Ansichten eines Informatikers

Vom Haareselbstschneiden unter Corona-Bedingungen

Hadmut
22.4.2020 14:36

Was kann da schon schief gehen, hatte ich mir so gedacht.[Nachtrag]

Normalerweise gehe ich spätestens alle 2 Monate zum Friseur.

Ich fühle mich nicht wohl, wenn die Haare zu lang sind. Und zu lang sind sie, wenn sie in verschiedene Richtungen stehen können. Ich habe sehr dünne, feine Haare, und da sieht alles jenseits der 15mm ungepflegt aus. Zudem verfüge ich am Nordende über den männertypischen eigenen Hubschrauberlandeplatz, und weil ich es ganz schrecklich finde, es wie in den 60er und 70er Jahren an der Seite, wo es noch wächst, lang runterwachsen zu lassen und dann so im Nachkriegsbeamtenstil Strähne für Strähne sorgfältig oben quer rüberzulegen und mit Pomade anzukleben, damit’s nicht gleich wegfliegt, halte ich es mit dem „Maschinenhaarschnitt 9mm”. Ist die Hitze groß und gebe ich mich dem Übermut hin, wage ich auch mal die 8mm. Ich liebe es, die Haare nach dem Duschen – wenn überhaupt – damit zu trocknen, genau nur ein einziges Mal mit dem Handtuch drüberzuwischen. Fertig. Haarpflegeprodukte brauche ich nicht, die Haare können gar nicht alt genug werden, damit das irgendwelche Relevanz hätte. Haare wachsen 1 bis 1,5 cm im Monat. Haarsubstanz wird bei mir also immer nur höchstens 3 Monate alt.

Die schreckliche Moritat, wie ich zu der Gewohnheit kam, seit 30 Jahren nur noch den Maschinenhaarschnitt zu nehmen, habe ich schon oft erzählt, die muss ich hier nicht nochmal aufkochen.

Was? Wie? Na gut, wenn’s wirklich unbedingt sein muss, die Kurzversion: Ich war in Karlsruhe im Karstadt beim Friseur, aber die Azubine hat mir ganz fürchterlich die Haare vermurkst und verstufenschrägschnittet, da vor allem hinten ganz fürchtlich aus. In der Uni haben sie mich alle drauf angesprochen, ginge gar nicht. Ich also zurück und beschwert, die Chefin „Wie peinlich”, war ihr total unangenehm, aber sie sagte, man könne nichts wieder ankleben, der einzige Rettungsplan bestehe ich einem Maschinenhaarschnitt auf Einheitslänge. Und dieser Krisenrettungshaarschnitt hat mir so gut gefallen, dass ich seither nur noch den nehme.

Seither habe ich permanente Zufriedenheit. Egal, wohin ich gehe, ich bekomme immer exakt das, was ich will, zuverlässig, problemlos, und vor allem: Schnell, zügig und oft auch billiger als der normale Haarschnitt.

Einen Zwischenfall gab es, der einer Friseurmeisterin fast den Herzinfarkt gebracht hatte. Ich war mal auf Dienstreisen in irgendeinem fremden Friseursalon und hatte „Maschinenhaarschnitt 9mm” bestellt, aber irgendwie hatte sie das nicht richtig kapiert. Sie schnippelte da so irgendwie etwas unschlüssig und zögerlich herum, als wolle sie mir die Spitzen schneiden, den Spliss entfernen (Männer mit meiner Haarlänge haben keinen Spliss, das geht nicht). Als sie fertig war und den Spiegel hinter mir schwenkte, tadelte ich, dass das aber ganz sicher keine 9mm seien, und zog so die Haare von mir weg, denn das waren locker 3 cm. Sie, total entsetzt und verschreckt, so exakt könne man ja keine 9mm wegschneiden, und das hätte ich gleich sagen müssen, wenn sie zuviel schneidet, das können man ja nicht mehr rückgängig machen. Ich habe dann aufgeklärt, dass sie nicht zuviel, sondern zuwenig weggeschnitten hat, und dass sie die Haare nicht um, sondern auf 9mm hätte kürzen sollen, runter mit der Wolle. Und dass man das mit diesen Geräten macht, auf die man den passenden Abstandskamm aufsteckt. Da war sie so erleichtert, dass sie vor Erleichterung, keinen irrepablen Schaden angerichtet zu haben, fast umgefallen wäre. Nervenbündel, die Gute. Im zweiten Anlauf gelang es dann aber. Sie schneide sonst keine Männer, habe nur die Kollegin vertreten, sagte sie.

