Ansichten eines Informatikers

Noch ein Puzzlestückchen…

Hadmut
20.9.2020 11:06

Über die Zusammenhänge zwischen Schweiz, CIA, BND in Sachen Crypto.

Obwohl sich mittlerweile ja ein geschlossenes Bild abzeichnet, was für eine Nummer da damals in meinem Promotionsverfahren gelaufen ist, sammle ich ja immer noch Puzzlestücke. Bis vor ein paar Jahren schien das noch eine fast aussichtslose Suche, weil das alles rund 20 Jahre her war, alles verblasst, auch alle unerwünschten Informationen beseitigt waren, das ohnehin nie alles dauerhaft dokumentiert war, weil es stattfand, bevor das Internet in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit kam und die Medien das erfassten. Damalige Informationsmedien wie das Usenet oder eben frühe Webseiten sind schlicht weg, nicht überliefert.

Noch schwieriger wurde das, weil ja viele der damaligen Spielfiguren der 90er Jahre nicht mehr leben und ihr Wissen über die Vorgänge mit ins Grab genommen haben.

Und dann gab es eben doch ein paar Informationshäppchen, weil sich nun doch ein paar politische Verschiebungen ergaben, besonders eben zu den USA und Russland, Aufdeckungen wie Wikileaks und Edward Snowden, und dann eben das plötzliche Hochkochen des (eigentlich vor 20 Jahren schon bekannten) Skandals um die Crypto AG und diese Kooperation zwischen BND und CIA, um die Welt abzuhören. Die – und das war für mich jetzt wirklich Künstlerpech – sofort von Corona verdrängt wurde.

Ein Leser hatte mich die Tage darauf hingewiesen, dass in der Sache ein neues Buch erschienen sei. Res Strehle: Operation Crypto – Die Schweiz im Dienst von CIA und BND. Echtzeit Verlag.

Gestern bekommen, noch nicht gelesen, nur mal geblättert.

Einige Textstellen darin geschwärzt. Ich bin mir aber noch nicht sicher, warum, ich habe es ja noch nicht gelesen. Ob man da dem Verlag Textstellen verboten hat, oder ob man die erst gar nicht drinhatte, aber symbolisieren wollte, dass etwas fehlt, weil es vielleicht gegen irgendwelche Gesetze verstößt, das zu veröffentlichen.

Ich habe mal im Personenverzeichnis nach Otto Leiberich gesehen.

Steht nicht drin.

Was seltsam ist. Otto Leiberich war der Direktor der Zentralstelle für das Chiffrierwesen vom BND. Das ist der, der – damals schon pensioniert, aber immer noch hochaktiv – bei uns am Institut herumschwarwenzelte, sich stets über das informierte, was wir da machten, dem man mein Bundestagsgutachten vorgelegt hatte, der sogar vom „Doktorvater” im Promotionsgutachten namentlich erwähnt wird, und aus dem Zusammenhang zwingend der war, für den das Prüfungsgutachten geschrieben war. Man versuchte das ja damals auch als Geheimsache zu behandeln und nicht mal mir selbst zugänglich zu machen. Sowas kann eine Universität selbst gar nicht, weil sie so etwas wie Geheimhaltungsstufen per se erst mal nicht hat und nur Dissertationen – und das auch nur durch die Landesregierung und nicht die Universität – für geheim erklärt werden können, niemals aber das Prüfungsgutachten gegenüber dem Prüfling. Sowas gibt es überhaupt nicht. Außer in meinem Fall.

Jener Otto Leiberich war einige Male am Institut, wir hatten uns auch einige Male mit ihm unterhalten, ein sehr beeindruckender, schmeichelnder Mann (der beispielsweise uns alle stets mit „Herr Kollege” angesprochen hatte), der nicht nur sehr hohe Sachkunde hatte, sondern auch fesselnd gute Vorträge hielt. Sein Vortrag damals über das Brechen der DDR-Chiffre bis zur Festnahme des Kanzlerspions Guillaume war der beste und spannendste Vortrag, den ich in Sachen Crypto je gehört habe. (Ob er vollständig und wahrheitsgemäß war, kann ich allerdings nicht beurteilen.)

Und genau zum fraglichen Zeitpunkt, als das mit der Crypto AG lief, war Leiberich eben Chef der Zentralstelle für das Chiffrierwesen, die, so konnte man in anderen Quellen lesen, für die Nummer mit der Crypto AG zuständig gewesen war. (Wer auch sonst.) Leiberich muss nicht nur aufgrund seiner Dienststellung maßgeblich und leitend involviert gewesen sein. So eine Nummer wie die Crypto AG würde auch tausendprozentig exakt zu seinem Vortrag über Guillaume passen. Und es besteht da überhaupt kein Zweifel, dass der nicht nur meine Promotion damals vereitelt hat, sondern auch der Vorfall mit dem Versuch, ein Backup-Band meines Arbeitsplatzrechners zu ziehen, das Ziel hatte, das Band an ihn zu übermitteln.

Im Namensverzeichnis dieses Buches taucht er aber nicht auf.

Das sollte man nicht überbewerten, denn Otto Leiberich tauchte in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht auf. Er tauchte jedenfalls öfters bei uns im Institut auf, als man heute Erwähnungen seines Namens findet. Und er taucht im Promotionsgutachten meines „Doktorvaters” auf, das man ja aber nun wieder mit allen Mitteln versucht hatte, geheim zu halten.

