Nicht-Review Vecnos Iqui 360°-Kamera
Einfach zu früh auf den Markt geworfen. [Nachtrag]
Nun, jetzt habe ich zwar keinen Mangel an 360°-Kameras, darunter auch schlechte (die bisher am wenigsten brauchbare war ausgerechnet die von Nikon), dafür durch corona-bedingtes Zuhause-Rumsitzen einen Mangel an Einsatzzwecken. Eigentlich sind die Dinger wirklich prächtig, um unterwegs Eindrücke zu sammeln und ungewöhnliche Perspektiven zu bringen. Ich muss aber noch an der Präsentationstechnik arbeiten, das ist alles noch nicht so ganz „rund”.
Die qualitativ zweitbeste, aber praktikabelste und reisetauglichste, die ich habe, ist bisher die GoPro Max, weil die auch eine normale Actioncam ersetzen kann, und auch sonst gute Weitwinkelaufnahmen macht, allerdings ist die Handy-App dazu nicht so der Brüller und nur von bedingtem Nutzen. Außerdem ist das Ding doch recht groß und etwas umständlich in der Anwendung.
Ricoh hatte auch ganz gute, aber nichts, was ich jetzt noch gebraucht hätte (wobei „brauchen” in Zeiten von Corona-Home-Office auch eher akademisch-hypothetisch ist). Sie haben aber eine Ausgründung, die unter den Namen Vecnos firmiert, die schon seit Monaten eine Kamera namens IQUI angekündigt hatte.
Ein seltsames Gerät.
In manchen Dingen nicht konkurrenzfähig, weil beispielsweise nur ganz kurze Videos aufzunehmen sind, und auch keine austauschbare Speicherkarte. Sehr asiatisch verspielt geprägt, weil die App so gebaut ist, dass man dann auf den 360°-Videos Herzchen vom Himmel regnen lassen kann. Da fahren dann die Mädels in Taiwan oder Südkorea, vielleicht auch Japan voll drauf ab, mein Ding ist das jetzt nicht so.
Allerdings hat das Ding auch interessante Aspekte: Es ist nämlich sehr klein und unauffällig, hat nur die Größe eines Stiftes (naja, so’n schmaler Edding eben). Und das Ding hat vier statt zwei Kameras, drei im 120°-Winkel und eine nach oben. Eigentlich sollten die Dinger am 1. Oktober zu bestellen sein, sie haben es dann wegen Softwareaspekten auf den 15. Oktober verschoben. Ich war so frei, mir dann trotz des Spielzeugeffektes eines zu bestellen.
Kam am Samstag.
Preis so um die 320 Euro, was von manchen Kommentatoren als deutlich zu hoch angesehen wird.
Kleiner als erwartet. Obwohl man dem Ding sein Asien-Design durchaus anmerkt (Europäer stehen einfach nicht so auf silberfarbene Zierringe) macht das Ding als Hardware einen guten Eindruck. Fühlt sich gediegen an (ich habe allerdings inzwischen gemerkt, dass man den Einschalter nur gerade drücken sollte. Drückt man ihn schräg, kann er im Gehäuse verkanten und drin klemmen bleiben, was leicht zu beheben ist, falls man es merkt).
Aufgefallen ist mir, dass das Ding keinen USB-Anschluss hat, sondern auf der unterseite nur einen zweipoligen Ladeanschluss, auf denen man einen Adapter mit der USB-Elektronik draufstecken muss. Weil die Akkukapazität bescheiden ist, muss man also immer diesen Adapter rumschleppen oder das Etui kaufen, dass demnächst nochmal für 100 teure Euro angeboten werden soll und einen eigenen Akku zum Zwischenladen haben soll.
Ausgepackt, geladen, eingeschaltet, erstes Foto gemacht. Geht. Man kann auch nichts falsch machen. Man kann es einschalten. Man kann zwischen Foto und Video hin- und herschalten. Man kann den Auslöser drücken. Sonst nichts. Bestätigt durch Dudeltöne. Man kommt sich vor wie Man-in-Black mit ihrem Gedächtnis-Löscher, so sieht das Ding nämlich auch aus.
Nun wollte ich die Bilder auf das Handy laden. Was anderes geht ja auch nicht, kein USB, keine Speicherkarte. Android 9.
Die App hat das Ding gleich gefunden, Bluetooth und WLAN, und das ist toll, denn das kann man wirklich nicht von allen 360°-Kameras sagen.
