Lehren mit doppeltem Akkusativ
Viele Leser schrieben mich wegen eines Grammatikfehlers an.
Ein Kommentar.
Ich hatte im Artikel über die Studenten, die frische Lehrinhalte erwarten, einen Fehler. Ich hatte geschrieben „dass man ihnen denselben Stoff lehrte”.
Worauf hin mir viele Leser schrieben, dass Lehren mit doppeltem Akkusativ steht: Ich lehre jemanden etwas.
Das ist natürlich richtig, weiß ich auch, war mehr ein Betriebsunfall des schnellen Schreibens, weil ich wieder mal während des Schreibens den Satz umgebaut habe, erst hatte ich da „präsentierte” stehen und es dann geändert.
Ich habe es korrigiert.
Wenn ich darüber aber nachdenke, warum mir der Fehler nicht aufgefallen ist, kommt mir der Gedanke, dass mein Sprachgefühl nicht blockiert hat, weil der Akkusativ hier auch nicht richtig passt.
Jemanden etwas zu lehren (ich bitte zu beachten, dass ein Infinitiv mit zu steht) heißt nämlich nicht, sich in den Hörsaal zu stellen und zu erzählen, weil es nicht auf die Vermittlung ankommt, sondern auf das Ergebnis. Man hat jemanden im Akkusativ erst dann etwas gelehrt, wenn er es auch begriffen hat und kann. Vorher hat man es bestenfalls versucht, sich vielleicht in die Bereiche eines Konjunktivs vorgearbeitet, aber keinesfalls einen Indikativ erreicht, und damit mangels Ergebnis auch den Akkusativ schlicht nicht verdient.
Überlege ich rückblickend, was mir mein Sprachgefühl hier eingebrockt hat, dann stand der Gedanke „jemandem eine Vorlesung halten, jemandem etwas vorzulesen” im Vordergrund.
Wenn man nämlich etwas alleine tut und der andere sich daran nicht hinreichend handlungsbeteiligt, oder anders gesagt, die Handlung auch ohne ihn durchführbar ist, dann steht der Dativ. Der Dativ beschreibt mehr so eine gedankliche Zielrichtung, wenn man jemandem ein Buch schenkt oder ein Gedicht widmet, während der Akkusativ eine direkte Handlungsbeteilung voraussetzt. Ein geradezu haarspalterischer Fall wäre es, wenn ein Friseur jemandem die Haare schneidet. Denn tatsächlich schneiden tut er (hoffentlich) nur die Haare, während die Person damit Empfänger des Nutzens ist.
Lehren mit doppeltem Akkusativ setzt voraus, dass sowohl der Belehrte, als auch das Lehrgut Bestandteil der Handlung sind, nämlich indem Letzteres erfolgreich im Kopf des ersteren angekommen ist. Erst dann hat man seinen Schüler gelehrt, den Degen zu führen, wenn er es kann.
Versteht man aber unter Lehren nicht mehr diese erfolgreiche Befähigungsvermittlung, sondern die – beispielsweise universitäre – Tätigkeit, eine Lehrveranstaltung abzuhalten, deren gedanklich vorgesehener Nutzensempfänger die Hörerschaft ist, ohne dass es auf deren Beteiligung oder gar einen Lehrerfolg ankommt, dann manifestiert sich der Dativ darin, dass man dem Publikum eine Lehrveranstaltung gehalten hat. Weil man das auch tun kann und inzwischen meistens auch tut, ohne es etwas zu lehren.
Versteht man unter Lehren als weitere Bedeutung auch das erfolgs- und inhaltsunabhängige (oder oft -lose) Durchführen der Lehrveranstaltung, indem man sich einfach vorne hinstellt und an der Tafel oder dem Beamer was blubbert, bis eben die Zeit rum ist und man dafür Geld bekommt, handelt es sich nämlich um eine semantisch drastisch unterschiedliche Handlung. Und in dieser Bedeutung müsste Lehren grammatikalisch konsequent mit Dativ stehen.
Nun muss ich nochmal nachdenken, ob Lehren mit Dativ stilistisch vertretbar und brauchbare Sprache ist, aber ganz so einfach, mit Grammatikregeln herumzurennen und zu sagen, dass Lehren immer mit doppeltem Akkusativ steht, weil es ein solches Lehren gibt, das ist bei näherem Nachdenken falsch, weil Worte eben auch mehrere Bedeutungen haben können.