Bisschen seltsam, dass Leiberich in den ganzen Berichten über die Crypto AG dann wieder nirgends auftaucht.

Oder vielleicht in den geschwärzten Stellen stand?

Immerhin taucht eine andere Figure meines Promotionsverfahrens darin auf, wenn auch nur ganz kurz: Ueli Maurer. Der Crypto-Professor von der ETH Zürich.

Auf Seite 111 zur Frage, wer von den Eigentümern der Crypto AG wusste.

Die WASHINGTON POST hält es für wahrscheinlich, dass Otth wie drei seiner Vorgänger über den Eigentümer informiert ist, beweisen kann sie es nicht. Dasselbe gilt auch für den letzten Kryptologen der Firma, Markus Stadler. Er hat an der ETH Zürich abgeschlossen, einer der wichtigsten Rekrutierungsorte für die New Yorker Headhunter-Firma der US-Geheimdienste im technischen Bereich. ETH-Kryptologe Ueli Maurer, der zeitweilig die CRYPTO-Konkurrention OMNISEC berät, erinnert sich, dass drei seiner Doktoranden in der ersten Hälfte der neunziger Jahre von der NSA kontaktiert werden: «Ich riet ihnen, den Kontakt abzubrechen und warnte meine ganze Forschungsgruppe vor solchen Kontaktaufnahmen.»

Ich hatte ja auch mal beschrieben, dass ich mal zu einem – ziemlich absurden – Bewerbungsgespräch bei einer seltsamen Firma in München war, die mich als Crypto-Heini haben wollte und von sich aus angeschrieben und eingeladen hatte, das eigentlich auch schon längst als unbeachtlich wieder vergessen hatte, von der ich erst neulich elektrisierende Hinweise bekommen hatte, die darauf hindeuten, dass die eine Tarnfirma des BND gewesen sein und das Ziel gehabt haben könnte, geschwächte Kryptographie in Umlauf zu setzen.

Die Figur des Ueli Maurer ist überaus undurchsichtig. Ich hatte ja mal beschrieben, dass dessen Werdegang über US-Universitäten praktisch unmöglich ohne Geheimdienstkontakt ausgekommen sein kann, weil es Geheimdienstberichte gibt, dass sie an dieser Universität einfach jeden Ausländer danach abklappern. Und in der Schweizer Berichterstattung über die Crypto AG tauchte ja auch die Behauptung auf, dass in den Akten stünde, dass man keine Angst vor Aufdeckung der Schwäche in den Crypto-Geräten habe, weil man in der Schweiz eben die ETH Zürich mit einem Gutachten darüber beauftragen würde, und man da zuverlässige Leute sitzen habe, die ein passendes Falschgutachten erstellen würden.

Und nun schreibt der hier in seinem Buch, dass nicht nur der letzte Kryptologe der Crypto AG von der ETH Zürich stammt, sondern die ETH auch „einer der wichtigsten Rekrutierungsorte für die New Yorker Headhunter-Firma der US-Geheimdienste im technischen Bereich” sei.

Und als ich dann damals vor dem Verwaltungsgerichtshof die erste Streitrunde im Streit gegen die Uni für mich entschieden habe, tauchte in kürzester Zeit, quasi sofort, dieses Pseudogutachten Ueli Maurers zur Ablehnung auf.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für höchstwahrscheinlich (und sehe gerade auch keine andere Erklärung dafür), als dass die Kryptoabteilung der ETH Zürich eine Außenstelle der US-Geheimdienste, von CIA/NSA ist.

Es ist ja deren ständiges Arbeitsschema, Außenstellen außerhalb der USA zu betreiben, weil aus US-rechtlichen Gründen deren Grundrechte (Verfassungszusätze) nur für Amerikaner und Menschen auf amerikanischem Boden, und Recht und Gesetze anderer Staaten für sie sowieso nicht gelten. Die könnten in der Schweiz nicht nur jedes beliebige Recht brechen, aus US-Sicht wären sie dazu sogar befugt, es würde nichts dagegen sprechen.

Zwar dementierte Maurer im Zusammenhang mit der Crypto-AG-Affäre, dass er einer der ETH-Wissenschafler zu sein, von denen in diesen Geheimdienstunterlagen ohne Namensnennung behauptet wird, dass sie für die CIA arbeiteten und jederzeit Falschgutachten für sie erstellen würden. Was zunächst mal leicht zu dementieren ist, weil es zu so einem Gutachten nie gekommen war.

Ein Falschgutachten dieser Sorte hat er aber in meinem Fall eben erstellt und vorgelegt.

Und, das sollte man dabei beachten, von vorherein erklärt, dass er in der Angelegenheit meines Promotionsstreites nicht nach Deutschland reisen oder vor einem deutschen Gericht aussagen werde, offenbar in dem Wissen, dass ihm nach deutschem Recht dafür Ärger drohen könnte. Als sich das deutsche Gericht darum erst mal nicht scherte und ihn eben anschrieb, dass er sich dazu mal erklären sollte, revidierte er seine Bewertung und räumte ein, dass die zwei Seiten der Dissertation, die er überhaupt nur bewertet hatte, doch neu und richtig waren.

Es sind zwar nur Indizien, keine letztendlichen Beweise, aber davon so viele und eine solche dichte, konsistente, stimmige Kette, dass es schon sehr, sehr stark danach aussieht, dass die Crypto-Ecke der ETH Zürich eine Außenstelle der US-Geheimdienste und deutlich näher in die Crypto-AG-Affäre involviert ist, als bisher bekannt.