Ansichten eines Informatikers

Von der Beantragung eines Personalausweises an Platz x

Hadmut
12.10.2020 10:03

Grrrrr!

Ich hatte doch von meinen Problem berichtet, mir in Berlin einen neuen Personalausweis zu beantragen.

Demnächst läuft mein Personalausweis ab und ich versuchte seit Juni vergeblich, einen Termin zu bekommen. Online geht gar nichts, weil die immer nur 2 oder 3 Wochen in die Zukunft buchen und da immer alles ausgebucht ist. Unter der Behördennummer 115 bekommt man gesagt, dass sie keine Termine haben und man online buchen soll. Einfach hingehen und warten, bis man dran kommt, geht seit Corona nicht mehr.

Nachdem das monatelang nicht zum Ziel führte, hatte ich mich neulich mal heftig beschwert und als Antwort bekommen, dass man für mich für heute um 8:12 einen Termin im Bürgeramt X, ganz anderer Stadtteil von Berlin, gemacht habe. Auf deren Webseite die Erklärung, dass man doch bitte früher da sein möge, wenn man mit deren dortigem Passbildautomaten noch ein Foto machen möchte.

Ich also heute um Viertel nach Sechs (das ist für mich gefühlt so ungefähr Mitternacht) aufgestanden, im Berliner Verkehr weiß man ja auch nie, und zum ersten Mal seit Februar wieder U-Bahn gefahren.

Komme also dahin, um mich erst mal mit diesem Automaten auseinanderzusetzen, der da digitale Fotos macht und Fingerabdrücke nimmt, dazu von selbst in die richtige Höhe fahren will, eine gruselige Farbtemperatur hat, und ein (nein, gleich drei) so extrem schlechte (und dazu noch verschlafen aussehende) Fotos von mir gemacht, von denen ich sagen würde, dass wenn es meine Leichenfotos wären, jeder Bestatter meine Annahme verweigern würde. Sollte ich jemals in die Verlegenheit kommen, mit der Strafjustiz aneinanderzugeraten, bekomme ich allein für das Foto ein Jahr ohne Bewährung extra. Es kostet 5 Euro und man bekommt keinen Ausdruck.

Dann sitze ich da in den Sitzbänken, so mittendrin, und wundere mich, warum auf der Terminanzeige ständig Nummern dudeln, aber keiner aufsteht und hingeht. Bis ich mich mal rumdrehe und merke, dass ich da völlig alleine sitze. Eigentlich saß noch eine Frau mit Kindern hinter mir, aber die waren irgendwann weg.

Es ist so schwer, da einen Termin zu bekommen, und nun sitze ich da, völlig alleine, ständig dudeln die Nummern, und keiner geht hin.

Mit etwas Verspätung kommt meine Nummer, ich gehe rein und mache den Antragskram. Die Frau sagt mir danach, ich solle dann gleich wieder bei der Nummer 115 anrufen, um mir einen Termin in 3 Wochen zur Abholung geben zu lassen. Es sei besser, sich den Termin gleich geben zu lassen, ich solle da gleich anrufen.

Als ich aus dem Büro rauskomme, ist der Wartesaal, in dem ich eben noch alleine saß, voll.

Ich komme zurück nach Hause und rufe die 115 an.

Geht erst mal nicht. Zuviele Anrufer. „Rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder an”.

Im dritten Versuch komme ich in die Warteschleife.

Die Wartenschleifenmusik ist entsetzlich.

Eigentlich ist es keine Musik, sondern nur ein paar kurze Akkorde von ein paar Sekunden, die enden, wie sie anfangen, damit sie in einer Endlosschleife laufen können, ohne dass man den Ansatz hört. Dafür optimal ausgepegelt, also volle Lautstärke. Und das hört man dann so hundertmal. Das ist Folter.

Endlich habe ich eine dran und sage, ich war gerade im Bürgeramt in X und habe einen Personalausweis beantragt und die sagten mir, ich solle mir bei ihnen einen Termin für in 3 Wochen geben lassen.

„An welchem Platz waren sie denn?”

Mir geht so im Hirn die Frage rum, was für eine Rolle das denn spielen könnte, bei welcher Dame an welchem Tisch ich den Ausweis bestellt hatte. Außerdem hatte ich mir das eigentlich nicht gemerkt, aber es fiel mir wieder ein. Platz x [ich anonmymisiere das mal]. Brauchen sie das für den Termin?

Sie erklärt mir, dass sie mir gar keinen Termin für in drei Wochen machen kann. Sie habe gar keine Termine.

Das sei auch Unsinn.

Die an Platz x sehe das aber nicht ein und erzähle das jedesmal immer wieder. Sie hätten sich schon mehrfach über die Dame an Platz x beschwert, aber die höre nicht auf damit, den Leuten zu sagen, dass sie sich an der 115 einen Termin für in drei Wochen geben lassen sollten.

Es gäbe aber gar keine Termine „für in drei Wochen”.

Sie würden sich jetzt nochmal über die Dame am Platz x beschweren.

Aha.

Und was mache ich jetzt? Wie komme ich dann an meinen Ausweis?

Ich solle nochmal anrufen, sobald der Brief von der Bundesdruckerei angekommen sei. Dann sehe man weiter.

Nun habe ich meinen Personalausweis endlich beantragt, und weiß nicht, wie ich dann dran kommen soll.

Irgendwie komme ich mir immer vor, als sei ich der erste oder höchstens dritte, der so einen Ausweis beantragt, und die müssten alle erst mal herausfinden, wie das geht.

2005 war ich unter den ersten, die einen biometrischen Reisepass beantragt, und hatte doppelt Ärger, weil meine Nase nicht exakt normgerecht (naja, eben individuell, das ist ja der Witz an der Biometrie, dass nicht alle Nasen gleich sind, aber irgendwer hat das nicht verstanden und war der Meinung, dass die Biometrie dazu diene, sicherzustellen, dass nur die mit der perfekten Einheitsnase ohne Abweichung einen Reisepass bekommen) war und außerdem noch der Passbildautomat die Passbilder spiegelverkehrt gedruckt hatte, was die beim Amt nicht und ich erst nachträglich an den restlichen Bildern zuhause gemerkt habe, meine Biometriedaten also niemals zu meinem Gesicht gepasst hätten. Für den zweiten Versuch war ich dann bei einem Profi-Fotografen, der wusste, wie man mein Gesicht vor der Kamera so verkanten muss, damit die Nase so aussieht, dass sie exakt da wäre, wo sie nach den Vorgaben zu sein hat, um als biometriekonform angenommen zu werden.

Vor zehn Jahren war ich unter den ersten, die einen ePerso beantragt hatten, und auch das war in mehrerlei Hinsicht seltsam.

Aber im Berlin des Jahres 2020 sollte es doch eigentlich bekannt und geübt sein, wie Leute einen Personalausweis beantragen (und bekommen).

Ich bin doch da wirklich nicht der erste. Oder?