Das war jetzt der gute Teil. Der endet jetzt.
Obwohl das Handy die Kamera gleich gefunden hatte, gestaltete sich der Download von den 3 Fotos und 1 Kurzvideo, die ich gemacht hatte, ewig. Der Fortschrittsbalken kroch extrem langsam, war dann von 4 auf 3 (das potentiell runtergeladene Foto aber auch nirgends zu finden) und blieb gelegentlich stehen, weil das Handy in den Screenlock ging, den man offenbar nicht deaktiviert hatte.
Irgendwann wurde die Kamera (die man so nicht hinstellen kann und die ich deshalb in einer Hand hielt) merklich warm, noch nicht heiß, aber doch deutlich warm, und irgendwann ging die LED von weiß auf rot und die Kamera schaltete sich mit einem Dudeln aus.
Und das war’s.
Mehr oder weniger.
Zunächst mal stellte sich das Ding völlig tot. Nicht mehr einzuschalten. Auch Ladestrom wurde nicht mehr mit grüner LED quittiert. Wollte es eigentlich schon als komplett kaputt einschicken, merkte dann aber, dass das Ding noch geringfügig Wärme produziert. Nicht mehr so viel wie im Betrieb, aber auch nicht wie ein totes Gerät, in dem gar nichts mehr geht und das auf Zimmertemperatur hätte abkühlen müssen. (Das ist bei Kameras übrigens normal, dass die warm werden können.) Also dachte ich mir: Gut. Wenn es Wärme abgibt, dann verbraucht es Strom. Irgendann ist der Akku leer und es gibt ein erzwungenes Reset.
So war es dann auch. Ein paar Stunden später fühlte sich das Ding dann Zimmertemperatur-kalt an, war offenbar terminiert. Und quittierte dann den Ladestrom auch wieder mit grüner LED. Ließ sich nach ein bisschen Laden sogar wieder einschalten (LED wird weiß), aber nicht bedienen. Reagiert nicht auf Auslöser oder Foto/Videoumschalter, das Handy findet die Kamera nicht. Kein Bluetooth.
Nichts zu machen, beim Versuch es auszuschalten, geht das Problem von vorne los, stellt sich wieder tot, wieder warten, bis der Akku leer ist.
Vecnos böse angewittert. Die meinten, ich solle einen Servicecall aufmachen. Die konnten aber auch nicht mehr, als mich bitten, mal den Einschalter für 11 Sekunden zu drücken, um einen Reset zu erzwingen (hatte ich schon mit Zeiten bis über 60 Sekunden probiert), und mir anzubieten, innerhalb der 7-Tage-Garantie die Kamera zu tauschen, wenn das nicht hilft. Dazu müsste ich allerdings den Kaufnachweis mit Datum und Amazonbestellungsfoto vorlegen. Um zu beweisen, dass ich deren 7-Tage-Garantie für eine Kamera habe, die sie erst seit 3 Tagen verkaufen.
Ich habe ihnen die angefragten Auskünfte zu Softwareversionen gegeben und ihnen ansonsten empfohlen, mir den Buckel runterzurutschen, warum sollte ich mich als deutscher Kunde auf so ein Scheiß-Prozedere mit einem Austausch mit einer Firma in Amerika einlassen und damit herumschlagen, wenn ich das Ding doch bei Amazon einfach und problemlos kostenlos zurückgeben und mir das Geld erstatten lassen kann.
Sagen wir es so:
Ich habe zwar noch kein einziges Foto von dem Ding gesehen, aber die Hardware, die Kamera als solche, erscheint mir gut (bis auf den Ein-Aus-Taster, der sich im Gehäuse verhaken kann, wenn man schräg drückt).
Die Software dagegen hat einfach noch Macken, die sie als nicht produktionsreif erscheinen lassen. Es kann durchaus sein, dass das nur eine Kleinigkeit ist, und die Kamera ansonsten toll arbeitet, aber er führt nunmal dazu, dass die Kamera hier jetzt nicht mehr zu gebrauchen ist. Nicht völlig tot und „bricked”, aber äquivalent.
