Sendenot
Von Fernsehmachen im Allgemeinen und den Leiden der Ohrenpest im Besonderen.
Ich hatte ja schon öfters über die Nöte und Schmerzen des Fernsehmachens geschrieben. Ich hatte ja selbst vor, mehr Videos zu produzieren und auch einiges Material auf der Festplatte, ob nun zum Blog oder noch von der Neuseelandreise 2018, aber mir fehlt schlicht die Zeit. Wenn man das nicht einfach nur ins Handy blubbern will (und selbst dann), ist das wirklich eine Menge Arbeit. Sowas kostet richtig Zeit. Vor allem dann, wenn man es wirklich alleine macht und nicht gleichzeitig kontrollieren kann. (Obwohl mich 2010 in Neuseeland vor deren älterem Parlamentsgebäude – direkt neben dem Bienenstock – mal eine Fernsehtussi ziemlich verblüfft und beeindruckt hat. Da kam eine von einem Fernsehsender, klein, zierlich, niedlich, jung, geschminkt und hübsch zurecht gemacht im Kostüm, so genau die Type, die man in den Fernsehinterviews immer sieht, aber ganz alleine an, und schleppte eine schwere professionelle Fernsehkamera auf einem ebenso schweren, professionellen Stativ samt Ton-Kram geschultert mit sich, stellte die dann auf der Treppe vor dem Gebäude auf, heraus kam irgendein [vermutlich] hochrangiger Politiker, gab der da ein Interview vor der Kamera, und die machte das alles komplett alleine. Kein Kameramann, kein Toningenieur.)
Und, wie manche das machen, mich einfach nur im Wohnzimmer vor das laufende Handy zu setzen, und reinzublubbern, was mir gerade einfällt oder auch nicht, und dann die „Youtube-Taste” zu drücken, das ist dann auch nicht meins. Das ist nicht Video, das ist nur zu faul zum Schreiben.
Wobei ich mich für das, was ich bisher produziert habe, trotz der Anfängerfehler und fehlenden Übung und Zeit (diverse Male erst hinterher beim Schneiden gemerkt, dass der Ton – aus verschiedenen Gründen – nichts ist, konnte es aber nicht wiederholen) jetzt auch nicht gerade schäme, wenn ich sehe, mit welchem Aufwand normales Fernsehen produziert wird. Ja, sieht besser aus. Aber ich hatte mich ja mal beim Tag der offenen Tür in der ARD Berlin deren Studio angesehen und erkundigt, wieviele Leute die für eine Sendung brauchen. Damit seien so 40 Leute voll beschäftigt, hieß es. Ich war auch in meiner Münchner Zeit ein paar Mal in den Fernsehstudios in Unterföhrung und habe mir dort angesehen, was die da alles an Aufwand treiben, ob Koch- oder Kindersendung. Wieviele Scheinwerfer die da brauchen. Und wenn der reinkommt und die jubeln nicht perfekt, kommt er halt nochmal rein, so oft, bis sie perfekt jubeln. Und das ist mir schon vom Fotografieren sehr bekannt, besonders Akt: Es ist eine völlig andere Sache, vor und hinter der Kamera zu stehen, und man braucht zwei dazu (obwohl es auch Leute gibt, die sich grundsätzlich nur selbst fotografieren).
Was ich allerdings auch feststelle: Die Amateure und Hobbyisten holen massiv auf. Seit gute Kameras, die locker FullHD oder 4K in Sendequalität hinbekomme können, schon für unter 2000 Euro zu haben sind, teils auch unter 1000, und nicht wenige Handys inzwischen so gut sind, dass sogar die Sendeanstalten mitunter ihre Reporter mit dem Handy losschicken, stellt sich durchaus die Frage, ob das professionelle Fernsehen wirklich soviel besser ist, wie es teuerer ist.
Manchmal überlege ich, ob dem Fernsehen durch die zunehmende Youtube-Fähigkeit der Leute (ich hatte schon erwähnt, dass ich neulich wieder mal über die Videofähigkeiten der 7-jährigen Nachbarstochter verblüfft war) nicht eine ähnliche Konkurrenz erwächst, wie den Zeitungen durch Blogger.
Bei den textlastigen Medien (Zeitung, Webseiten, Blog) ist durchaus ein Paradigmenwechsel zu sehen, der durch den technischen Fortschritt induziert wird: Früher gab es den großen Zeitungs- oder Zeitschriften-Verlag, der für ein weites, weites Themenfeld zuständig war. Das ging beim Stand der Technik bis zehn oder zwanzig Jahren schlicht nicht anders, weil der Arbeits-, Kosten- und Kapitalaufwand enorm war. Das ging nur kooperativ. Heute kann man als Blogger auch ganz alleine und mit einem Billig-Notebook aus dem Supermarkt Leserzahlen wie Zeitungswebseiten erreichen. Dafür sind Blogger meistens thematisch nicht so breit aufgestellt, sondern beschränken sich auf ihr Interessengebiet. Dafür sind sie dann aber zumindest themenbezogen oft besser und es gibt dann eben mehr von ihnen.
