Fentanyl
Es hat sich wieder mal bewährt, Leute zu fragen, die Ahnung von der Sache haben.
Wieder was gelernt.
Ich hatte gefragt, und eine Reihe von Leuten haben mir geantwortet. Manche schreiben explizit, dass sie Ärzte sind, mitunter sogar die Fachrichtung, etwa Anästhesist, auch ein vermutlicher Pathologe oder Gerichtsmediziner, manche schreiben so, als wären sie Ärzte, und auch ein Drogenkonsument, der aus eigener Erfahrung spricht.
Allerdings auch viele, die nur so herummutmaßen. Wenn Leute schreiben, dass es keine feste Dosis gibt, ab der Fentanyl tödlich ist, sondern das bei jedem anders ist, warum sollte daraus dann folgen, dass Floyd nicht an Drogen gestorben ist? (Ich habe mal vor langer Zeit über einen gelesen, der hohe Dosen Heroin vertrug, aber immer nur, weil er sie zur gleichen Tageszeit, am gleichen Ort in gleicher Umgebung nahm und der Körper sich darauf einstellt hat. Er sei gestorben, weil er die übliche Dosis unter anderen Umständen nahm, und der Körper dann nicht die Toleranz aufgewiesen habe.)
Wesentlicher Punkt ist aber: Alle, die als kompetent und sachkundig erscheinen (sofern sie echt sind und mir nicht einer unter verschiedenen Namen Fake unterjubelte, ich kenne ja keinen davon), kommen zu dem Ergebnis, dass George Floyd nicht an einer Überdosis Drogen starb, zumindest nicht erstickt ist.
Ein zentraler Fehler meinerseits war, dass ich mir die Atemlähmung völlig falsch vorgestellt habe, nämlich so, wie sie mir als Wirkung giftiger Tiere (oder der Hinrichtungen in den USA durch Injektionen) berichtet wurde, nämlich durch Lähmung der Atemmuskulatur. Ich weiß, dass Gifte heftig auf das Zwerchfell wirken können. Das scheint bei Drogen nicht der Fall zu sein. Im Gegenteil berichten mir mehrere Ärzte, dass lediglich der Atemreflex ausfällt, der bewirkt, dass wir unwillkürlich atmen. Namentlich sei das der im Blut rasch ansteigende CO2-Spiegel, der uns irgendwann zum Atmen zwingt, wenn wir die Luft anhalten. Man kann unter Drogen ersticken, indem man schlicht vergisst zu atmen, weil man es nicht mehr reflexmäßig muss. Der Drogenkonsument berichtete, er habe einmal 30 Minuten lang ganz bewusst und sorgfältig ein–aus–ein–aus atmen müssen, um nicht zu ersticken. Das habe funktioniert, aber nur, wenn er es bewusst und gewollt getan hat.
Das heißt, dass unter Drogen jemand nicht wider Willen erstickt. Sondern weil er bewusstlos ist oder es sonstwie vergisst. Es passt aber nicht dazu, dass einer „I can’t breathe” ruft, denn dann will er ja und weiß auch, dass er muss. Man kann an Drogen ersticken, aber man kann nicht dabei über Atemnot klagen. Weil man keine spürt oder nicht mehr in der Lage ist, zu klagen.
Opiate senkten zwar auch, wie von mir angesprochen, den Blutdruck, das sei hier aber auch irrelevant, weil er ja durch den Stress und die offenkundige Anspannung die gegenteilig wirkende Situation hatte.
Einer schreibt aber
Es gibt keine “tödliche Dosis” Fentanyl.
Ich habe Fälle gesehen/begutachtet, die in der Medikamentenspiegelbestimmung mehr als das 20fache der im betreffenden Autopsie-Bericht angegebenen Dosis von 11 ng/ml aufwiesen.
Es kommt bei der Frage der klinisch relevanten Atemlähmung vor allem auf die Dauer des Abusus, die Konstitution, natürlich auch andere/gleichzeitig eingenommene Stoffe an, die synergistisch, teils auch antagonistisch wirken können. Die konkrete Situation wird zu Stress und Schmerzen geführt haben, was als “Antagonist” einer Atemlähmung zu verstehen ist. Wenn die Atemwege in der konkreten Situation aber tatsächlich verlegt bzw. verengt wurden, kann das bei einem durch Opioide grenzkompensierten Atemantrieb natürlich “den Rest geben” …
Deshalb ist die Feststellung der Kausalität, dass jemand sicher bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an einer Opioid-Überdosis verstorben ist, sehr schwierig und erfordert immer eine umfangreiche Ausschlussdiagnostik anderer Ursachen.
