Ansichten eines Informatikers

Youtube-Psycho

Hadmut
23.9.2020 1:38

Schwierigies Problem.

Ich habe mal in der Rechtsabteilung eines Unternehmens gearbeitet, zu dessen Angebotspalette neben normalen Inhalten und Programmen ganz am Rande auch die Austrahlung/-sendung von Pornos gehörte. Man erzählte mir, es war allerdings vor meiner Zeit dort, ich habe sie nicht mehr kennengelernt, dass man eine junge, talentierte Rechtsanwältin hatte, die sich eine schöne Karriere ausgemalt hatte, dort aber die Aufgabe bekam, die zugelieferten Pornos auf Rechtskonformität zu prüfen. Und wenn man in der normalen Arbeitszeit alles testen will, was auf zwei oder drei Pornokanälen rund um die Uhr läuft, hat man einiges zu tun. Als saß sie den ganzen Tag in ihrem Büro und hat praktisch nichts anderes gemacht, als von morgens bis abends da immer drei Pornos gleichzeitig zu gucken. Das habe sie, so wurde mir berichtet, drei Monate durchgehalten, dann einen Nervenzusammenbruch erlitten und arbeitsunfähig geschrieben. Von der aufstrebenden Musterjuristin zum Wrack durch Porno.

Ich hatte dort ja mal eine Zeit lang vertretungsweise und unwillentlich die Vorratsdatenspeicherung an der Backe. Eigentlich hatte ich damit *überhaupt nichts* zu tun. Aber die Personalabteilung hatte gefordert, dass jeder eine Kranken- und Urlaubsvertretung verbindlich benennen möge, und weil wir nur zwei Informatiker in einer Rechtabteilung waren, haben wir uns – ohne drüber nachzudenken – gegenseitig als Vertretung benannt, dann wurde der länger krank und ich hab’s an der Backe gehabt. Jedenfalls kamen da Anfragen rein, die auch nicht alle Kolleginnen, die das auch mal machen sollten, damit ich das nicht immer alleine mache, ausgehalten haben. Wenn dann so die Anfrage reinkam, dass wieder mal der Kettensägenmörder da war und die Ermittler erst mal vermessen haben, wie hoch und wie weit das Blut an die Küchenwand gespritzt war, und herausrausfinden müssen, wieviele Kinder man aus den gefundenen Einzelteilen zusammensetzen kann, waren die Grenzen so mancher Kollegin deutlich überschritten, und selbst die neugierigste Sekretariatsdame hat sich ihre Neugier und das Lesen eingehender Faxe sehr schnell abgewöhnt. Es fand sich dann aber doch eine Juristin von ausreichender Robustheit, die selbige Eigenschaft darauf zurückführte, en kölsche Mädche zu sein. Der genaue kausale Zusammenhang und was die da in Köln so treiben, um zu einer derartigen Abhärtung zu kommen, erschloss sich mir nicht.

Laut Golem verklagt gerade eine ehemalige Content-Moderatorin Youtube, weil sie vom Youtube-Video-Gucken psychisch krank geworden sei.

Infolgedessen habe die Frau schwere psychische Probleme entwickelt, die mit denen einer posttraumatischen Belastungsstörung vergleichbar seien. Sie leide unter Schlafstörungen, da sie die gesehenen Bilder nicht vergessen könne. Zudem könne sie sich nicht in Umgebungen aufhalten, in denen sich viele Menschen befinden, da sie Angst vor Schießereien entwickelt habe.

Läuft wohl ziemlich übel:

Sogenannte Wellness-Coaches sollten den Mitarbeitern die Arbeit durch psychologischen Beistand erleichtern. In der Realität sollen diese Coaches allerdings keine psychologische Ausbildung gehabt haben und der Klägerin zur Nutzung illegaler Drogen geraten haben.

Geil.

Nach ersten Recherchen zum Thema Arbeitsschutz bei Content-Moderatoren seitens The Verge soll Youtube in die Arbeitsverträge einen Passus inkludiert haben, in dem die Unterzeichnenden akzeptieren, dass sie eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln können.

Da stellt sich mir die Frage:

Warum baut man sich eine Gesellschaft, wählt man sich eine Politik, von der man schon psychisch krank wird, wenn man sie sich nur auf Youtube anschaut?

Warum schimpft man auf Youtube und nicht auf die gezeigte Realität?