Es erinnert mich an den Wechsel vom Kaufhaus zur Shopping-Mall. Als ich Kind war, kaufte man meist seine ganzen Einkäufe in einem Kaufhaus. Karstadt und Hertie oder Kaufhof und Horten, je nach Stadt. Egal was, da gab’s alles, im Keller die Lebensmittel und im 2. OG den Friseur. Dann aber kamen die Shopping-Malls mit vielen separaten, monothematischen kleinen Läden.
Derzeit sehen wir, dass das herkömmliche Fernsehen Zuschauer an Anbieter verliert, die zwar thematisch viel schmaler aufgestellt sind, aber sich stärker am Kunden orienieren: Netflix, Disney, Amazon Video und sowas. Vielleicht geht das Geschäft mit Serien in diese Richtung, während das Geschäft der politischen Kommentare zum Zeitgeschehen an die Youtuber geht.
Ohrenpest
Ich hatte vor ein paar Tagen schon über die öffentlich-rechtliche Ohrenpest geschrieben, die jeden Tag Corona-Sondersendungen bringt, obwohl es nichts Neues zu sagen gibt, und ich den Verdacht habe, dass die Einblendung „Die Sendung X entfällt” der eigentliche Zweck ist. Denn diese Sondersendungen sind einfach zu machen: Man stellt jemanden in ein Studio, macht Licht und Kamera an und lässt irgendwelche Politiker irgendwas irgendworein labern.
Ein Insider antwortete mir darauf:
Ich bin Mitarbeiter einer großen Rundfunkanstalt und arbeite als Techniker in der Fernsehproduktion. Coronabedingt, d.h. zur Vermeidung von Infektionsketten unter den Mitarbeitenden(!) wurde unser Produktionsaufkommen sehr gründlich eingedampft und auf das Notwendigste reduziert. Wir wurden jeweils einer von zwei Studiocrews zugeteilt, die sich wochenweise abwechseln um eben zu vermeiden, dass zuviele Menschen zusammenkommen.
Fernsehenproduktion ist, wenn man es richtig und gut machen will, ein personalintensiver Prozess, bei dem die einzelnen Positionen nicht wirklich austauschbar sind und es nimmt mitunter auch einige Zeit in Anspruch. Schon zu normalen Zeiten treibt dieser Umstand unserer Verwaltungsdirektion Schweißperlen auf die Stirn, weil Geld ein immer knapper werdender Artikel geworden ist ( trotz Gebühren- erhöhung und der ganzen Kritik daran, aber das ist eine andere Diskussion) und die Sparmaßnahmen an Personal und Produktionen sind für uns deutlichst spürbar.
Da wir aber momentan eben mit so wenig Personal wie nur möglich versuchen uns durchzuhangeln, bleibt alles liegen was wir regulär produzieren könnten; d.h, abgesehen von der journalistischen Neigung ein so ein brisantes Thema, wie eben dieses Virus, auszuquetschen bis wirklich der allerletzte Tropfen ausgewrungen ist (aktuelle Redaktionen sind so, ich habe aufgehört mich darüber zu wundern), gibt es auf der technischen Seite nicht Einfacheres, Billigeres und Unkomplizierteres als eine oder zwei Nasen vor eine Kamera zu positionieren und diese Quasseln zu lassen.
Dies alles dürften meiner Ansicht nach die Gründe für den augenblicklichen medialen Corona-Overload sein.
In meiner Jugend war ich ja von RTL Tutti Frutti durchaus angetan und – die Jugend und die Säfte – auch sonst erfreut darüber, dass die eine Tendenz zu Sexfilmchen hatten, was ich damals sehr progressiv und revolutionär fand. (Hatte ich schon erwähnt, dass ich als Student mal die Erdbeere vor der Kamera hatte und die mit mir mal zum Mittagessen gefahren ist?)
Mit steigendem Wissen lernte ich dann, dass die das nicht geil fanden, sondern schlicht so wenig Geld hatten, dass die sich nichts anderes leisten konnten. Sexfilmchen waren damals das billigste, was man einkaufen konnte, denn sie hatten das Problem, dass sie für ihre Fernsehlizenz 24 Stunden senden mussten, nachts aber keine Werbeeinnahmen generieren konnten. Und irgendwas selbst zu produzieren ging gleich gar nicht. Also sendete man den billigsten Mist, den man lizensieren konnte – Sex-Trash.