Und damit hat man ohne Daten-USB und Speicherkarte ein ganz fundamentales Problem: Man kann auch keinen Firmwareupdate mehr durchführen, wenn die Software nicht mehr hoch genug kommt, um mit dem Handy zu quatschen. Dann geht gar nichts mehr. Nicht mal mehr ein Firmware-Update. Wenn das Ding wenigstens einen USB-Anschluss für Daten (und nicht nur über den Adapter zum Laden des zweipoligen Stromversorgungssteckers) hätte, und man das Ding einfach noch als Laufwerk mounten könnte, hätte man rudimentäre Möglichkeiten für einen Softwareupdate. Aber da geht (aus Nutzersicht) gar nichts mehr. Ich sehe auch keine Schraube oder einen offensichtlichen Weg, das Ding aufzukriegen. Womöglich könnte man es durch Drehen im Ganzen aufschrauben, aber dann kann man es nicht mehr zurückgeben. Sollen die sich drum scheren.
Man wollte offenbar unbedingt für das Weihnachtsquartal die Kamera auf den Markt werfen, die Software aber nicht stabil und getestet.
Das wäre jetzt noch nicht so schlimm, das machen andere auch. Manche meiner Kameras waren auch erst nach dem Softwareupgrade (oder dem zweiten oder dritten) brauchbar, was auch naheliegend ist, weil die Hardware ja auch nicht von einem Tag auf den anderen hergestellt wird, sondern bei Verkaufsstart oft schon 2, 3 Monate alt ist. Ich halte das inzwischen für normal und zumutbar, die Kamera erst mal zu aktualisieren. Das stört mich nicht.
Wenn die Kamera aber von vornherein so gebaut ist, dass bei einem Softwareabsturz gar nichts mehr geht, weil die nur per Funkt mit dem Handy kommunizieren kann und sonst gar nichts geht, dann ist das eine Fehlkonstruktion.
Obwohl es eigentlich eine schöne, praktische Kamera ist.
Meine Empfehlung wäre, abzuwarten, bis es genug positive Kommentare und Erfahrungsberichte gibt, falls man das überhaupt will. Die sollen erst mal ihre Software stramm ziehen. Für richtig gute Fotos zu erträglichem Preis würde ich derzeit die GoPro Max, die Kandao QooCam VR 8K, und die (kenne ich nicht selbst, wurde mir von Lesern sehr empfohlen) Insta360 One X empfehlen, zumal letztere, die GoPro und die Insta, ab etwa 430 Euro zu haben sind, also zum Preis der IQUI mit ihrem (erforderlichen) Lade-Etui.
Und mit den drei genannten bekommt man richtig gute, erprobte, einsatztaugliche Kameras. Die QooCam und die GoPro haben sogar ein Display, die GoPro kann normale Action Cams emulieren. Alle drei haben zwar nur zwei statt vier Kameras, funktionieren aber einfach, haben normale Micro-SD-Speicherkarten, USB-Anschluss. Sind zwar nicht so hübsch und zierlich und unauffällig, man bekommt aber so richtig was für’s Geld und nicht nur ein Nischenspielzeug.
Insofern kein Test der IQUI, aber ein schlechtes Zeugnis. Schöne Kamera, aber das mir vorliegende Exemplar funktioniert nicht mehr, und selbst wenn sie funktionieren würde, wäre sie im Verhältnis zum Markt zu teuer. Man muss mal abwarten, ob nur ich ein defektes Exemplar erwischt hatte (was ja immer mal sein kann, besonders wenn man aus der allerersten Charge kauft), und was andere dazu sagen. Bildqualität kann ich noch nicht beurteilen, ich habe ja kein einziges Bild aus der Kamera herausbekommen.
Vor allem aber hat mich geärgert, dass sie das Ding seit 15. Oktober verkaufen, und am 18. Oktober von mir einen Kaufnachweis haben wollen, weil sie nur 7 Tage Garantie geben. Wobei ich das mit den 7 Tagen Garantie jetzt auch nicht mehr finde, die basteln anscheinend gerade an ihrer Webseite rum. Derzeit gibt es einfach gar keine Garantiebestimmungen mehr. Ich könnte die Kamera (unklar wohin) einschicken, wo sie sie prüfen. Sollten sie zu dem Ergebnis kommen, dass das nicht den Garantiebestimmungen unterliegen, müsste ich die Kosten tragen.
Nee, muss ich nicht.
Gebe ich bei Amazon zurück und lasse mir das Geld erstatten. Ganz einfach.
Nachtrag: Die CHIP meint, in ihrem Test vor 5 Tagen hätte die Kamera funktioniert. Die erwähnen nur „Verbindungsprobleme”. Sie finden sie aber auch zu teuer.