Rechtsbeugung und Zeitgeist
Staatsanwälte machen auch längst, was sie gerade wollen.
Ich hatte in einer Strafsache (betrifft mich nicht, ich hatte damit nichts zu tun) wegen eines fundamentalen Rechtsfehlers Strafanzeige gegen einen Richter und den Staatsanwalt (Anstiftung, Beihilfe, weil Staatsanwälte nicht selbst Rechtsbeugung begehen können) erstattet.
Nämlich weil man jemanden wegen einer Äußerung im Rahmen von Rundfunk und Presse nach StGB verurteilt hatte. Das geht aber nicht, weil das Strafgesetzbuch Bundesrecht ist und die Inhalte von Presse und Rundfunk nach Grundgesetz ausschließlich dem Landesrecht unterliegen. Das liegt daran, dass unser Rechtsstaat (erstaunlich aber wahr) vorsieht, dass generell Gesetze nur Sache der Länder sind, außer in den Fällen, in denen das Grundgesetz dem Bund die Zuständigkeit gibt. Das hat es aber für Rundfunk und Presse nicht getan, nur für die Technik der Netze zur Verteilung. Nicht für Inhalte.
Das ist übrigens auch der Grund, warum Presse und Rundfunk nur Landespressegesetzen, Landesrundfunkgesetzen und Rundfunkstaatsverträgen unterliegen und es kein Bundespresse- oder Bundesrundfunkgesetz gibt. (Ein Bundespressegesetz müsste es eigentlich schon geben, aber es könnte nur das Verhalten der Bundesbehörden gegenüber der Presse regeln, nicht das, was die Presse kann und darf.)
Eigentlich ist das juristisches Grundlagenwissen, bei einer Rechtsanwendung erst mal zu klären, wer die Gesetzgebungskompetenz hat. Und ohne Kompetenz kann man eben die Inhalte von Presse und Rundfunk nicht regulieren, auch nicht auf dem Umweg des Strafrechts.
So aus journalistischem Interesse und zur Produktion von Stoff für ein Buch.
Normalerweise muss sowas immer an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben werden, weil Staatsanwaltschaften nicht gegen sich selbst ermitteln dürfen. Zumindest ist das gängige Praxis, um Befangenheiten zu umgehen. Zwar sehen die Prozessordnung nur Befangenheiten von Richtern vor, aber Staatsanwälte unterliegen als Beamte normalem Verwaltungsrecht, weshalb sie ebenfalls nicht in Angelegenheiten entscheiden dürfen, in denen sie befangen sind.
Sie haben es aber nicht abgegeben.
Dieselbe Staatsanwaltschaft schreibt mir, dass eine Rechtsbeugung gar nicht vorliegen, der Richter sich nicht strafbar gemacht haben könne, weil – *Trommelwirbel* – der Verurteilte ja Rechtsmittel eingelegt und das Urteil nicht rechtskräftig geworden sei.
Hätte er kein Rechtsmittel eingelegt, hätten sie gesagt, Der Verurteilte hat es ja akzeptiert, er hätte sich ja wehren können, wenn es Unrecht war.
Das ist fundamentaler Käse, denn im Strafrecht gilt eine Tat als vollendet, wenn von Täterseite nichts mehr zu tun ist. Die kann auch scheitern, wenn die Gründe dafür dann außerhalb der Einflußsphäre des Täters liegen. Außerdem gehört die Rechtsbeugung zu den Verbrechen, und bei denen ist (§ 23 StGB) der Versuch immer strafbar.
Dass es eine Rechtsbeugung ausschließen soll, wenn sich der Betroffene wehrt, ist ungefähr so dämlich wie die Ansicht, dass ein Einbruch nicht strafbar sein kann, wenn der Hausbesitzer danach die Polizei ruft.
Inhaltlich sagt er zu meiner Ausführung über die Gesetzgebungskompetenz nur, das sei falsch. Keine Begründung.
Unsere Strafjustiz gleitet auch gerade in die völlige politische Willkür ab. Geltendes Recht interessiert die eigentlich nicht mehr.