Damals war es üblich zu grübeln, was es mit den ominösen Länderpunkten auf sich hatte, umd warum außer Hugo Egon Balder und den Kandidaten praktisch niemand sprach. Das fand in einem italienischen Studio statt, die dort die Original-Sendung machten und im Anschluss daran das alles mit anderen Moderatoren und Gästen einfach nochmal wiederholten (selbes Prinzip beim Dschungelcamp). Die konnten dort alle kein Deutsch, deshalb waren Abweichungen vom Ablauf auch nicht drin, und weil man nicht mal das Geld hatte, die Schilder für DM neu machen zu lassen, mussten sie die Lire-Schilder mit den großen Zahlen verwenden und nannten das halt „Länderpunkte”. Die sahen auch alle paar Sendungen deshalb so müde aus, weil die immer die ganze Staffel in so zwei oder drei Tagen hintereinander weg gedreht haben und dann abends immer schon hundemüde waren.
Billiger war dann das Verkaufsfernsehen. Ich weiß nicht, ob sie das noch machen, aber bei manchen Sendern fingen sie dann so ab Mitternacht an, Staubsauger und Kochtöpfe zu verkaufen, weil sie da nicht mal Geld ausgeben müssen, sondern von den Handelsfirmen für die Sendezeit bezahlt werden.
Und ähnliche Effekte sehen wir nun bei ARD und ZDF in der Corona-Krise. Das hat auch, aber nicht nur mit Geld zu tun. Deren Produktionen stehen nicht nur, deren externe Zulieferer liefern nicht, sondern viele Sendungen funktionieren dann einfach ohne anwesendes großes Team nicht mehr. Deshalb senden die gerade auch so viele Konserven, Wiederholungen. Denn ein nicht gerader kleiner Teil des Programmes wird etwa vom Sport zugeliefert – und da läuft gerade auch nichts. Zumal ARD und ZDF inzwischen so stark von externen Produktionsfirmen abhängig sind, dass sie gar nicht mehr ausreichend produzieren könnten, selbst wenn sie wollten.
Trocken gelaufen
Die Epochtimes schreibt gerade darüber, dass die ARD wegen der Corona-Krise gerade regelrecht trocken läuft und nicht mehr genug Material zum Senden habe.
Die Corona-Krise bereitet der ARD Probleme, alle Sendeplätze zu füllen. ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ „große Lücken im Programm“ voraus. „Ein großflächiges Vorziehen von Erstsendungen, die eigentlich für den Herbst geplant waren, ist leider nicht möglich, da Unsicherheit herrscht, wann überhaupt wieder gedreht werden kann“, führte er aus.
Zu schaffen mache den öffentlich-rechtlichen Sendern auch die Verschiebung von Fußball-Europameisterschaft und Olympischen Spielen. „Allein durch die Absage dieser beiden Sportevents entfallen etwa 220 Stunden Programm“, sagte Herres.
Bei den Olympischen Spielen sei dies weniger dramatisch, da die Übertragungen wegen des Zeitunterschieds zu Japan größtenteils im Nacht- und im Tagesprogramm stattgefunden hätten. „Bei der EM muss vieles durch Wiederholungen kompensiert werden.“
Auch beim Presseportal findet man etwas dazu:
“Auch viele andere Highlights wie das Simultankonzert Wien/Bonn anlässlich des Beethoven-Jahres oder der Eurovision Song Contest fallen aus”, sagte Herres weiter. “Hier werden wir übrigens am 16. Mai ein sehr kreatives alternatives deutsches ESC-Finale live aus der natürlich publikumsfreien Elbphilharmonie zeigen.” Ohne Publikum würden auch Talk-, Quiz- und andere Shows bleiben, “solange Einschränkungen, wie zum Beispiel Abstandsregeln, gelten, um die Verbreitung des Virus einzudämmen”.
Nun ist die ARD an der Corona-Situation zumindest nicht allzu wesentlich Schuld, aber früher oder später wird man schon die Frage stellen müssen, wie es da mit Kosten und Qualität aussieht.
Und ich meine das im doppelten Sinne.
Ich meine das nicht nur bezogen auf die Frage, wie gut das noch ist, was sie jetzt noch senden. Ich sehe allerdings viel lieber die soundsovielte Wiederholung eines guten, alten, statt die Erstausstrahlung eines schlechten neuen Filmes, weil die früher bessere Filme machten (wobei sich die ARD den Zugang zu vielen alten Filmen durch ihren Political-Correctness- und Gender-Schwachsinn selbst abgeschnitten hat). Die könnten ohne weiteres bis Weihnachten ein super Programm machen, wenn sie ihre Unterhaltungsredaktionen nicht mit feministischen Volldeppen vollgepumpt hätten.
Die meines Erachtens wichtigere Frage wäre: Was von dem, was sie gerade nicht senden können, brauchen wir eigentlich?
Oder, um die Frage etwas anders zu würzen: Wollen wir eigentlich?