Ansichten eines Informatikers

Klage gegen Kontaktverbot

Hadmut
29.3.2020 23:29

In Aachen klagt einer gegen das Kontaktverbot, schreibt die Süddeutsche.

Ein Mann aus Aachen klagt gegen das von der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen wegen der Corona-Krise erlassene Kontaktverbot. Der Kläger wolle sich auch weiterhin mit seinen Freunden in der Öffentlichkeit treffen, sagte Gerichtssprecherin Gudrun Dahme am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster müsse jetzt prüfen, ob die Rechtsverordnung der Landesregierung verhältnismäßig ist und ob es eine Rechtsgrundlage gibt. Der Kläger greift die Vorgabe an, dass Menschen sich in Gruppen mit mehr als zwei Personen nicht in der Öffentlichkeit treffen dürfen. Das OVG will in der nächsten Woche entscheiden.

Es gibt inzwischen juristische Aufsätze, wonach es Körperverletzung, fahrlässige Tötung oder eben auch (bedingter Vorsatz = billigend in Kauf nehmen) Mord sein könnte.

Es wäre abzuwarten, ob er, falls er Recht bekommt,

  • selbst infiziert wird,
  • andere infiziert und in den Knast geht,
  • verdroschen wird.

Einerseits kann ich nicht nachvollziehen, wie Leute so drauf sein können. Wenigstens klagt er noch und macht nicht sein eigenes Recht.

Andererseits ist die Frage interessant und ich würde gerne wissen, wer dahintersteckt, ob das wieder so eine Art strategische Prozessführung ist.

Auch wenn er durchkommt, wird ihm das nicht viel bringen. Wenn das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass es keine gesetzliche Grundlage gibt, wird es am nächsten Tag eine geben. Momentan sind sie schnell, was Gesetze angeht.

Allerdings sehe ich da anders als das Lawblog keine hohe Chancen. Da heißt es:

Auch wenn sich der Rechtsbehelf „egoistisch“ (so eine Boulevardzeitung) anhört, ganz ohne Chancen ist der Antragsteller nicht. Juristische Probleme erwarte ich weniger bei der Regelung an sich, das robuste Vorgehen der Landesregierung wird angesichts der Bedrohung derzeit wohl kaum als grob unverhältnismäßig eingestuft werden können.

Aber beim Wort „Landesregierung“ sind wir schon mitten in der juristischen Grauzone, welche das Verfahren durchaus brisant macht. Es ist nämlich die Art und Weise, wie sich der nordrhein-westfälische Landtag und wohl auch die weitaus meisten anderen Länderparlamente „verzwergen“, wie es der Juristische Korrespondent der FAZ schon vor Tagen in einem Leitartikel ausgedrückt hat.

Statt das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und wichtigste Fragen per Gesetz zu regeln, ducken sich die Parlamente weg. Sie überlassen der Landesregierung, also der Exekutive, genau die Aufgaben, die sie in der Krise eigentlich selbst regeln müssen. Die jetzt erlassenen Rechtsverordnungen und Allgemeinverfügungen schränken massiv so ziemlich jedes Grundrecht ein, das wir Bürger haben. Solche Schritte können möglich sein, aber für diese gilt der sogenannte Gesetzesvorbehalt.

Das Problem daran ist eben, dass das vorliegt, was der Jurist „Gefahr im Verzug” nennt – also den ordentlichen Weg zu bestreiten zu lange dauern und damit den Zweck vereiteln würde. Man es nicht mehr voll rechtskonform machen kann (sofern das Gericht keine Rechtsgrundlage findet). Denn ganz ohne Rechtsgrundlage findet das ja nicht statt.

Denn Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz lautet:

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Jeder hat ein Anrecht auf Schutz seines Lebens uns seiner körperlichen Unversehrtheit. Der Staat hat das zu schützen und kann sich dieser Verpflichtung nicht durch Unterlassen einer Rechtsvorschrift entledigen. Deshalb führt es meines Erachtens rechtlich nicht zum Wegfall des Verbotes, dass es keine Rechtsgrundlage gibt, denn sonst wäre die Vorschrift ja nutzlos, wenn der Staat sie einfach ignorieren könnte, indem er sie nicht gesetzlich umsetzt.

Und Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Die Menschenwürde wurde in letzter Zeit schon aus weit geringeren Anlässen bemüht. Etwa weil ein Intersexueller behauptet habe, er fühle sich mit dem Eintrag in seinem Reisepass nicht wohl, als ob das irgendwie jucken würde.

Und mit der Gender-Hysterie haben viele, vor allem auch Journalisten und Juristinnen, die Auffassung vertreten, dass aus Artikel 3 ein Handlungsauftrag erwachse und sowas wie Gleichstellung, Lohngleichheit und so weiter durchgesetzt werden müsse, ohne dass es noch einer normalgesetzlichen Normierung bedürfe.

Dann dürfte das jetzt in diesem weitaus kritischeren Zustand nicht weniger gelten.

Man darf gespannt sein.