Von der Stadtflucht zur Landflucht
In San Francisco stürzen die Mietpreise ab.
Sie erklären es damit, dass die Firmen rund um Silicon Valley und San Francisco wegen Corona auf Anwesenheit verzichten und Home Office ermöglichen. Die Leute müssen nicht mehr pendeln – und verlassen in Scharen die Bay Area.
Corona ist aber nur der Grund, warum sie die Gegend verlassen können. Nicht der, warum sie es wollen. Abgesehen von den hohen Preisen ist SF wohl als Wohnort schon lange nicht mehr so beliebt.
Hat man sich aber erst einmal davon gelöst, dass die Mitarbeiter vor Ort sein müssen, ist man schlagartig in einem globalen Arbeitsmarkt. Dann steht man im Wettbewerb mit Billiglohnkräften beispielsweise aus Indien oder anderen Teilen der Welt, die nicht nur weit weniger Miete (oder Hauskaufkosten) zahlen, sondern auch weniger Einkommensteuer, geringere Lebenshaltungskosten, weniger oder gar keine Sozialabgaben. Im Prinzip reicht es, Englisch zu können, einen Notebook und Internet zu haben, um damit dann auch außerhalb jedes rechtlichen, gewerkschaftlichen, sonstigen Schutzes zu arbeiten.
Ich glaube, die langfristigen Folgen der Corona-Krise werden deutlich weitreichender sein, als wir gerade denken. Alles, jeder Job, der sich digitalisieren lässt, wird außerhalb unserer Rechts- und Sozialsysteme landen. Ich hatte das neulich schon mal beschrieben: Sozialstaaten sind ab einem bestimmten Niveau nicht mehr konkurrenzfähig (und brauchen deshalb Mauern, die die Digitalisierung aber so erst mal nicht kennt). Im Wettbewerb gewinnt immer der Arbeitsanbieter mit dem geringsten Sozialniveau, weil der die geringsten Lohnnebenkosten hat.
Und so dürfte ein wesentlicher Grund dafür, dass die Leute abwandern, neben den hohen Mieten auch in den hohen Steuern liegen, und Forbes beschrieb das schon im Februar: Kalifornien hat unverschämt hohe Steuern von 13,3% ab einem Jahreseinkommen von 263.000$ (ich weiß aber nicht, was da noch an Steuern für Bund, Gemeinde und sonstwas dazu kommt). Vergleicht das mal mit unseren Steuern hier.
Neulich schrieb mir jemand, dass es Amerikaner gibt, die erst mal nach Florida ziehen. Weil Amerikaner im Ausland von den USA immer nach dem Steuersatz des Staates ihres letzten Wohnortes besteuert werden. Also suchten sie sich vor der Auswanderung ins Ausland immer einen Staat mit niedrigem Steuersatz quasi als Steuerschleuse. Man könnte also auf den Gedanken kommen, dass die Leute aus San Francisco zunächst mal in steuerliche Abklingbecken anderer Bundesstaaten ziehen um dann – ich weiß nicht, wie lange man da gewohnt haben muss, ein, zwei Jahre – ins Ausland zu gehen.
Auch hier werden wir viele Jobs ins Ausland verlieren, wenn die Firmen erst mal auf den Trichter mit dem Home-Office und der virtuellen Arbeit gekommen sind und dann schlicht und einfach das günstigste Angebot nehmen – das, bei dem man eben keinen Steuersatz von 42% und groteske Lohnnebenkosten zahlen muss.
Ist man aber erst mal an dem Punkt, an dem es egal ist, wo die Mitarbeiter sitzen, dann ist es auch egal, wo die Firma sitzt – zumindest der Firmenteil, der für die Remote-Jobs zuständig ist. Man wird auch sie dahin verlagern, wo die Steuern niedriger sind.
Das werden interessante zehn Jahre.