsehen zu können.
Irgendwie scheint die sich für eine Art Adel oder höhere Kaste zu halten. Zumal sie ja selbst nicht gerade zurückhaltend beim Austeilen ist:
Das Urteil ist bitter für mich und alle, die sich für unsere Demokratie stark machen. Lasst Euch nicht einschüchtern, zeigt Rassisten bitte weiter an. Lasst uns nicht in Ohnmacht verfallen, sondern dafür kämpfen, dass Deutschland ein freies, offenes und vielfältiges Land bleibt.
— Sawsan Chebli (@SawsanChebli) February 27, 2020
Alles Rassisten, was nicht passt. Und anscheinend hält sie sich auch selbst für eine Rasse, wenn man den Rassist ist, sobald man etwas gegen sie sagt.
Ich halte die Frau vor allem für eine groteske Fehlbesetzung. Am naheliegendsten wäre es gewesen, solcher Kritik Leistung entgegenzusetzen. Aber was hätte sie bisher geleistet?
Warum fällt es einer Staatssekretärin eigentlich so schwer, sich mal über unser Recht zu informieren, sich danach zu richten? Wie will sie eigentlich ihre Tätigkeit ausüben, wenn ihr das so schwer fällt? Wie kann man dann überhaupt Staatssekretärin werden?
Jetzt bin ich mal gespannt, wie die, die sich immer auf die Künast- oder Höcke-Entscheidung bezogen, nun darauf reagieren.
Und wie die Sache weitergeht.