Kurz: Ich bin sowas von total zufrieden mit „Maschinenhaarschnitt 9mm”. Wenn ich ausgelassen und übermütig bin, dann 8mm. Für bevorstehende Kampfeinsätze 7.

Aber, ach.

Den letzten hatte ich im Dezember. Danach kam mir ab Februar irgendwie Corona dazwischen.

Entsprechend sehe sah ich aus. Und jetzt wollen die alle Videoconferencing machen. Wollen sie ja schon lange, aber jetzt auch so, dass man die Teilnehmer alle sieht.

So geht’s nicht weiter. In der letzten Telko mit Kollegen hatte ich schon gesagt, dass es vor lauter Heimsitzerei nicht mehr länger zu vermeiden sei, dass ich Hand an mich selbst legte. „Das wollen wir gar nicht wissen!”, so die Antwort. „Oben!”, stellte ich klar, „ich rede von oben!” Quarantäne verschiebt die Sichtweisen.

Wie also stellt man das an? Alleine.

Nun, in meiner Unizeit und noch kurz danch hatte ich Vollbart, und weil der gestutzt und gepflegt werden muss und ich alle paar Monate aus tiefenhygienischen Gründen mal komplett absäbelte, hatte ich elektrische Haar- und Bartschneidemaschinen. Mehrere, um genau zu sein, weil die mal im Sonderangebot zu 9 zu haben waren. Ob 9 DM oder 9 Euro weiß ich nicht mehr. Eine hatte das Zeitliche gesegnet, eine den Umzug nicht überlebt, zwei hatte ich verschenkt, eine war noch – originalverpackt – übrig. Also, dachte ich mir, den beiligenden Abstandskamm der Länge 9mm drauf, und dann einfach auf dem Kopf hin- und herfahren, bis nichts mehr runterfällt. Was kann da schon passieren?

Männertechnische Problemlösungen

Das Problem ist, dass man nicht sieht, was man hinten am Hinterkopf so macht.

Ein Männerproblem. Also musste eine Männerlösung her.

Ich habe neben dem Badezimmerspiegel, auf dem ich mich aus optisch-physikalischen Gründen nur von vorne sehe, einen Monitor aufgestellt, und per HDMI-Kabel eine ActionCam angeschlossen, die auf einem Stativ hinter mir stand und mich von hinten aufnahm. Auf diese Weise konnte ich prächtig sehen, „was hinten los ist”.

Übrigens muss man noch das Hirn überlisten.

Denn auch wenn diese ActionCam-Monitor-Kombination den Vorteil hat, dass die Kamera dieselbe Blickrichtung wie die Augen hat und deshalb das Bild seitenrichtig erscheint (rechte Körperhälfte auf rechter Bildseite, eben als würde man hinter sich selbst stehen), kommt das Hirn durcheinander, wenn man den Haarschneider normal, also so der Länge nach, in der Hand hält, weil das Hirn dann irgendwie zuviel umdenken muss. Es funktioniert aber problemlos, wenn man den Haarschneider vorne und von der Seite anfasst und das Handgelenk nicht abknickt, und zwar immer mit der Hand, auf deren Körperseite man sich was schneidet. Da muss man nicht umdenken, das Gehirn kann das sofort und ohne weiteres koordinieren. Als ob man sich mit der Hand über den Kopf streicht.