Einfach so vor sich hinerstickt ist er also nicht. Ich hatte ja die Vermutung, dass der unter Drogen eine Lähmung der Atemmuskulatur hatte, aber das gibt es so nicht. Das stimmt nicht. (Hängt damit zusammen, dass ich von der eigenen, schon öfters erwähnten schweren Erkrankung und Behandlung vor 30 Jahren weiß, dass Gifte ziemlich heftig auf das Zwerchfell und damit die Atmung wirken können.)
Ein anderer Arzt beschreibt, dass wenn man schon an Fentanyl stirbt, man dazu nicht mehr schreien kann:
Der hat geschriehen das er nicht atmen kann. Bevor dir das Fentanyl das Atemzentrum ausknockt, haut es dir vorher das Großhirn zusammen. Das Großhirn ist Sitz des Bewußtseins und schaltet vor dem vegetativen System des Hirnstamms ab.
Leute die zu viel Opiate haben schreien nicht und sterben dann. Die schlafen ein. Sind nicht mehr erweckbar und schnaufen sich dann langsam in eine Atemdepression, evtl. zusammen mit Erbrochenen das nicht mehr abgehustet wird. Sowas dauert. Es passt nicht zum Video.
Also dürfte damit wohl qualitativ und nicht, wie manche mutmaßten, quantitativ ausgeschlossen sein, dass Floyd allein an Drogen erstickt ist. Was aber auch nicht heißt, dass die Drogen keine Rolle gespielt oder nicht anders gewirkt haben könnten.
Wieder was gelernt. Wusste ich nicht. Ich schaue nicht so oft Leuten dabei zu, wie sie an Drogen sterben, um da über Fachwissen zu verfügen.
Es gab aber auch kuriose Hinweise. Etwa dass die Drogenhersteller gerade Lieferprobleme hätten, weil wichtige Grundstoffe aus Wuhan, China kämen:
Den frappierendsten Hinweis fand ich aber den: Es gab ja 2002 diese Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater, die man dort durch Einleitung von irgendeinem Gas beenden wollte, was aber schief ging, weil danach ganz viele tot waren, auch Geiseln. An den Vorfall kann ich mich noch erinnern, auch daran, dass man ein Gas eingeleitet hatte, aber nicht an welches. Es hieß damals, das sei geheim, und wäre jetzt nie darauf gekommen, oder hätte einen Zusammenhang gesehen. Ein Leser schreibt nun aber, die hätten damals Fentanyl-Gas verwendet. Und verweist dazu auf Wikipedia:
Es wird vermutet, dass ein anästhetisches Aerosol, bestehend aus starken Opioiden in Verbindung mit Halothan, verwendet wurde. Ein Labor in Porton Down, Großbritannien, konnte Spuren von Carfentanyl und Remifentanil an der Kleidung von Betroffenen, sowie den Metaboliten nor-Carfentanil in deren Urinproben nachweisen. Dieses Gemisch hat einen dämpfenden Effekt auf den Atemreflex, der bis zum Stillstand führen kann.
Unter den Geiseln brach Panik aus. Eine Journalistin, die sich unter den Geiseln befand, rief die Radiostation Echo Moskwy an und berichtete in einem Live-Interview, dass die Befreiungsoperation mit einem Gasangriff eingeleitet worden sei. Sie erzählte, dass die Geiselnehmer den Tod der Geiseln nicht gewollt hätten, die Regierung aber entschieden habe, niemanden im Theater am Leben zu lassen.
Da wäre ich jetzt nie drauf gekommen. Immerhin wissen Leser jetzt, was sie in einem solchen Fall tun müssen: Bewusst atmen. Ein-aus-ein-aus.
Letztlich wird man aber auch nicht von der Hand weisen können, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem Atemreflex und dem gibt, was Floyd im Blut hatte.