Zwei Drittel hielten die Medien für glaubwürdig
Sagen die Medien.
Glaubt Ihnen das nicht.
Sagt der Danisch.
Insgesamt halten zwei Drittel der Deutschen die Medien im Land für glaubwürdig – so viele wie noch nie. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk überzeugt auch bei der Berichterstattung zu #Corona, zeigt eine Studie im Auftrag des @WDR ➡ https://t.co/dNmypXNbrU pic.twitter.com/GUkvr5gwI2
— ARD (@ARD_Presse) October 12, 2020
Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow zur Glaubwürdigkeitsstudie: pic.twitter.com/ciiMfJT6Se
— ARD (@ARD_Presse) October 12, 2020
Zunächst mal würde ich fragen: Wer glaubt denen das?
Der zweite Punkt ist: Die schreien da Hurra, aber tatsächlich ist „Zwei Drittel halten sie für glaubwürdig” ein ziemlich lausiger Wert.
“Die Studie ist ein sehr gutes Zeugnis für die deutsche Gesellschaft und ihr Mediensystem”, sagt ARD-Vorsitzender Tom Buhrow: “Mich freut besonders, dass die Menschen den öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsendern in ganz Deutschland so viel Vertrauen schenken. Wir ruhen uns auf diesen Zahlen nicht aus, sondern geben jeden Tag alles, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.”
Nee, ist es nicht. Was würdet Ihr von der Negativ-Schlagzeile „Ein ganzes Drittel der Bürger glaubt den Medien nicht mehr” halten? „Jeder dritte Bürger misstraut den Medien”? Mit solchen Glaubwürdigkeitswerten könnte ich mein Blog dicht machen.
Außerdem ist es wertlos: In den Medien ging es die letzten Monate fast nur um Corona, und laut Fragestellung bezog sich die Umfrage eben auf Corona:
Die Corona-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in Tageszeitungen beurteilen die Deutschen überwiegend positiv. […]
Die Berichterstattung über die Corona-Pandemie dominiert seit Monaten die deutschen Medien – und wird von den Deutschen je nach Medium sehr unterschiedlich bewertet. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie von Infratest dimap im Auftrag des WDR. Demnach beurteilen 82 Prozent der Befragten die Corona-Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als gut oder sehr gut, 74 Prozent die im öffentlich-rechtlichen Radio. Auch die Berichterstattung von Tageszeitungen (68 Prozent) und in den Internetangeboten der öffentlich-rechtlichen Sender (56 Prozent) schneidet überwiegend positiv ab. Mit 33 Prozent mehrheitlich als schlecht oder weniger gut bewertet wird hingegen die Corona-Berichterstattung der Boulevardpresse. Nur elf Prozent der Befragten finden diese gut oder sehr gut.
Insgesamt erreicht die Glaubwürdigkeit der Medien in Deutschland im Vergleich zu den Vorgängerstudien aus den Jahren 2015, 2016, 2018 und 2019 einen neuen Höchstwert:67 Prozent der Deutschen halten die Informationen in deutschen Medien für glaubwürdig. Das sind sechs Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Verglichen mit dem Beginn der Studienreihe im Jahr 2015 ist der Wert sogar um 15 Prozentpunkte gestiegen.
Wisst Ihr, wie man das nennt?
Den Simpson-Fehler.
Schon zig Male in diesem Blog erwähnt. Indem man über eine andere Veränderung korreliert, kann man zur gegenteiligen Aussage kommen. So werden auch der Gender Pay Gap und Frauenbenachteiligung „bewiesen”, obwohl das Gegenteil vorliegt. Man hat den Simpson-Fehler als systematischen Fehler überhaupt erst entdeckt, als man der Frage nachging, warum Frauen an einer amerikanischen Universität scheinbar benachteiligt werden, obwohl sie an jeder Fakultät erweislich bevorzugt wurden. Sie hatten sich aber auf wenige Fakultäten beschränkt, während die Männer alles studierten, und sich deshalb selbst die Erfolgschancen auf Stellen abgesägt und über Benachteiligung gejammert, obwohl sie überall bevorzugt wurden.
Beispiel: Stellt Euch vor, die Mietpreise steigen überall. Weil die Leute sich das nicht mehr leisten können, ziehen sie in kleinere Wohnungen und zahlen weniger Miete, weil weniger Quadratmeter. Obwohl die Mieten gestiegen sind, würde man unter Begehung dieses Fehlers behaupten, dass die Mieten gesunken seien, weil die Leute im Durchschnitt weniger zahlen. Obwohl alle Mieten gestiegen sind.
Selbiges hier:
Der Nachrichteninhalt hat sich stark zu Corona verschoben.
Wenn aber die Glaubwürdigkeitsbewertung mit der Themenverschiebung etwa von Gender zu Corona steigt, dann heißt das nicht (zwingend), dass die Leute den Medien stärker glauben. Sondern es kann auch daran liegen, dass die Leute den Medien auf verschiedenen Themen unterschiedlich stark glauben. Beispielsweise zu Corona mehr als zu Gender.
Oder beispielsweise auch, weil die Sendungen anders erfolgen. Mehr Sonderbereichte, Nachrichten, Brennpunkte und sowas statt Kulturgelabere und Serienpropaganda. Vielleicht glauben die Leute Brennpunkten um 20.15 mehr als Titel-Thesen-Temperamente um 23:00. Deshalb würde es nach einem Anstieg aussehen, auch wenn die Leute den Medien weniger glauben.
Typischer Fall einer Schrottstudie mit fehlerhafter Auslagung. Sagt eigentlich gar nichts, weil alles dahinter kann, mehr und weniger Vertrauen.
Das ist übrigens der Punkt, warum ich „Datenjournalisten” für Leute halte, die Fehler wie Korrelation als Kausalität auszugeben oder den Simpson-Fehler zu begehen, zu ihrem Hauptberuf gemacht haben. Hauptberufliche Fehlermacher.
Genau deshalb solltet Ihr sehr vorsichtig damit sein, was Ihr den Medien noch glaubt.