In dieser Hinsicht funktioniert das weit besser, als ich das gedacht hätte. Ich habe mich am Schluss sogar ohne den Abstandskamm an den Nackenschnitt gewagt. Nicht gerade schön geraten, aber zumindest besser als vorher, ungeschnitten.

Ungenügend war dagegen die billige Haarschneidemaschine. Obwohl ich mit den Dingern zum Bartstutzen immer sehr zufrieden war, und ich absichtlich nur Geräte mit Kabel statt Akku (der die 20 Jahre im Schrank auch nicht durchgehalten hätte) gekauft hatte, hat die das nicht so gebracht, wie ich mir das vorgestellt hatte. Gut, ich musste sie sowieso erst frisch ölen, damit die überhaupt ansprang, weil im Laufe der Zeit eingetrocknet. Aber so einen schönen, glatten, effektiven Schnitt wie beim Friseur gab es nicht, das Ding erschwischte die Haare eher so nach dem Zufallsprinzip. Ich habe ziemlich lange gebraucht, locker die vierfache Zeit eines Friseurs, bis oben nichts mehr wegzuschneiden war. Immer, wenn ich dachte „Jetzt aber” habe ich irgendwo noch lange Strähnen entdeckt. Dummerweise lief die Maschine zwischendurch auch so heiß, dass ich sie nicht mehr in der Hand halten konnte, Abkühlpause eingelegt.

Nun kommt nichts mehr runter, aber so ganz einheitlich stoppelig gleichlang wie beim Friseur ist es nicht gelungen mit dieser Billigmaschine. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich beim Friseur nie so genau hingucke und mir keine ActionCam mit Großaufnahme und FullHD (sie kann 4K, aber der Monitor nicht) hinter den Hinterkopf stelle.

Die Operation ist gelungen, nicht misslungen, aber einen Friseurpreis bekomme ich dafür auch nicht. Und Friseur werde ich in diesem Leben auch nicht mehr.

Die Ohren freizuschneiden habe ich damit auch nicht gut hinbekommen.

Nun habe ich mir doch eine etwas teurere, (zumindest laut Werbung) professionellere Maschine bestellt, dem Preis nach immer noch ein Amateurgerät (40 Euro), mit Akku, das aber besser aussieht und auch schräge Kämme hat, um die Ohren sauber auszuschneiden.

Wozu uns das Corona-Virus nicht alles treibt.

Aber weil so viele sagen, sie gingen gar nicht zum Friseur, würden sich die Haare immer selbst schneiden: Es lohnt sich nicht. Wenn ich bedenke, wie lange ich daran jetzt rumgemacht habe, bis da oben keine Büschel mehr rumstanden, wie lange der Aufbau mit Kamera und so weiter war, und ich nun noch (man weiß ja nie, wie lange das Corona-Dings noch geht) ein zweites Gerät bestellt habe, kann ich nur sagen, dass sich völlig lohnt und alles in allem preisgünstiger ist, zum Friseur zu gehen. Schneller, einfacher, besseres Ergebnis. Udn ich muss nicht hinterher das Bad saubermachen und habe nicht die Haare im Waschbecken.

Nachtrag: Ach, einen ganz wichtigen Punkt hatte ich beim Schreiben vergessen, aber ein Leser hatte das auch schon geantwortet:

Gerade, als ich angefangen hatte, zu schneiden, ging mir ein Gedanke durch den Kopf: Wenn das verdammte, 20 Jahre alte Ding jetzt gleich kaputt geht, etwa durchbrennt, dann habe ich ein richtiges Problem. Denn die Lieferzeiten für neue Geräte liegen gerade (ich hatte ja inzwischen noch eins bestellt) bei 1-2 Wochen.

Würde das Ding den Geist aufgeben, während ich mich gerade so angefräst habe, dann sähe ich so richtig beknackt aus.

Ist jemand anderem schon passiert:

Bei mir hätte es noch beknackter ausgesehen, weil ich von der Seite angefangen habe.